Aussichtstriebwagen

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„Gläserner Zug“ 491 001, ehemals ET 91 01, im Hauptbahnhof Innsbruck, 1985

Als Aussichtstriebwagen oder Panoramatriebwagen werden Triebwagen bezeichnet, die touristischen Zwecken dienen und zur besseren Rundumsicht der Fahrgäste viele Glasflächen aufweisen. Wie entsprechende Reisezugwagen – Wagen mit einer verglasten Aussichtskanzel (AD4üm-62, Domecars), Panoramawagen (Apm61Pano), Kanzelwagen etc. – zählen sie zu den Aussichtswagen und gehören dabei aufgrund ihrer Motorisierung zu den selbstfahrenden Fahrzeugen.

Deutschland

VT 137 463 im Bahnbetriebswerk Dresden-Pieschen, 1939
GT8-80C mit Dachrandverglasung beim Mitteil bei Ittersbach, 1996

Eisenbahntriebwagen

Bekanntester deutscher Aussichtstriebwagen war der elektrische Triebwagen „Gläserner Zug“, der bis 1995 auf den Gleisen in und um Süddeutschland unterwegs war. Die Waggonfabrik Fuchs hatte 1935 und 1936 zwei derartige Fahrzeuge an die Deutsche Reichsbahn (DR) geliefert. Der Triebwagen ET 91 02 brannte am 9. März 1943 bei einem Bombenangriff aus, der ET 91 01 kam nach dem Zweiten Weltkrieg zur Deutschen Bundesbahn (DB). Auf nicht elektrifizierten Strecken wurde er von Diesellokomotiven geschleppt. Bei einem Unfall im Bahnhof Garmisch-Partenkirchen wurde er schwer beschädigt und ist seitdem nicht mehr fahrtüchtig.
Analog zur Baureihe ET 91 bezog die DR von Fuchs 1936 einen und 1939 zwei weitere Dieseltriebwagen für den Einsatz auf nicht elektrifizierten Strecken. Der Triebwagen 137 462 wurde 1944 bei einem Bombenangriff zerstört. Die DB übernahm die verbliebenen zwei Fahrzeuge und benannte sie in VT 90 500 und 501 um, 1960 bzw. 1962 wurden sie ausgemustert.
Aus Fahrzeugen der Berliner S-Bahn entstand 1999 die „Panorama-S-Bahn“. Zwei Viertelzüge der Baureihe 477/877 dienten als Basis für den dreiteiligen Triebzug. Er verkehrte bis 2009 freitags und an den Wochenenden im Sonderverkehr zwischen den Regelzügen im Berliner S-Bahn-Netz, seit mehreren Jahren ist er abgestellt.

Straßenbahntriebwagen

Die Mittelteile eines Teils der Fahrzeuge der Baureihen GT8-80C und GT8-100D/2S-M der Stadtbahn Karlsruhe weisen eine Dachrandverglasung auf.
Ein Einzelstück war der „Gläserne Triebwagen“ der Stuttgarter Straßenbahn. Anlässlich der für das Jahr 1939 geplanten Reichsgartenschau baute sie in ihrer Hauptwerkstatt Ostheim den Triebwagen 550 zum Aussichtstriebwagen 502 um. Der Wagen 550 gehörte zum Typ 17.2, einer zwölf Fahrzeuge umfassenden Serie, die 1913 für die neu eröffnete Linie 8 („Ostring“) gebaut und 1935 abgestellt worden war.
Der Triebwagen wurde zu einem Einrichtungsfahrzeug und erhielt Fenster anstelle der linksseitigen Türen. Das Laternendach wurde durch ein weitgehend verglastes Tonnendach ersetzt, zugunsten eines durchgehenden Fahrgastraums wurden die Trennwände zu den Plattformen entfernt. Er erhielt 25 gepolsterte Omnibussitze (rechts Einzel- und links Doppelsitze), die in Fahrtrichtung angeordnet waren. Im Unterschied zu den Linienfahrzeugen wurde er im unteren Teil hellgrün lackiert.
Während der Dauer der Gartenschau wurde er für Ehrengäste wie auch für Stadtrundfahrten auf Strecken mit Wendeschleifen eingesetzt. Im Zweiten Weltkrieg diente er vorwiegend genesenden Verwundeten für Sonderfahrten. In der Nacht vom 12. zum 13. November 1944 verbrannte er bei einem Luftangriff im Betriebshof Nr. 4 in Stuttgart-Ostheim.[1]

Schweiz

Zwei ABe 130 („Spatz“) der Zentralbahn in Brienz

Von der Firma Stadler Rail stammen die meterspurigen dreiteiligen Triebzüge des Typs Spatz, einem Akronym für Schmalspur-Panorama-Triebzug. Wie bei den Karlsruher Fahrzeugen sind deren Mittelteile mit einer Dachrandverglasung versehen. Zehn Exemplare werden bei der Zentralbahn als ABe 130 eingesetzt, zwei weitere bei den Transports de Martigny et Régions (TMR). Die als Beh 4/8 bezeichneten Fahrzeuge der TMR besitzen einen gemischtem Adhäsions- und Zahnradbetrieb, sie verkehren mit 850 Volt Gleichspannung an einer seitlichen Stromschiene.

Frankreich

1956 bestellte die französische Staatsbahn SNCF zehn Dieseltriebwagen mit einer Aussichtskanzel über dem Maschinenraum und dem Gepäckabteil. Die bis 1959 ausgelieferten Fahrzeuge wurden – vorwiegend auf landschaftlich schönen Strecken – bis 1985 im Eilzugverkehr eingesetzt. Vier der Triebwagen blieben erhalten, davon einer als Ersatzteilspender und einer betriebsfähig bei der Museumsbahn Train touristique du Livradois-Forez.
Die zwischen 2005 und 2008 von der SNCF für die Bahnstrecke Saint-Gervais–Vallorcine beschafften schmalspurigen Fahrzeuge der Baureihe Z 850 gehören zum Typ Stadler Spatz. Sie entsprechen den Triebzügen der TMR, besitzen aber keinen Zahnradantrieb.

Italien

Ein Dieseltriebwagen der Baureihe italienischen Baureihe ALn 772 (ALn 772.3240) wurde 1948 zu einem Panoramatriebwagen umgebaut. Das Fahrzeug mit der neuen Betriebsnummer ALtn 444.3001 und den Beinamen „Belvedere“ wurde im Saisonverkehr von Mailand nach Sanremo eingesetzt, 1965 aber zum ALn 772 rückgebaut.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gottfried Bauer: Stuttgarts „Gläserner“. In: Straßenbahn Magazin. Nr. 9, 2008, S. 78 f.