Bahnmotor
Als Bahnmotor oder Eisenbahnmotor bezeichnet man das Antriebsaggregat für schienengeführte Triebfahrzeuge.[1] Je nach Motortyp erfolgt die Energieversorgung des Motors auf unterschiedliche Art bzw. mit unterschiedlicher Energie.[2]
Geschichte
Die bereits zur Zeit des Römischen Reiches verwendeten Pferdewagen kamen ohne Motor aus, ihr Antrieb erfolgte durch Pferde, die die Wagen durch im Gestein angebrachte Spurrillen zwangsgeführt zogen.[3] Diese Form des Antriebes dominierte bis in das 19. Jahrhundert, als die Zwangsführung bereits durch Schienen erfolgte.[4] Im Jahr 1804 wurde das erste Mal ein Schienenfahrzeug mittels eines dampfgetriebenen Antriebsaggregats, der Watt'schen Hochdruckdampfmaschine angetrieben.[3] Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden das Pferd als Antrieb der Bahnen nach und nach durch die mit dampfgetriebenem Motor ausgestatteten Dampflokomotiven verdrängt.[5] Im Jahr 1879 wurde die erste Lokomotive, die durch einen Elektromotor angetrieben wurde, auf der Berliner Gewerbeausstellung eingesetzt.[3] Nur wenige Jahre später wurde im Jahr 1881 der erste mittels Elektromotor angetriebene Triebwagen in der Berliner Straßenbahn in Betrieb genommen.[4]
Motortypen
Je nach Antriebsform, Energieversorgung und -erzeugung ist der das Triebfahrzeug antreibende Bahnmotor entweder eine Dampfmaschine, eine Brennkraftmaschine oder ein Elektromotor.[2] Das Drehmoment der Antriebsmaschine wird je nach Motor entweder mittels Einzelachs- oder Gruppenantrieb auf die Triebradsätze des Triebfahrzeugs übertragen.[6]
Dampfantrieb
Die mittels Dampfmaschine angetriebene Dampflokomotive war während der Industrialisierung das wichtigste Verkehrsmittel.[7] Um den Antriebsmotor in Form der Dampfmaschine mit der erforderlichen Energie (Dampf) zu versorgen, musste mittels eines geeigneten Brennstoffs Wasser in der Regel in einem Dampfkessel erhitzt werden und der dabei entstehende Dampf an die Dampfmaschine weitergeleitet werden.[2] Im Laufe der Jahre wurden hier die unterschiedlichsten Dampfmaschinentypen entwickelt und als Antriebsaggregat eingesetzt.[8] Bevorzugt als Antriebsaggregat wurden Kolbendampfmaschinen, es gab aber auch Triebfahrzeuge, bei denen als Antriebsmotor eine Dampfturbine zur Bereitstellung des Antriebsdrehmoments genutzt wurde.[2] Es gab auch Kombinationen von Dampfturbinen, die mit einem Generator gekuppelt waren, welcher wiederum einen Elektromotor als Fahrmotor mit Strom versorgte.[9]
Brennkraftantrieb
Diese Antriebsaggregate sind in der Regel Dieselmotoren, in denen die chemische Energie des Kraftstoffes in Wärmeenergie und diese wiederum in mechanische Arbeit umgewandelt wird.[2]
Hier kommen drei verschiedene Formen der Leistungsübertragung zum Einsatz, dieselmechanische Antriebe, dieselelektrische Antriebe und dieselhydraulische Antriebe.[10] Beim dieselmechanischen Antrieb wird die Kraft eines Dieselmotors direkt, meist über ein Getriebe, als Traktionselement für das Triebfahrzeug genutzt.[11] Diese Form der Leistungsübertragung hat im Schnellfahrbereich sehr hohe Wirkungsgrade von bis zu 97 Prozent.[10] Dieselelektrische Antriebe sind eine Kombination aus Brennkraftantrieb und Elektroantrieb.[12] Ein Dieselmotor treibt einen an ihn angeflanschten Generator an, der wiederum den Bahnmotor mit elektrischem Strom versorgt.[13] Als Motor kommen heute in der Regel ein Drehstromasynchronmotor zum Einsatz, der mittels Pulswechselrichter in der Drehzahl geregelt wird.[12] Die Motorsteuerung des Dieselmotors ist so eingestellt, dass sie gut auf Wechsellasten reagieren kann.[13] Sie hat von allen Dieselantrieben den schlechtesten Wirkungsgrad.[10] Beim dieselhydraulischen Antrieb wird die Antriebsenergie des Motors entweder hydrodynamisch mittels eines Strömungsgetriebes oder mittels eines hydrostatischen Antriebs auf die Treibradsätze des Triebfahrzeugs übertragen.[11] Diese Antriebe haben hohe Wandlerverluste und dadurch bedingt einen Wirkungsgrad von maximal 85 Prozent.[10]
