Atlas-Verbund

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Der Atlas-Verbund oder auch die Atlas-Gruppe vereint die 38 europäischen Polizei-Spezialeinheiten der EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Staaten in Form eines Verbundes. Die informelle Kooperationsstruktur wurde 2002 gegründet, ihre Wurzeln gehen aber auf das Jahr 1996 zurück. Ziel des Atlas-Verbundes ist die Verbesserung der Kooperation von Polizei-Spezialkräften innerhalb Europas. Der Vorsitzende des Atlas-Verbunds war seit Oktober 2012 Olaf Lindner und seit Ende 2014 Jerome Fuchs, der Behördenleiter der GSG 9 der Bundespolizei. Vom 1. Januar 2017 wurde ATLAS von Bernhard Treibenreif, dem Direktor des Einsatzkommando Cobra, geleitet.[1] Ab 1. Juli 2021 übernahm Štefan Hamran, Kommandant der slowakischen Spezialeinheit Lynx.[2][3]

Bedeutung

Atlas ist keine Abkürzung, sondern bezieht sich auf den gleichnamigen Titanen aus der griechischen Mythologie, der den Himmel auf seinen Schultern trägt.

Aufbau

Bereits 1996 entschied der Rat der Europäischen Union, ein Antiterror-Kompetenznetzwerk zu schaffen, um die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet zu erleichtern. Dies gilt als „Geburtsstunde“ der Atlas-Kooperation. Jedoch wirkten erst die Terroranschläge am 11. September 2001 als Auftakt für die operative Aufbauarbeit. Im Oktober 2001 fand dann ein erstes Treffen der Kommandeure der Polizei-Spezialeinheiten nach „9/11“ statt.

Die wesentliche Aufbauarbeit wurde von der GSG 9 der Bundespolizei (Deutschland), dem EKO Cobra (Österreich), der GIGN (Frankreich), der DSU (Belgien) und der DSI (Niederlande) geleistet.

Organisation

Der Atlas-Verbund ist eine informelle Kooperationsstruktur, trotzdem wurde die Kooperation unterdessen ausgeweitet. So werden gemeinsame Standards für Ausbildung, Ausrüstung und Einsatzverfahren entwickelt oder weiterentwickelt. Einen Schwerpunkt bilden gemeinsame Übungen. Ein gemeinsamer multinationaler Einsatz mehrerer polizeilicher Spezialeinheiten zur Bewältigung einer terroristischen Großlage galt in den Gründerjahren aufgrund der politisch-juristischen Sensibilität zuerst als unwahrscheinlich. Gleichwohl gab es Initiativen. So legte Österreich im Dezember 2006 den Entwurf eines Rahmenabkommens für gemeinsame Spezialeinsätze vor.[4] Im Oktober 2018 wurde ein Unterstützungsbüro beim European Counter Terrorism Centre (ECTC) der Europol eingerichtet, das die Zusammenarbeit zwischen der Europol und den im Altas-Verbund vertretenen Spezialeinheiten verbessern und den Verbund unterstützen soll.[5][6][7][8]

Insbesondere seit der Gründung des ECTC wurden länderübergreifende Einsätze möglich gemacht, so waren beim Anschlag in München 2016 Einsatzkräfte der Cobra mit zur Unterstützung vor Ort als standen auch beim Terroranschlag in Wien 2020 Spezialeinheiten aus Deutschland, Tschechien, Slowakei und Ungarn zur grenzüberschreitenden Unterstützung bereit.[9]

Arbeitsteilung

Die GSG 9 der deutschen Bundespolizei ist für die Entwicklung von Taktiken und Techniken im maritimen Einsatzumfeld zuständig. Ergänzend entwickeln die GIGN Taktiken und Techniken für den Einsatz an Flugzeugen, die RAID für den Einsatz an öffentlichen Verkehrsmitteln und das EKO Cobra aus Österreich für den Einsatz in Gebäuden. Neben diesen Arbeitsgruppen wurde die Bildung von Expertengruppen, zur Unterstützung von einem terroristischen Anschlag betroffener Staaten, beschlossen.

Mitglieder

Im Atlas-Verbund sind aufgrund der föderalen Strukturen einiger Mitgliedsländer sowie der Existenz polizeilicher und militärischer Wachkörper einige Staaten mit mehreren Einheiten vertreten. Zum Atlas-Verbund gehören 36[10] Einheiten aus den 27 EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Staaten:

