Amtsgericht Charlottenburg

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Amtsgerichtsgebäude Charlottenburg

Das Amtsgericht Charlottenburg ist das für den Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf in Zivilsachen sowie Verbraucherinsolvenzverfahren zuständige Amtsgericht. Darüber hinaus ist das Gericht zentrales Registergericht für das Land Berlin, in dem die Handels-, Partnerschafts-, Vereins- und Genossenschaftsregister für Berlin geführt werden. Es ist außerdem zuständig für die Durchführung von Insolvenzverfahren in Berlin, insbesondere für Unternehmens- und Regelinsolvenzen für natürliche Personen, also ehemalige Selbstständige.[1]

Übergeordnet sind das Landgericht Berlin und das Kammergericht[2].

Geschichte

Das Amtsgericht an der Kantstraße entstand 1877 mit dem in Krafttreten des Gerichtsverfassungsgesetzes.[3] Es war dem Landgericht Berlin II und dieses dem Berliner Kammergericht nachgeordnet. Mit fünf Richterstellen (Stand: 1880) war es das zweitgrößte Amtsgericht im Landgerichtsbezirk.[4]

In den Jahren ab 1903 erhielt das vorhandene Justizgebäude eine Erweiterung durch einen Neubau an der Ecke Tegeler Weg/ Osnabrücker Straße. Der erste Teil des Neubaus sollte sich nur entlang des Tegeler Wegs erstrecken, eine Baufläche war für spätere Erweiterungen vorgesehen. Das realisierte Bauwerk wurde im romanischen Baustil mit großem repräsentativen Treppenhaus angelegt. Die Fassade aus unregelmäßig geschichtetem Werkstein beherrschte das Äußere des Gebäudes.[5] Dieser Teil des Amtsgerichts Charlottenburg wurde nach dem Krieg zum Landgericht Berlin umgewidmet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gerichtsorganisation kurzfristig neu geordnet. Die sowjetische Besatzungsmacht richtete in jedem Bezirk von Berlin ein Bezirksgericht ein. Entsprechend entstand zum 1. Juni 1945 das Bezirksgericht Charlottenburg. Dabei verkleinerte sich der Gerichtssprengel, da auch ein Bezirksgericht Wilmersdorf gebildet wurde. Die Bezirksgerichte erhielten später die Bezeichnungen Amtsgericht. Auf seiner 12. Sitzung beschloss die Alliierte Kommandantur am 27. September 1945 die Gerichtsstruktur der besetzten Stadt. Es gab eine Rückkehr zu der traditionellen Aufteilung mit drei Instanzen; es wurden wieder zwölf Amtsgerichte gebildet. Das Amtsgericht Wilmersdorf wurde aufgelöst und dem Amtsgericht Charlottenburg angegliedert.[6]

Im Amtsgericht waren im Jahr 2003 rund 450 Mitarbeiter, davon 55 Richter im Dienst.[7] In den 2020er Jahren werden 378 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter, davon 58 Richterinnen/Richter angegeben.[8]

Gebäude

Datei:Charlottenburg Kantstraße 79 Strafgericht.JPG
Gebäude in der Kantstraße 79, ehemaliges Strafgericht

Das unter Denkmalschutz stehende Gerichtsgebäude (Außenstelle Kantstraße) nimmt den gesamten Block zwischen dem Amtsgerichtsplatz, der Holtzendorffstraße, der Witzlebenstraße und der Suarezstraße ein. Sein ältester Teil wurde von Poetsch & Clasen in den Jahren 1895 bis 1897 im Stil des märkischen Barock für die damaligen „Civilabtheilungen“ am Amtsgerichtsplatz nahe der Kantstraße erbaut. In den Jahren 1915–1921 wurde es von dem Architekten Schulz erweitert.[9] Das verputzte Gebäude mit Sockel aus schlesischem Granit und Hauptportal mit dreiachsigem Mittelrisalit umschließt einen geräumigen Innenhof.[10]

Für die damaligen Strafabteilungen des Gerichts wurde 1896/1897 nach Entwurf von Adolf Bürckner und Eduard Fürstenau in der Kantstraße 79 ein Nebengebäude im Neorenaissancestil mit angeschlossenem Gefängnistrakt errichtet,[11] das bis 2010 wechselnd genutzt (u. a. Grundbuchamt, zuletzt Nachlassabteilungen) und dann zwecks Veräußerung der Liegenschaft für die gerichtliche Nutzung aufgegeben wurde.[12]

Im Hof wurde ein Gefängnistrakt mit roten Verblendern und reichhaltigem Bauschmuck als Vollzugsanstalt für weibliche Jugendliche und Strafabteilung des Amtsgerichtes eingerichtet. Das Gefängnis war zwischen 1933 und 1945 mit Regimegegnern, ab 1939 ausschließlich mit Frauen belegt. In den Jahren 1942 bis 1945 wurde das Gefängnis von der Fürsorgerin Änna Wieder geleitet, die dafür bekannt war, dass sie die Frauen menschlich behandelte und Vergünstigungen gewährte.[13]

Siehe auch

Literatur

  • Ute Nitsch: Charlottenburg-Wilmersdorf von A bis Z – …ein Lexikon. Textpunkt Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-936411-80-8.
  • Karl Ernst Rimbach: 250 Jahre Charlottenburg. Festschrift aus Anlaß des Stadtjubiläums. Bezirksamt Charlottenburg Berlin (Hrsg.), Arbeitsgemeinschaft Rimbach & Poser, Berlin-Charlottenburg 1955.

Weblinks

Commons: Amtsgericht Charlottenburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Amtsgericht Charlottenburg: Zuständigkeiten des Amtsgerichts Charlottenburg. Erweiterte Zuständigkeit. In: online. 2020, abgerufen am 4. Februar 2020.
  2. in der Funktion eines Oberlandesgerichtes
  3. RGBl. S. 41.
  4. Carl Pfaffenroth: Jahrbuch der deutschen Gerichtsverfassung. 1880, S. 395 (Textarchiv – Internet Archive).
  5. Die im Bau begriffenen Gerichtsbauten in Berlin und in den Vororten (2. Fortsetzung: hier zu den Amtsgerichten Wedding, Mitte und Charlottenburg mit Grundrissdarstellungen und Baudetails), 19. September 1903, S. 465 f.
  6. Friedrich Scholz: Berlin und seine Justiz: die Geschichte des Kammergerichtsbezirks 1945 bis 1980. 1982, ISBN 978-3-11-008679-9, S. 9 ff. (books.google.se).
  7. Hainer Weißpflug: Amtsgericht Charlottenburg. In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Charlottenburg-Wilmersdorf. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2005, ISBN 3-7759-0479-4 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
  8. Daten zum Amtsgericht Charlottenburg, abgerufen am 24. Februar 2021.
  9. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  10. Amtsgericht Charlottenburg. In: berlin.de. 19. Oktober 2014, abgerufen am 4. Februar 2020.
  11. Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste
  12. Gefängnis zu verkaufen. In: Berliner Zeitung, 26. Mai 2010.
  13. Ehemaliges Strafgericht Charlottenburg. In: berlin.de. 5. Oktober 2009, abgerufen am 8. Januar 2018.

Koordinaten: 52° 30′ 22,5″ N, 13° 17′ 42,9″ O