Elektroantrieb
Für den Elektroantrieb kommen, je nach Motortyp, Gleichstrom, Einphasen-Wechselstrom, Mischstrom und Drehstrom als Antriebsenergie zum Einsatz.[14] Entsprechend der Stromart kommen unterschiedliche Motoren zum Einsatz.[3]
Gleichstrommotoren
Als Bahnmotoren eignen sich hier besonders Reihenschlussmotoren.[15] Diese Motoren haben ein hohes Anzugsmoment, einen besseren Wirkungsgrad als Einphasenmotoren und sind gut in der Drehzahl regelbar.[9] Die Regelung der Drehzahl erfolgte häufig über einfache Vorwiderstände und Feldschwächung.[16] Nachteilig sind beim Einsatz von Gleichstrommotoren die hohen Verluste in den Hin- und Rückleitungen und in den Vorwiderständen.[4] Dies versucht man durch verschiedene Methoden zu umgehen.[9] Eine Möglichkeit ist es, den Motor über einen mitgeführten Akkumulator mit Gleichstrom zu versorgen, was jedoch die Reichweite des Triebfahrzeuges stark einschränkt und die Masse des Triebfahrzeugs stark erhöht.[16] Eine weitere Methode ist es, den Gleichstrommotor über einen am Bord des Triebfahrzeugs mitgeführten Umformersatz mit Gleichstrom zu versorgen.[9] Die Nutzung von Gleichstrommotoren als Bahnmotor hat sich im Laufe der Jahre weitestgehend auf den Innerstädtischen Bahnverkehr und einzelne Länder mit einem Gleichspannungsnetz beschränkt.[4] Heute werden Gleichstrommotoren in Neufahrzeugen auch nicht mehr bei Gleichspannungsnetzen eingesetzt, stattdessen werden auch dort Drehstrommotoren mit vorgeschalteten Umrichter eingesetzt.
Einphasenbahnmotoren
Als Einphasenbahnmotoren wurden im Laufe der Jahre drei verschiedene Motorentypen verwendet, der Repulsionsmotor, der Winter-Eichberg-Motor und der Einphasen-Reihenschlussmotor, auch Serienmotor genannt.[9] Insbesondere in den Anfangsjahren des elektrischen Bahnbetriebs war der Repulsionsmotor der einzige Einphasen-Wechselstrommotor, der als Hochleistungsantrieb für Triebfahrzeuge geeignet war.[17] Später konnte der Winter-Eichberg-Motor aufgrund seines ruhigen Laufverhaltens lange Zeit dominieren.[18] Im 20. Jahrhundert wurden die Einphasen-Reihenschlussmotoren technisch verbessert und dadurch der dominierende Bahnmotor in Einphasen-Wechselstrom-Systemen.[17]
Einphasen-Reihenschlussmotoren werden mit Wendepol- und Kompensationswicklung eingesetzt.[3] Diese Motoren haben Leistungen bis zu 1000 Kilowatt[19] und lassen im Gegensatz zum Repulsionsmotor den Betrieb mit Gleichstrom, Wechselstrom und Mischstrom zu.[6] Da sie direkt mit einer Sinuswechselspannung gespeist werden können, werden sie auch als Direktmotor[ANM 1] bezeichnet.[15] Diese Elektromotoren haben ein Reihenschlussverhalten.[20] Die Ansteuerung, d. h. die Spannungssteuerung zur Drehzahlstellung, erfolgt in Abhängigkeit vom jeweiligen Bahnstromsystem.[3] Problematisch ist der Betrieb dieser großen Motoren an Stromnetzen mit der üblichen Netzfrequenz von 50 Hertz.[19] Insbesondere die Kommutierung gestaltet sich bei diesen großen Motoren schwierig.[21] Durch den Betrieb an Bahnstrom mit einer Frequenz von 16,7 Hertz, können bei diesem Bahnmotortyp neben der besseren Beherrschung der Kommutierung auch der Leistungsfaktor verbessert werden und die Ummagnetisierungsverluste vermindert werden.[19] Allerdings ist hierfür in der Regel ein eigenes Bahnstromnetz erforderlich, was wiederum dazu führt, dass diese Motoren nur in den Ländern verwendet werden, die ein eigenes Bahnstromnetz haben und nicht aus dem öffentlichen Netz gespeist werden.[22]
