Neologismus

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Ein Neologismus (von altgriechisch νέο- néo-, „neu“ und

λόγος

, „Wort“ oder „Rede“) ist eine innerhalb einer Sprachgemeinschaft in den allgemeinen Gebrauch übergegangene sprachliche Neuprägung, das heißt:

  • ein neu geschaffener sprachlicher Ausdruck, also ein Wort (Neuwort) oder eine Wendung[1] (genauer: eine lexikalische Einheit[2][3] siehe Lexem) oder
  • eine neue Bedeutung[2], mit der ein bereits vorhandenes Wort bzw. ein ebensolcher Ausdruck versehen wird (Neubedeutung), oder auch das Wort bzw. der Ausdruck selbst, dem die Neubedeutung zukommt.

Wenn es in der Sprachgemeinschaft Verbreitung findet, nehmen es die Wörterbücher auf, die den Wortschatz dieser Sprache kodifizieren. Charakteristisch für Neologismen ist, dass die Sprecher sie für eine gewisse Zeit als neu empfinden. Welche Wörter (noch) Neologismen sind, hängt also auch davon ab, zu welchem Zeitpunkt man den Wortschatz einer Sprache betrachtet oder untersucht. Neben den in allgemeinsprachlichen Standardwörterbüchern erfassten Neologismen gibt es für viele Sprachen auch Spezialwörterbücher, die ausschließlich diesen Teil des Wortschatzes behandeln.

Dem Ausdruck Neologismus liegen die altgriechischen Wörter

νέος
neos

„neu“ und

λόγος
logos

„Wort“ zugrunde;[4][Anm. 1] auf Deutsch könnte man den Begriff daher auch Neuwort oder neues Wort nennen.

Zur Problematik des Begriffs

Neologismen entstehen zumeist über Wortbildung, aber auch über Entlehnung, Bedeutungsveränderung oder, selten, Urschöpfung/Kunstwortbildung.[5] Die Verwendung des Begriffs Neologismus ist in der Linguistik nicht ganz einheitlich.

Hadumod Bußmann definiert ihn als „neu eingeführten oder neuartig gebrauchten sprachlichen Ausdruck“. Solche Wörter kommen durch Wortbildung, Entlehnung oder Bedeutungsübertragung zustande. Lediglich für die Neurolinguistik wird ein Verständnis des Begriffs im Sinne von Neuschöpfung oder Urschöpfung eingeräumt.[6]

Helmut Glück setzt Neologismus zwar mit Neuschöpfung gleich und verweist von dem Stichwort „Wortneuschöpfung“ auf Neologismus; die angegebenen Beispiele sind aber ausschließlich Fälle von Wortbildung, Entlehnung oder Bedeutungsübertragung.[4] Die linguistische Tradition unterscheidet jedoch spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts zwischen „Wortschöpfung/Urschöpfung“ einerseits und „Wortbildung“ andererseits.[7]

Abgrenzung

Sprecher lebender Sprachen produzieren oder erfinden täglich neue Wörter, mit denen sie spontan entstehende Benennungslücken schließen oder stilistische oder emotionale Aspekte ausdrücken. Viele davon werden einmal oder selten verwendet. Ihr Zweck ist meist mit der einen Benennungssituation erfüllt. Diese Gelegenheitsbildungen (Okkasionalismen) werden nicht lexikographisch erfasst, bilden aber das Anfangsstadium jedes neuen Wortes. Gerade dieses Anfangsstadium ist für die Mechanismen der Wortschatzerweiterung äußerst aussagekräftig, da unterschiedliche Varietäten unterschiedlich kreativ sind und unterschiedliche Bedingungen für eine mögliche Etablierung bereitstellen. Denn einen Okkasionalismus für ein fehlendes Wort zu formen, ist nur eine von vielen möglichen Erklärungen. Oft spielen spielerische, sprachökonomische, klangsymbolische Faktoren, die etwa zu Kunstwörtern (Urschöpfungen) führen, vgl. Kodak, mit hinein. Neologismen müssen bestimmte kommunikative Aufgaben erfüllen. Die Mechanismen, nach denen manche länger leben und schließlich ihren Weg ins Wörterbuch finden, sind noch nicht bekannt. Die Kriterien der Aufnahme bilden einen zusätzlichen Filter, denn Namen und viele Komposita sind grundsätzlich keine Kandidaten für ein Wörterbuch. Außerdem existieren viele Neologismen bereits länger, ohne dass sie zu einem Wörterbucheintrag werden, vgl. Knödelstimme, Knopfaugen.[8] Eine Aufnahme im Wörterbuch kann nur bedingt als Hinweis auf den Neuheitswert eines Wortes gesehen werden.

