Arkustangens und Arkuskotangens

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Abb. 1: Graph der Funktion
Abb. 2: Graph der Funktion

Arkustangens und Arkuskotangens sind zwei miteinander verwandte mathematische Arkusfunktionen. Sie sind die Umkehrfunktionen der geeignet eingeschränkten Tangens- und Kotangensfunktionen: Eine Einschränkung der ursprünglichen Definitionsbereiche ist nötig, weil Tangens und Kotangens periodische Funktionen sind. Man wählt beim Tangens das Intervall und beim Kotangens das Intervall .[1]

Zusammen mit Arkussinus und Arkuskosinus als Umkehrfunktionen des Sinus und Kosinus bildet der Arkustangens den Kern der Klasse der Arkusfunktionen. Zusammen mit den Areafunktionen sind sie in der komplexen Funktionentheorie Abwandlungen des komplexen Logarithmus, von dem sie auch die „Mehrdeutigkeit“ erben, die ihrerseits von der Periodizität der komplexen Exponentialfunktion herrührt.

Schreibweisen

Mathematische Formeln verwenden für den Arkustangens als Formelzeichen , , , oder .[2] Für den Arkuskotangens sind die Schreibweisen und neuerdings auch [3] in Gebrauch.

Aufgrund der heute für Umkehrfunktionen gebräuchlichen allgemeinen Schreibweise beginnt dabei aber auch in diesem Fall die namentlich auf Taschenrechnern verbreitete Schreibweise die klassische Schreibweise zu verdrängen, was leicht zu Verwechslungen mit dem Kehrwert des Tangens, dem Kotangens, führen kann (s. a. die Schreibweisen für die Iteration).

Eigenschaften

Arkustangens Arkuskotangens
Definitionsbereich
Bildmenge
Monotonie streng monoton steigend streng monoton fallend
Symmetrien Ungerade Funktion:
Punktsymmetrie zu
Asymptoten für für
für
Nullstellen keine
Sprungstellen keine keine
Polstellen keine keine
Extrema keine keine
Wendepunkte

Wichtige Funktionswerte

Die folgende Tabelle listet die wichtigen Funktionswerte der beiden Arkusfunktionen auf.[4]

Weitere wichtige Werte sind:

Für Tangenswerte siehe die Formel im Abschnitt #Funktionalgleichungen.

Näherungsweise Berechnung

Es gelten folgende Näherungen:

Arkustangens, maximale Abweichung unter 0,005 Radianten:[5]

Eine weitere Berechnungsmöglichkeit bietet CORDIC.

Arkuskotangens:

Reihenentwicklung

Die Taylorreihe des Arkustangens mit dem Entwicklungspunkt lautet:

Die Taylorreihe des Arkuskotangens mit dem Entwicklungspunkt lautet:

Diese Reihen konvergieren genau dann, wenn und ist. Zur Berechnung des Arkustangens für kann man ihn auf einen Arkustangens von Argumenten mit zurückführen. Dazu kann man entweder die Funktionalgleichung benutzen oder (um ohne auszukommen) die Gleichung

Durch mehrfache Anwendung dieser Formel lässt sich der Betrag des Arguments beliebig verkleinern, was eine sehr effiziente Berechnung durch die Reihe ermöglicht. Schon nach einmaliger Anwendung obiger Formel hat man ein Argument mit sodass obige Taylorreihe konvergiert, und mit jeder weiteren Anwendung wird mindestens halbiert, was die Konvergenzgeschwindigkeit der Taylorreihe mit jeder Anwendung der Formel erhöht.

Wegen hat der Arkuskotangens am Entwicklungspunkt die Taylorreihe:

Sie konvergiert für und stimmt dort mit dem oben angegebenen Hauptwert überein. Sie konvergiert auch für allerdings mit dem Wert Manche Pakete der Computeralgebra geben für den am Ursprung unstetigen, aber punktsymmetrischen und am unendlich fernen Punkt stetigen Wert als Hauptwert.