Mischstrommotoren
Unter Mischstrom wird ein mit Wechselstromanteilen überlagerter Gleichstrom bezeichnet. Dieser entsteht durch Gleichrichtung von Einphasenwechselstrom. Motoren die speziell für den Betrieb mit Mischstrom konzipiert sind, werden Mischstrommotoren oder Wellenstrommotoren genannt. Diese sind prinzipiell ähnlich zu einem Gleichstrommotor aufgebaut, können jedoch aufgrund konstruktiver Maßnahmen, wie beispielsweise ein massives Ständerjoch, die Parallelschaltung eines Widerstandes zum Hauptfeld, ein geblechter Wendepoleisenkreis und Spreizkohlen mit ein bestimmten Restwelligkeit betrieben werden.[23]
Drehstrommotoren
Von den Drehstrommotoren nutzte man in den Anfangsjahren Schleifringläufermotoren als Bahnmotoren, die über Anfahrwiderstände beim Anfahren hochgeregelt wurden.[24] Aber auch Drehstromkollektormotoren kamen wegen ihrer verlustlosen Regelbarkeit als Bahnmotor zum Einsatz.[9] Ab dem Jahr 1952 wurden Triebfahrzeuge mit Phasen- und Frequenzumformern verwendet, hierbei dienten einfache Drehstrom-Kurzschlussläufermotoren als Antriebsmaschine.[24] Mit dem Aufkommen der verbesserten Leistungselektronik wurden als Bahnmotor verstärkt Drehstrommotoren in Kombination mit Frequenzumrichtern verwendet, die nach und nach wurden die Einphasen-Reihenschlussmotoren verdrängten.[19]
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm Kübler: Der Drehstrommotor als Eisenbahnmotor. Mit zahlreichen Abbildungen. Verlag von Arthur Felix, Leipzig 1903, S. 2, 4, 5, 7, 8, 13, 16, 103.
- ↑ a b c d e Jürgen Janicki, Horst Reinhard, Michael Rüffer: Schienenfahrzeugtechnik. DB Fachbuch. 4. überarbeitete Auflage, Bahn Fachverlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-943214-26-0, S. 26.
- ↑ a b c d e f Andreas Steimel: Elektrische Triebfahrzeuge und ihre Energieversorgung. Grundlagen und Praxis. 2. überarbeitete Auflage, Oldenbourg Industrieverlag, München 2006, ISBN 978-3-8356-3090-1, S. 2–11.
- ↑ a b c d Hans-Peter Bauer, Michael Rüffer: Elektrische Bahnfahrzeuge. Lehrbrief Masterstudiengang. Hochschule Darmstadt, Darmstadt 2016, S. 4, 5.
- ↑ Lioubov Zoreva: Die Eisenbahn im russischen kulturellem Raum. Inaugural - Dissertation an der Ludwig-Maximilian-Universität. München 2012, S. 12, 38.
- ↑ a b Werner Deinert: Elektrische Lokomotiven für Vollbahnen. In: Ministerium für Verkehrswesen – Lehrmittelstelle – (Hrsg.): Triebfahrzeugkunde. Heft 1. Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, Berlin 1960, S. 142, 143, 175–187 (lokmalanders.de [PDF]).
- ↑ Philipp Lechner: Die Dampfmaschine von James Watt – physikalische Prinzipien, technische Umsetzungen, gesellschaftliche Auswirkungen. Diplomarbeit am Institut für Theoretische Physik der Johannes Keppler Universität Linz, Linz 2015, S. 88.
- ↑ Conrad Matschoss: Geschichte der Dampfmaschine. Ihre kulturelle Bedeutung, technische Entwicklung und ihre großen Männer. Mit 188 Abbildungen im Text, 2 Tafeln und 5 Bildnissen, Verlag von Julius Springer, Berlin 1901, S. 191–213.
- ↑ a b c d e f F. Niethammer: Die elektrischen Bahnsysteme der Gegenwart. Mit 202 Abbildungen. Verlag von Albert Raustein (vormals Meyer & Zeller's Verlag), Zürich 1905, S. 6, 39–41, 56, 60.
- ↑ a b c d Hendrik Hoffmann, Georg Jacobs, Achim Kramer, Christian Pelger, Markus Niessen, Rik W. De Doncker: Entwicklung eines elektrisch-mechanisch leistungsverzweigten Hybridantriebs für dieselbetriebene Nahverkehrszüge. RWTH Aachen University. S. 1, 2.
- ↑ a b Benedikt Scheier, Holger Dittus, Mathias Böhm, Christian Meirich: Stand der Technik von Antriebskonzepten für Rangier- und Streckenlokomotiven. In: ETR. Nr. 12, Dezember 2018, S. 51, 52, 56.