Wörter, die aus einer anderen Sprache entlehnt sind (beispielsweise downloaden aus dem Englischen) und in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen, zählen so lange zu den Neologismen, wie sie sich noch nicht im Lexikon etabliert haben.

Die Lexik einer lebenden Sprache ist ein komplexes Gebilde aus allgemeinsprachlichen, fachsprachlichen und gruppensprachlichen Wörtern. Allgemeinsprachliche Wörterbücher erfassen nur den Kernbereich der Lexik, den die Alltagssprache verwendet. Gelegentlich kommt es vor, dass bereits lange verwendete Wörter einer Fachsprache in die Alltagssprache vordringen. Das gilt zum Beispiel für die Fachsprachen technischer Schlüsselbereiche wie Informationstechnik und Telekommunikation. Auch diese Wörter werden nicht als Neologismen betrachtet, da sie in der jeweiligen Fachsprache schon länger im Gebrauch sind. Ein besonders produktiver Bereich ist die Gruppensprache der Jugendlichen. Viele der dort gebildeten Neuwörter sind allerdings kurzlebig.

In der Praxis der Lexikographie ist die Abgrenzung zwischen Neologismen einerseits und Okkasionalismen, wiederbelebten Archaismen und Fachwörtern andererseits recht schwierig. Besonders Textkorpora, die den aktuellen Sprachgebrauch dokumentieren, leisten bei der Erfassung und Beschreibung von Neologismen nützliche Dienste. In der Lexikologie wird auf die Abgrenzung verzichtet, da sie objektiv nicht möglich ist und da gerade seltene neue Wörter für soziolinguistische und kognitionslinguistische Fragestellungen wichtig sind und in der Praxis, etwa bei Übersetzungen und im DaF-Unterricht, durchaus eine Rolle spielen.[8][5]

Die Psychiatrie misst Neologismen (vgl. Paraphasie) beim Erheben des psychopathologischen Befunds im Zusammenhang mit Erkrankungen wie der Schizophrenie spezifischere Bedeutung zu als dem linguistischen Verständnis.

Typen von Neologismen

Folgende Arten von Neologismen lassen sich unterscheiden:

Neue sprachlichen Ausdrücke und Neuwörter

Ausdruck und Bedeutung sind neu. Ein Beispiel für ein Neuwort ist das Verb simsen aus SMS für das Versenden von Kurznachrichten.

Neubedeutungen

Ein alter Ausdruck erhält eine neue (weitere) Bedeutung. So steht als ein etwas älteres Beispiel Maus auch für die Computermaus, ein „technisches Gerät, Teil der Computerperipherie“.

Ein Ausdruck erhält eine neue Bedeutung mit einem abwertenden oder aufwertenden Sinnbezug. Zum Beispiel erhält ein Ausdruck mit einem ursprünglich positiven Sinnbezug eine pejorative Bedeutung und findet als Schlagwort Verwendung. Es kann sich dabei z. B. um einen politischen und/oder ideologischen Kampfbegriff gegen unterschiedliche sprachliche Konventionen und Verhaltensweisen handeln. Beispiele dafür sind Gutmensch oder Politische Korrektheit.

Neue Wortkombinationen

Hier ist das Zusammenziehen von gebräuchlichen Wörtern (Internetcafé, Laptop-Tasche, auch als Retronym: Analoguhr) von metaphorischen Neubildungen zu unterscheiden. Bei letzteren entscheidet für die Verwendung nicht die tatsächliche Bedeutung, sondern eine charakteristische Eigenschaft. Beispiele dafür sind Modezar, Literaturpapst, Börsenzwerg, Wirtschaftsauguren oder Erzeinwohner, aber auch Geizhals.

Neologismen und Sprachnorm

Wenn ein neues Wort in Gebrauch kommt, haben Sprecher oft Normunsicherheiten.

