Apsiskirche
Die Apsiskirche ist ein wichtiger Grundrisstyp im mittelalterlichen Dorfkirchenbau. Grundsätzlich unterscheiden sich die Grundrisstypen von Dorfkirchen nach dem Ostabschluss, entweder mit einer halbrunden Apsis oder mit einer geraden Altarwand, sei es des eingezogenen Chors oder sei es des Langhauses. Auch die Apsissäle und die Chorturmkirchen haben eine Apsis. Sie haben aber ihre eigenen Fachbegriffe, so dass als Apsiskirchen nur die drei- oder vierfach gestaffelten Grundrisse bezeichnet werden (Apsis, eingezogener Chor und Langhaus, ohne schiffsbreiten Westbau dreiteilig, mit Westbau vierteilig).
Bei Domen, Stifts-, Kloster- und städtischen Pfarrkirchen ist der Begriff nicht üblich, weil bei diesen großen, meist mehrschiffigen Kirchen die Apsis oder die Apsiden im Vergleich zum Gesamtbau lediglich bauliche Details darstellen und nicht ein grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal sind.
Die Apsiskirchen kommen nur in der Romanik, vor allem in der Spätromanik vor.
Dorfkirchen
Erich Bachmann nennt für den Dorfkirchenbau in der Romanik vier Grundtypen: „Vollständige Anlage“ (besser: vierteilige Apsiskirche), Chorturmkirche, Chorquadratkirche und Apsissaal. Sie verfügen mit Ausnahme der Chorquadratkirche alle über eine Apsis. Da der Chorquadratkirche als einziger unter ihnen die Apsis fehlt, ist sie oft als Reduktionstyp der vierteiligen Apsiskirche interpretiert worden, die sich also an die „vollständige Anlage“ zeitlich anschließt und in die Frühgotik gehört. Dies ist jedoch nicht richtig, weil die Chorquadratkirche zeitlich parallel zur vollständigen Anlage schon in der Romanik erscheint, aber auch später noch häufiger in der Frühgotik.
Die Apsiskirchen sind als Feldsteinkirchen vor allem in Norddeutschland in den eiszeitlich geprägten Landschaften anzutreffen, aber auch in Dänemark und Schweden. Die Dorfkirchen im Süden Deutschlands sind meist aus Sandstein erbaut und seit dem Mittelalter barock verputzt, sind also in Anpassung an ihre Umgebung überformt und fallen daher weniger auf als die (meist unverputzten) Feldsteinkirchen.
Dabei gilt die vierteilige Apsiskirche („Vollständige Anlage“) in Norddeutschland als der klassische Urtyp, als der Inbegriff einer perfekten Feldsteinkirche als Dorfkirche. Städtische Pfarrkirchen mit nur einer Apsis kommen nur sehr selten vor; die ältesten unter ihnen schließen mit einer geraden Altarwand. Die Apsissäle sind relativ selten, noch seltener die Chorturmkirchen. Dorfkirchen mit schiffsbreitem Polygonalchor treten erst im Spätmittelalter auf. Deswegen beschränkt sich der Fachbegriff „Apsiskirche“ auf die vier- und dreiteiligen Apsiskirchen, die in der bisherigen Literatur missverständlich als „Vollständige Anlagen“ bezeichnet werden, obwohl die dreiteilige Apsiskirche im Vergleich zur vierteiligen Apsiskirche eben nicht „vollständig“ ist. Zum Begriff der Apsiskirche zählt im weiteren Sinne auch der einfache Apsissaal, der aber bei Bachmann als eigener Grundrisstyp gilt. Theoretisch gehörte auch die Chorturmkirche dazu, die aber östlich der Elbe nur äußerst selten anzutreffen ist.
Vierteilige Apsiskirche: Dorfkirche Marienfelde
Dreiteilige Apsiskirche: Dorfkirche Lankwitz
Apsissaal: Dorfkirche Tempelhof
Chorturmkirche mit Apsis: Dorfkirche Grünow (bei Schwedt/Oder).
Literatur
- Erich Bachmann: Kunstlandschaften im romanischen Kleinkirchenbau Deutschlands. In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft. Band 8, 1941, S. 159–172.
- Siegfried Scharfe: Deutsche Dorfkirchen, Königstein/Leipzig 1941.
- Florian Monheim, Hans Müller: Dorfkirchen im östlichen Deutschland, Köln 1991.
- Ulrich Waack: Bautypen mittelalterlicher Dorfkirchen in Berlin und der Mittelmark. In: Janowski, Bernd/Schumann, Dirk (Hrsg.): Dorfkirchen. Beiträge zur Architektur, Ausstattung und Denkmalpflege (= Band 3 der Reihe „Kirchen im ländlichen Raum“), Lukas-Verlag Berlin 2004, S. 121–138.
- Ulrich Waack: Kirchenbau und Ökonomie. Zur Beziehung von baulichen Merkmalen mittelalterlicher Dorfkirchen auf dem Barnim und dessen Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte (= Band 4 der Reihe „Kirchen im ländlichen Raum“), Lukas-Verlag Berlin 2009, ISBN 978-3-936872-73-6