  • AKS – The Special Operations and Response Team AKTIONSSTYRKEN (Dänemark)
  • Aras – Lithuanian Police Anti-Terrorist operations Unit (Litauen)
  • ATU – Spezialeinheit Enzian (Schweiz)
  • BOA – Biuro Operacji Antyterrorystycznych (Polen)
  • BSIJ – Brigada Specială de Intervenție a Jandarmeriei (Rumänien)
  • CGSU – Commissariat-General Special Units (Belgien)
  • SCO19 – Specialist Crime & Operations (Großbritannien)
  • DSI – Dienst Speciale Interventies (Niederlande)
  • EAO (Zypern)
  • EKO Cobra – Einsatzkommando COBRA (Österreich)
  • EKAM – Eidiki Katastaltiki Antitromokratiki Monada (Griechenland)
  • ERU – Garda Emergency Response Unit (Irland)
  • GEO – Grupo Especial de Operaciones (Spanien)
  • GIGN – Groupe d'Intervention de la Gendarmerie Nationale (Frankreich)
  • GIS – Gruppo di Intervento Speciale (Italien)
  • GNR GIOE Grupo de Operações Especiais (Portugal)
  • GOE – Grupo de Operações Especiais (Portugal)
  • GSG 9 der Bundespolizei (Deutschland)
  • K-Kommando – (Estland)
  • KARHU – Helsingin poliisilaitos Valmiusyksikkö (Finnland)
  • Lynx – Presidium of the Police Force (Slowakei)
  • NI – Nationella Insatsstyrkan (Schweden)
  • NOCS – Nucleo Operativo Centrale di Sicurezza (Italien)
  • OMEGA – Counterterrorism Group (Lettland)
  • PSNI – HMSU – Police Service of Northern Ireland Headquarters Mobile Support Unit (Nordirland)
  • RAID – Recherche Assistance Intervention Dissuasion (Frankreich)
  • Red Panther – POLICIJA Specialna Enota (Slowenien)
  • SAG – Special Assignments Group (Malta)
  • SEK BW – Spezialeinsatzkommando Baden-Württemberg (Deutschland, stellvertretend für die SEKs der deutschen Länderpolizeien)
  • SIAS – Serviciul Independent de Interventii si Actiuni Speciale (Rumänien)
  • SUCT – Specialized Unit for Combating (Bulgarien)
  • TEK/CTC – Counter Terrorism Center Hungary (Ungarn)
  • UEI – Unidad Especial de Intervención (Spanien)
  • USP[11] – Police Lëtzebuerg – Unité Spéciale de la Police (Luxemburg)
  • URNA – Útvar rychlého nasazení Policie MR (Tschechische Republik)

Weiterhin kooperieren mit dem Atlas-Verbund:

Übungen

Operation Octopus 2007

Bei der Operation Octopus handelte es sich um eine groß angelegte multinationale maritime Übung, an der im September 2007 insgesamt 300 Polizeibeamte aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Schweden und Spanien teilnahmen. Die Übung fand im Hafen von Ostende statt und simulierte die Einnahme einer gekaperten Fähre. Die notwendigen Boote und Hubschrauber kamen aus Beständen der beteiligten Polizeibehörden.

Common Challenge 2013

Der Übung lag eine simulierte, europaweit gleichzeitig an verschiedenen Tatorten stattfindende Geiselnahmelage zugrunde. In den einzelnen Teilnehmerländern wurden verschiedene Szenarios durchgespielt:

  • Fähre – Schweden
  • Containerschiff – Litauen
  • Kohlekraftwerk – Irland
  • ÖPNV/Bus – Spanien
  • ÖPNV/Bahn – Belgien
  • Gebäude – Italien
  • Gebäude – Österreich
  • Gebäude – Slowenien
  • ÖPNV/Bus – Rumänien

Die GSG 9 hat sich mit insgesamt mehr als 30 Beamten am Auftrag zur Rettung und Befreiung von Geiseln in Österreich beteiligt.

Literatur

  • Sören Sünkler: Die Söhne der Titanen, Caliber Ausgabe 2/2008 S. 16–22
  • Weisswange, Jan-Phillipp: Gemeinsam gegen den Terrorismus, Strategie & Technik 6/2007, S. 66–67

Einzelnachweise

  1. Kronen Zeitung: Cobra hat Vorsitz inne: Erste Schaltzentrale für 38 Anti-Terror-Einheiten. Abgerufen am 4. Juli 2021.
  2. Bundesministerium für Inneres: Internationale Zusammenarbeit: Nehammer übergibt ATLAS-Vorsitz an slowakischen Innenminister. Abgerufen am 4. Juli 2021.
  3. Veliteľ slovenského komanda Lynx sa stal šéfom združenia elitných protiteroristických jednotiek. 1. Oktober 2019, abgerufen am 8. September 2021 (slowenisch).
  4. sek-einsatz.de: GSG 9 im ATLAS Verbund „All together to protect you!“; abgerufen am 4. Juli 2021
  5. Closer international cooperation to fight hostage-taking, kidnapping and terrorism. 10. Oktober 2018, abgerufen am 12. Oktober 2018 (englisch, Press Release).
  6. Großübung europäischer Spezialeinheiten unter Zusammenarbeit von ATLAS und Europol. 10. Oktober 2018, abgerufen am 12. Oktober 2018 (Autorenkürzel: er).
  7. Europas Supercops üben den Terror-Ernstfall. Im Kampf gegen Terroristen und organisierte Verbrecher soll die Polizei schlagkräfiger auftreten. 30 europäische Länder machen mit. 10. Oktober 2018, abgerufen am 12. Oktober 2018.
  8. Großübung für Europas Polizei-Spezialeinheiten. 10. Oktober 2018, abgerufen am 12. Oktober 2018 (Autorenkürzel: fal).
  9. Bundesministerium für Inneres: Internationale Zusammenarbeit: Nehammer übergibt ATLAS-Vorsitz an slowakischen Innenminister. Abgerufen am 4. Juli 2021.
  10. Kleine Anfrage – Drucksache 17/13607 –. (PDF) Deutscher Bundestag, 6. Januar 2013, S. 6ff, abgerufen am 18. August 2016.
  11. Gregor Wenda: Großherzogliche Spezialisten. (PDF) Vor 40 Jahren wurde im Großherzogtum Luxemburg die Vorläuferorganisation der heutigen Polizei-Sondereinheit „Unité Spéciale de la Police“ gegründet. In: Öffentliche Sicherheit - Das Magazin des Innenministeriums. Bundesministerium für Inneres, S. 84–86, abgerufen am 8. September 2021 (Ausgabe 11/12 2019).