  • Die Aussprache wird erst im täglichen Gebrauch gesichert. Besonders bei Lehnwörtern tritt oft, aber nicht immer, ein Anpassungsprozess ein, bei dem die Aussprache dem Phonemsystem der entlehnenden Sprache angepasst wird. Ein Beispiel ist Download, das sich von /…loʊd/ nach /…loːt/ entwickelt.
  • Die Flexion kann angepasst oder originär sein. Heißt es des Piercing oder des Piercings? Heißt es im Plural die PC oder die PCs?
  • Es kann Mehrdeutigkeit auftreten; so wird „der Download“ sowohl für den Ladevorgang als auch für herunterzuladende oder bereits heruntergeladene Dateien verwendet.
  • Das Genus ist oft nicht eindeutig. Heißt es der Blog oder das Blog?
  • Die Rechtschreibung ist ungeklärt. Schreibt man Spinoff, Spin-off oder Spin-Off?

Oft muss sich eine Norm erst etablieren. Dies gilt zum Beispiel für das Genus von Lehnwörtern aus dem Englischen, wo das Genussystem nur schwach ausgeprägt ist. Sprecher, die ein Neuwort verwenden, signalisieren manchmal, dass sie das entsprechende Wort noch nicht als Teil der Sprachnorm akzeptieren. Häufig dafür verwendete Mittel sind Anführungszeichen oder abgrenzende Ausdrücke: „Der ‚Break-even‘ sei noch nicht erreicht“, „der sogenannte Break-even“ oder „wie man heutzutage sagt, der Break-even“.

Über den Wert von Neologismen

Nicht immer besteht die Hauptfunktion eines Neologismus darin, einen neuen Sachverhalt zu bezeichnen. Mit der Verwendung von Neologismen möchte man oft etwas verdeutlichen: Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, Modernität oder einfach nur Aufmerksamkeit erregen (Beispiel: „Entschleunigung“ statt „Verlangsamung“). Diese pragmatischen Funktionen sind die Ursache dafür, dass vor allem die Sprache der Werbung Neuwörter verwendet. Die Signalfunktion neuer Wörter wird soweit ausgereizt, dass man gegen grammatische Regeln verstößt (unkaputtbar, hier werden Sie geholfen).

Rudolf Merta unterschied 1966 zwischen „wirklichen Neologismen“ und den „Mode- und Schlagwörtern“, die der Sprache Gewalt antäten und allmählich ihre Ausdruckskraft verlören.[9]

Der Linguist Wilhelm Bondzio stellte die These auf, dass Neologismen am zweckmäßigsten seien, wenn sie durch ihren Wortstamm Merkhilfen böten.[9]

Neologismen haben auch kulturellen Wert. Durch Wortneuschöpfungen können Denkanstöße und Neuassoziationen gefördert werden. Die zeitgenössische Kunstrichtung expressiver Neologismus (kurz auch als neolog bezeichnet) befasst sich auf kritische Art mit der Sprache als Massenmedium und Beeinflussungsinstrument.

Neologismen werden auch als ersetzende Bezeichnungen verwendet, wenn dem Bezeichneten eine andere Wertung oder ein anderes Ansehen gegeben werden soll. Beispiel für eine solche Sprachpolitik ist die Deutsche Bahn AG: Aus Schaffner wird Zugbegleiter, der Schalter wird zum

Servicepoint

und neuerdings zum

Counter

.

Zugleich entzündet sich an Neologismen als Symptom oft ein sprachkritischer Diskurs. Konservative Sprachkritiker machen an Neologismen, und vor allem an Lehnwörtern, einen von ihnen behaupteten Verfall der Sprache fest. Andererseits wird mit den Neologismen ebenfalls die Wandlungsfähigkeit einer Sprache und ihre Fähigkeit belegt, die den sich ständig wandelnden Benennungsanforderungen gerecht wird.

Neologismen sind auch ein häufiges Instrument von Propaganda. Beispielhaft dafür die 1942 erstmals verwendete Bezeichnung gesetzloser Kämpfer (

unlawful combatant

) zur Einführung einer Klassifizierung von Kriegsgefangenen, die das Völkerrecht umgeht. Weitere Beispiele sind das internationale Finanzjudentum, Islamo-Faschismus, sozialbehinderte Jungmigranten.