- ↑ a b Robert Schimke: Optimierung des Betriebsverhaltens und der Konfiguration von dieselelektrischen Lokomotiven. Genehmigte Dissertation an der Fakultät Verkehrswissenschaften "Friedrich List" der Technischen Universität Dresden. Dresden 2012, S. 12, 13.
- ↑ a b Günter Gmelch, Kai Otto, Roland Schmitt: Dacheinbau von Bahnmotoren. Firmendruckschrift der MAN Truck & Bus AG. Nürnberg 2013, S. 1–4.
- ↑ Horst Weigelt: Aus der Geschichte des Hochgeschwindigkeitsverkehrs. In: Verband der Bahnindustrie in Deutschland (Hrsg.). 20 Jahre Hochgeschwindigkeitsverkehr - nationale und internationale Perspektiven. Mit Unterstützung Förderkreises des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. Jahrbuch des Bahnwesens Nah und Fernverkehr, Edition 2011/12, S. 16.
- ↑ a b Jean-Marc Allenbach, Roger Kaller: Eisenbahntechnik. 2. Auflage. Laboratoire de Machines Electriques, 2014, S. 2.1-1, 4.1-1–4.1-4, 4.2-1, 4.3.-1–4.3-9, 4.4.-1, 4.5-1.
- ↑ a b Fernand Christen: Der Aktionsradius der Akkumulatoren-Eisenbahnfahrzeuge. Promotionsarbeit an der eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Dissertationsdruckerei Gebrüder Leemann, Zürich 1922, S. 29–32.
- ↑ a b Christoph Cramer: Projekt Lok 205.
- ↑ Friedrich Eichberg: Wechselstrommotoren für Bahnen. In: Wilhelm Kübler (Hrsg.). Elektrische Bahnen. Eine Zeitschrift für das gesamte elektrische Beförderungswesen. II. Jahrgang, Heft 2, Januar 1904, S. 22, 23.
- ↑ a b c d Detlev Roseburg: Elektrische Maschinen und Antriebe. Eine Einführung für Ingenieure und Wirtschaftsingenieure. Mit 366 Bildern, 35 Tabellen und 117 Beispielen, Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag, Leipzig 1999, ISBN 3-446-21004-0, S. 40.
- ↑ Ernst Hörnemann, Heinrich Hübscher: Elektrotechnik Fachbildung Industrieelektronik. 1 Auflage. Westermann Schulbuchverlag GmbH, Braunschweig, 1998, ISBN 3-14-221730-4, S. 161.
- ↑ Jürgen Hönig: Umrichter zur Speisung des 16 2/3-Bahn-Netzes. Dissertation am Fachbereich der Technischen Hochschule Darmstadt. Darmstadt 1978, S. 1.
- ↑ Eugen Wiedemann, Walter Kellenberger: Konstruktion elektrischer Maschinen. Allgemeine Angaben und Unterlagen für die Konstruktion. Mechanischer Gesamtaufbau, Bauelemente, Springer Verlag, Berlin 1967, S. 244–248.
- ↑ Wellenstrommotor. In: Gerhard Adler et al. (Hrsg.): Lexikon Eisenbahn. 6., bearbeitete und ergänzte Auflage. transpress, Berlin 1981, S. 900.
- ↑ a b Andreas Steimel: Elektrische Triebfahrzeuge und ihre Energieversorgung. Grundlagen der Praxis. 4. Auflage, ITM InnoTech Medien, München 2019, ISBN 978-3-96143-070-3, S. 92–99.
Anmerkungen
- ↑ Bei tiefen Frequenzen des Bahnstromsystems kann der Motor direkt über einen Stelltransformator oder eine Phasenanschnittsteuerung angesteuert werden. Diese Variante wurde bei den in D-A-CH-Ländern, sowie Norwegen und Schweden gebräuchlichen 16,7 Hz-Systemen und den in Nordamerika üblichen 25 Hz-Systemen verwendet, sie kann aber auch im 50 Hz-System verwendet werden. Bei der Verwendung als Direktmotor muss der Motor immer mit einer Kompensationswicklung ausgerüstet sein, zusätzlich muss parallel zur Wendepolwicklung ein ohmscher Widerstand, auch Wendepolshunt genannt, verwendet werden. Bei höherer Netzfrequenzen, wie zum Beispiel beim 50 Hz-Betrieb, müssen die Elemente abhängig von der Drehzahl des Motors angepasst werden, wenn nicht sehr hohe Leistungsreduktionen in Kauf genommen werden sollen. (Quelle: Jean-Marc Allenbach, Roger Kaller: Eisenbahntechnik.)