Funktionalgleichungen

Statt aus Argumenten über 1 oder unter −1 lässt sich der Arkustangens aus Argumenten zwischen −1 und 1 ableiten:

.

Gleiches gilt für den Arkuskotangens:

.

Wenn man (bspw. durch die erste Ersetzung) bei einem Argument (einem Tangenswert) ankommt, kann man anschließend im Fall die Gleichung

anwenden, sodass mit das Argument des Arkustangens in jedem Fall (jetzt , sonst ) ins Intervall mit zu liegen kommt.

Weitere Beziehungen

Wegen der Punktsymmetrie ist mit auch ein Wertepaar der Arkustangensfunktion.

Additionstheoreme

Die Additionstheoreme für Arkustangens und Arkuskotangens erhält man mit Hilfe der Additionstheoreme für Tangens und Kotangens:

Daraus folgt insbesondere für doppelte Funktionswerte

Aus dem ersten Gesetz lässt sich für hinreichend kleine mit

das Gruppengesetz ableiten. Es gilt also beispielsweise:

woraus sich

errechnet. Ferner gilt

und dementsprechend

Die zwei Gleichungen als Arkuskotangens geschrieben:

und

Berechnung der Kreiszahl π mit Hilfe des Arkustangens

Die Reihenentwicklung kann dazu verwendet werden, die Zahl π mit beliebiger Genauigkeit zu berechnen: Die einfachste Formel ist der Spezialfall die Leibniz-Formel

Da sie nur extrem langsam (logarithmisch) konvergiert, verwendete John Machin 1706 die Formel

um die ersten 100 Nachkommastellen von mit Hilfe der Taylorreihe für den Arkustangens zu berechnen. Letztere konvergiert schneller (linear) und wird auch heute noch für die Berechnung von verwendet.

Im Laufe der Zeit wurden noch mehr Formeln dieser Art gefunden. Ein Beispiel stammt von Carl Størmer (1896):

[6]

was gleichbedeutend damit ist, dass der Realteil und der Imaginärteil der Gaußschen Zahl

mit

gleich sind.[7]

Gleiches gilt für die Formel von John Machin, wobei es hier um die Gaußsche Zahl

geht, die mit einem Taschenrechner berechnet werden kann.

Ableitungen

Arkustangens:

Arkuskotangens:

Stammfunktionen

Arkustangens:

Eine Stammfunktion des Arkustangens ist

Arkuskotangens:

Eine Stammfunktion des Arkuskotangens ist

Komplexer Arkustangens und Arkuskotangens

Lässt man komplexe Argumente und Werte zu, so hat man

  mit

eine Darstellung, die quasi schon in Real- und Imaginärteil aufgespalten ist. Wie im Reellen gilt

mit

Man kann im Komplexen sowohl den Arkustangens (wie auch den Arkuskotangens) durch ein Integral und durch den komplexen Logarithmus ausdrücken:

für in der zweifach geschlitzten Ebene Das Integral hat einen Integrationsweg, der die imaginäre Achse nicht kreuzt außer evtl. im Einheitskreis. Es ist in diesem Gebiet regulär und eindeutig.[8]

Der Arkustangens spielt eine wesentliche Rolle bei der symbolischen Integration von Ausdrücken der Form

Ist die Diskriminante nichtnegativ, so kann man eine Stammfunktion mittels Partialbruchzerlegung bestimmen. Ist die Diskriminante negativ, so kann man den Ausdruck durch die Substitution

in die Form

bringen; eine Stammfunktion ist also

Umrechnung ebener kartesischer Koordinaten in polare

Ist ein Punkt in der Ebene durch Polarkoordinaten gegeben, so sind seine kartesischen Koordinaten durch die Gleichungen

bestimmt.

Die Umrechnung in der Gegenrichtung ist etwas komplizierter. Auf jeden Fall gehört der Abstand

des Punktes vom Ursprung zur Lösung. Ist nun dann ist auch und es spielt keine Rolle, welchen Wert hat. Dieser Fall wird im Folgenden als der singuläre Fall bezeichnet.