Herkunft von Neuwörtern

Eine Quelle von Neologismen ist die Entlehnung aus anderen Sprachen (Buzzer, Cache, Edutainment). Auch können vorhandene Lexeme in veränderter Bedeutung genutzt werden (Opfer (Beleidigung), Ampel (Kennzeichen auf Verpackungen für mehr oder weniger gesunde Lebensmittel)). Viele Neologismen entstehen über Wortbildung, wobei alle produktiven Verfahren genutzt werden (Coronakrise, aufpoppen, ADHS, containern, riestern). Selten werden neue Wörter ohne morphologische Struktur geschaffen (Zalando).

Ein Sprachsystem stellt eine ganze Reihe von Mitteln für die Neuwortbildung bereit:

Komposition

Die Zusammensetzung neuer Wörter aus existierenden ist im Deutschen der produktivste Wortbildungsprozess und entsprechend eine ergiebige Quelle für Neologismen (Dosenpfand, Genmais).

Derivation

Die Ableitung mittels Affixen (insbesondere Präfixe oder Suffixe) ist ebenfalls eine ergiebige Quelle. Dabei können Affixe selber Neuprägungen sein (beispielsweise Cyber-) und eine größere Gruppe von Neuwörtern prägen (Cyberpunk, Cyberkriminalität; ergoogeln).

Kurzwörter

sind ein wichtiges Mittel sprachlicher Ökonomie. Sie entstehen aus Teilen von Wörtern oder Wortgruppenlexemen. Solange sich ihr Gebrauch noch nicht verfestigt hat, sind es Neologismen (ALG/Arbeitslosengeld, ADS/Aufmerksamkeits­defizit­störung).

Kontamination

Portmanteauwörter werden durch Zusammenziehungen aus dem ersten Teil eines Wortes und dem zweiten Teil eines zweiten Wortes gebildet, Beispiel: education + entertainmentEdutainment. Solche Zusammenziehungen sind im Deutschen selten, sie werden meist aus anderen Sprachen entlehnt.

Konversion

Die Verwendung eines Wortes als neue Wortart ist eine weitere Methode, neue Wörter zu schaffen (riestern zu Riester).

Verballhornung

Bei Verballhornungen bilden sich neue Worte durch bewusste Verzerrung. Beispiel: „Nervenkostüm“ statt „Nervensystem“, „nichtsdestotrotz“ statt „nichtsdestoweniger“ oder „trotzdem“.

Mechanismen

Ein typischer Fall für ein neu entstehendes Wort ist, dass ein Wort durch ein anderes ersetzt wird. Oft geschieht dies aus Gründen des Marketing oder der politischen Korrektheit – insbesondere als Euphemismus, also um ein negativ belegtes Wort (Pejorativ) zu verdrängen.

Manche Wörter unterliegen zudem einer „sprachlichen Inflation“ (Abnutzung, vergleiche dazu Euphemismus-Tretmühle), und Neuschöpfungen oder die Verwendung außergewöhnlicher Bezeichnungen dienen dazu, den Sensationswert zu steigern und Aufmerksamkeit zu erregen. Beispiele aus der Werbung: Technologie, wo eigentlich Technik oder Methode/Verfahren gemeint ist, Zahncreme anstelle der gewöhnlichen Zahnpasta oder exklusive Schreibweise Cigaretten.

Ursache ist häufig, dass neue Trends und Entwicklungen – heute meist aus dem englischsprachigen Raum – zu uns gelangen (Kulturdominanz) und die Szene oder das Fachpublikum die zugehörigen Begriffe (Xenismen) unreflektiert auch im deutschen Kontext verwendet oder eine weniger gelungene Übertragung vornimmt. Das geschieht sogar, wenn es einen synonymen Begriff bereits gibt, eventuell gerade in der Absicht, den Benutzer neudeutscher Wörter als Insider durch Nutzung der Szenesprache (Jargon) auszuweisen.

Das Wort Neudeutsch selbst kann als Beispiel dafür dienen: Es ist eine Neuschöpfung in Analogie zu Neusprech (englisch: Newspeak) aus dem Roman 1984 von George Orwell. Die Verwendung des Wortes impliziert zumindest eine kritische Distanz des Verwenders gegenüber Neologismen und das Bewusstsein um die „Macht der Sprache“, soll ihn also als einer gebildeten und aufmerksamen, wertebewussten Schicht zugehörig auszeichnen.

Im Unterschied dazu stehen Fremdwörter, die sich durchsetzen, weil kein angemessener deutscher Begriff verfügbar ist. Sie dienen oft zunächst der präzisen Ausdrucksweise in Fachkreisen, verbreiten sich dann teilweise in das gehobene Allgemeinwissen, bis einige schließlich im alltäglichen Sprachgebrauch ankommen und nicht mehr als fremd empfunden werden.

Nicht nur Fremdes, auch regionale Unterschiede können über den Jargon der Massenmedien in das Standarddeutsch eingehen. Ein Beispiel sind autochthone Varianten, die sich in den Jahren der Teilung Deutschlands in der Mitte des 20. Jahrhunderts unterschiedlich entwickelt haben, wie Goldbroiler und Brathähnchen.

Beispiele

  • Blog, Vlog, abgeleitet von web-log bzw. video-log (engl. für Internet-/Video-Tagebuch) – häufig aktualisierte Webseite.
  • Folksonomy, kollaborative Praxis und (Selbst-)Organisationsform von Menschen (etwa in der Arbeit von Wikipedia).
  • Gendersternchen, bezeichnet eine Methode der geschlechtergerechten Sprache in der schriftlichen Form des Deutschen.
  • Islamophobie, Feindseligkeit gegen und kategorische Abwertung und Benachteiligung von Muslimen.
  • Listicle, ein journalistischer Text in Aufzählungsform.
  • Mansplaining ist ein substantivisches Portmanteauwort aus man (englisch: Mann) und -splaining (von explaining= ‚erklären‘), das 2015 Eingang in die deutsche Sprache gefunden hat.
  • Menschenmaterial, Koppelung von Lebendig-Menschlichem und toter Sache.
  • Podcast, zusammengesetzt aus ApplesiPod“ und broadcast (engl. ‚Sendung‘): Eine Sendung, die man nachträglich anhören kann, indem man diese aus dem Internet herunterlädt.
  • sitt, als Anlehnung an satt: nicht mehr durstig, im Rahmen eines Wettbewerbs zur Suche eines entsprechenden Wortes erfunden.

Neologismen bei gesellschaftlichen und politischen Veränderungen

Gesellschaftliche Veränderungen, die eine politische Legitimation benötigen, führten oft zur Neuschöpfung von Wörtern. Beispielhaft dafür sind Neologismen aus der Zeit des Kolonialismus, der Entwicklung von Rassetheorien und einer sogenannten „Afrikaterminologie“.[10] Hier war Sprache ein wichtiges Medium zur Herstellung und Vermittlung des Legitimationsmythos, Afrika sei das homogene und unterlegene »Andere« und bedürfe daher der »Zivilisierung« durch Europa. Dieser Ansatz schlug sich in einer kolonialen – die afrikanischen Eigenbezeichnungen ignorierenden und vermeidenden – Benennungspraxis nieder, für gegenwärtige europäische Gesellschaften gültige Begriffe auf den afrikanischen Kontext zu übertragen.[11]