Ist aber dann ist weil die Funktionen und die Periode haben, durch die Gleichungen nur modulo bestimmt, d. h., mit ist auch für jedes eine Lösung.

Trigonometrische Umkehrfunktionen sind erforderlich, um von Längen zu Winkeln zu kommen. Hier zwei Beispiele, bei denen der Arkustangens zum Einsatz kommt.

Der simple Arkustangens (s. Abb. 3) reicht allerdings nicht aus. Denn wegen der Periodizität des Tangens von muss dessen Definitionsmenge vor der Umkehrung auf eine Periodenlänge von eingeschränkt werden, was zur Folge hat, dass die Umkehrfunktion (der Arkustangens) keine größere Bildmenge haben kann.

Abb. 3: φ als Außenwinkel eines gleichschenkligen Dreiecks

Halber Winkel

In der nebenstehenden Abb. 3[9] ist die Polarachse (die mit der -Achse definitionsgemäß zusammenfällt) um den Betrag in die -Richtung verlängert, also vom Pol (und Ursprung) bis zum Punkt Das Dreieck ist ein gleichschenkliges, sodass die Winkel und gleich sind. Ihre Summe, also das Doppelte eines von ihnen, ist gleich dem Außenwinkel des Dreiecks Dieser Winkel ist der gesuchte Polarwinkel Mit dem Abszissenpunkt gilt im rechtwinkligen Dreieck

was nach aufgelöst

ergibt. Die Gleichung versagt, wenn ist. Dann muss wegen auch sein. Wenn jetzt ist, dann handelt es sich um den singulären Fall. Ist aber dann sind die Gleichungen durch oder erfüllt.[10] Das ist in Einklang mit den Bildmengen resp. der Funktion im folgenden Abschnitt.

Der „Arkustangens“ mit zwei Argumenten

Ein anderer Weg, um zu einem vollwertigen Polarwinkel zu kommen, ist in vielen Programmiersprachen und Tabellenkalkulationen gewählt worden, und zwar eine erweiterte Funktion, die mit den beiden kartesischen Koordinaten beschickt wird und die damit genügend Information hat, um den Polarwinkel modulo bspw. im Intervall und in allen vier Quadranten zurückgeben zu können:

Zusammen mit der Gleichung erfüllt jede der beiden Lösungen und die Gleichungen :

      und
,

und zwar für mit jedem beliebigen

Arkustangens mit Lageparameter

Abb. 4: Arkustangens mit Lageparameter

In vielen Anwendungsfällen soll die Lösung der Gleichung so nahe wie möglich bei einem gegebenen Wert liegen. Dazu eignet sich die mit dem Parameter modifizierte Arkustangens-Funktion

Die Funktion rundet zur engstbenachbarten ganzen Zahl.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Arkustangens und Arkuskotangens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Beide Funktionen sind monoton in diesen Intervallen, und diese sind von den jeweiligen Polstellen begrenzt.
  2. Eric W. Weisstein: Inverse Tangent. In: MathWorld (englisch).
  3. Eric W. Weisstein: Inverse Cotangent. In: MathWorld (englisch).
  4. Georg Hoever: Höhere Mathematik kompakt. Springer Spektrum, Berlin Heidelberg 2014, ISBN 978-3-662-43994-4 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Weitere Approximationen (en) (Memento vom 16. April 2009 im Internet Archive)
  6. Bspw. sind die Zahlen Størmer-Zahlen;
    dagegen nicht.
  7. Dabei ist
  8. Milton Abramowitz und Irene Stegun: Handbook of Mathematical Functions. (1964) Dover Publications, New York. ISBN 0-486-61272-4 Formel 4.4.3
  9. Eine ganz ähnliche Skizze ist die von Einheitskreis#Rationale Parametrisierung.
  10. Beim Rechnen mit Gleitkommazahlen besteht Instabilität in der Nähe des -Strahls wegen