Siehe auch

Literatur

Wörterbücher
  • John Algeo: Fifty years among the new words: a dictionary of neologisms, 1941–1991. CUP, Cambridge 1991, ISBN 0-521-41377-X.
  • Alfred Heberth: Neue Wörter. Neologismen in der deutschen Sprache seit 1945. Verlag der Wissenschaften, Wien 1977.
  • Dieter Herberg, Michael Kinne, Doris Steffens: Neuer Wortschatz. Neologismen der 90er Jahre im Deutschen. Walter de Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-017751-X.
  • Susan Arndt, Antje Hornscheidt (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast Verlag, Münster 2005, ISBN 3-89771-424-8.
  • Uwe Quasthoff (Hrsg.): Deutsches Neologismenwörterbuch. Neue Wörter und Wortbedeutungen in der Gegenwartssprache. De Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3-11-018868-4.
  • Doris Steffens, Doris al-Wadi: Neuer Wortschatz. Neologismen im Deutschen 2001–2010. 2 Bände. Institut für Deutsche Sprache, Mannheim 2013, ISBN 978-3-937241-43-2.
  • Doris Steffens, Olga Nikitina: Deutsch-russisches Neologismenwörterbuch. Neuer Wortschatz im Deutschen 1991–2010. 2 Bände. Institut für Deutsche Sprache, Mannheim 2014, ISBN 978-3-937241-47-0.
Darstellungen
  • Robert Barnhart, Clarence Barnhart: The Dictionary of Neologisms. In: Franz J. Hausmann (Hrsg.): Wörterbücher, Dictionaries, Dictionnaires. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. De Gruyter, Berlin
    • Teilband 2, 1990, ISBN 3-11-012420-3, S. 1159–1166
  • Sandra Innerwinkler: Neologismen. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-8253-7511-9.
  • 1975 bis 1983: Neue Wörter und ihre Bedeutungen. In: Meyers Großes Jahreslexikon (jeweils unter dem Stichwort „Wort“).
  • Wolfgang Müller: Neue Wörter und neue Wortbedeutungen in der deutschen Gegenwartssprache. In: Universitas 8/1976, S. 867–873.
  • 1994 bis 2005: Neue Wörter. In: Brockhaus Enzyklopädie Jahrbuch (jeweils unter dem Stichwort „Wort“).
  • Wolfgang Müller: „Schlammschlacht“. Schon gehört? Ein Desiderat: Das deutsche Neologismenwörterbuch. In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 60/1987, S. 82–90.
  • Doris Steffens: Von „Aquajogging“ bis „Zickenalarm“. Neuer Wortschatz im Deutschen seit den 90er Jahren im Spiegel des ersten größeren Neologismenwörterbuches. In: Der Sprachdienst 51, H. 4, 2007, S. 146–159.
  • Wolfgang Teubert (Hrsg.): Neologie und Korpus. Narr, Tübingen 1990, ISBN 3-8233-5141-9 (Studien zur deutschen Sprache 11).
  • Oliver Siebold: Wort – Genre – Text. Wortneubildungen in der Science Fiction. Narr, Tübingen 2000, ISBN 3-8233-5850-2.
  • Corinna Peschel: Zum Zusammenhang von Wortneubildung und Textkonstitution. Niemeyer, Tübingen 2002, ISBN 3-484-31237-8.
  • Hilke Elsen: Phantastische Namen. Die Namen in Science Fiction und Fantasy zwischen Arbitrarität und Wortbildung. Narr, Tübingen 2008, ISBN 978-3-8233-6396-5.
  • Linda Holz: Untersuchungen zu Neologismen in der Tagespresse. Grundlagen, Erscheinungsformen und Funktionen. Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-639-12220-6.
  • Hilke Elsen: Neologismen. Formen und Funktionen neuer Wörter in verschiedenen Varietäten des Deutschen. 2., überarbeitete Auflage. Narr, Tübingen 2011, ISBN 978-3-8233-6646-1.
  • Sabine Heyne, Bastian A. Vollmer: Innovation und Persuasion in der Presse. Eine komparative Korpusanalyse zur Form und Funktion von Neologismen. Springer, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-658-10851-9.

Weblinks

Wiktionary: Neologismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b
  2. Lothar Lemnitzer: Brauchen wir neue Wörter? Hrsg.: Eberhard Karls Universität Tübingen – Seminar für Sprachwissenschaft. 11. November 2004, S. 7 (wortwarte.de [PDF; 632 kB; abgerufen am 27. März 2021]).
  3. a b Helmut Glück (Hrsg.), unter Mitarbeit von Friederike Schmöe: Metzler Lexikon Sprache. 3., neu bearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2005, ISBN 3-476-02056-8 (Stichwort Neologismus).
  4. a b
  5. Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002, ISBN 3-520-45203-0.
  6. Wolfgang Fleischer, Irmhild Barz: Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Unter Mitarbeit von Marianne Schröder. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Niemeyer, Tübingen 1995, ISBN 3-484-10682-4, S. 264.
  7. a b
  8. a b Rudolf Merta: Ostdeutsch und Westdeutsch? In: Sborník prací Filozofické fakulty brněnské univerzity. Band 15, A14, 1966, S. 163–167 (Masaryk-Universität).
  9. Susan Arndt: Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie. Dossier des Webauftritts der Bundeszentrale für politische Bildung, 2004.
  10. Susan Arndt, Antje Hornscheidt (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast Verlag, 2004, S. 18.

Anmerkungen

  1. Weil das Wort Neologismos im Altgriechischen (mit der dort zu erwartenden Endung -os statt latinisiert -us) nicht existiert, handelt es sich um ein Neuwort, d. h. um einen Neologismus.