Benutzer:123/Visio Wettini

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Die Visio Wettini (Vision des Wettinus) ist die schriftliche Darstellung einer Vision, die der Mönch Wettinus von Reichenau im Jahr 824, kurz vor seinem Tod gehabt haben soll, und in der er Hölle, Fegefeuer und Himmel besucht. Die Vision wurde zunächst vom vormaligen Abt von Reichenau und Bischof von Basel Heito in einer lateinischen Prosafassung festgehalten, und wenig später (825/826) von Walahfrid Strabo in lateinischen Hexametern dichterisch umgesetzt und erweitert, die erste poetische Fassung einer christlichen Jenseitsvision.[1][2] Die Vision verarbeitet Elemente aus den Dialogen Gregors des Großen und der Apokalypse.[3]

Die Vision des Wettinus wurde viel gelesen und machte auf die Zeitgenossen einen gewaltigen Eindruck. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass in ihr das Schicksal von großen Persönlichkeiten, wie z.B. Karls des Großen geschildert wurde.[3] Die Namen der jeweiligen Persönlichkeiten werden nicht direkt genannt, in der Versfassung aber durch die ersten Buchstaben der entsprechenden Verse in der Form eines Akrostichons angegeben.[1]

Die Visio Wettini zeigt ein besonderes Interesse an Sünden von Klerikern und Sünden sexueller Natur.[4] Mindestens fünfmal mahnt der Engel vor den Sünden der Sodomie, zu denen jedenfalls der Geschlechtsverkehr unter Männern gehört, und die in der Versfassung Strabos als „Mutter der Frevel“ (mater scelerum) bezeichnet wird.

Inhalt

Der Eingang der Vision ist hochdramatisch. Der Teufel erscheint dem Visionär in Gestalt eines Klerikers. Die Folterwerkzeuge schon in der Hand haltend, nähert er sich dem von einer unzähligen Menge Dämonen umgebenen Wettinus, und sagt zu ihm: „Morgen wirst Du gepeinigt werden und musst alle Deine Schuld bezahlen.“ Doch ein Engel in rötlich-strahlendem Gewand kommt dem Mönch zu Hilfe und sagt zu ihm: „Ich bin gekommen, Dich, geliebte Seele, in dieser Bedrängnis zu besuchen.“

Nach dieser ersten, kurzen Vision erwacht Wettinus und fordert die ihn umgebenden Brüder auf, für das Heil seiner Seele Psalmen zu singen und ihm aus den Dialogen Gregors der Großen vorzulesen. (In diesen Dialogen berichtet Gregor von drei Jenseitsvisionen.[5]) Darauf schläft er wieder ein, und der Engel erscheint ihm zum zweiten Male.

Er lobt ihn, dass er sich durch die Lektüre der Dialoge Gregors gestärkt habe und führt ihn auf einen lieblichen Weg. Während sie auf diesem vorwärtsschreiten, erblicken sie marmorne bis zum Himmel ragende Berge. Diese umgibt ein feuriger Strom (die Hölle), in welchem Wettinus viele Seelen für die Verbrechen ihres zeitlichen Lebens büßen sieht. Hier bemerkt er, wie Priester, die sich der Unzucht schuldig gemacht haben, an einen Pfahl gebunden und gegeisselt werden. Die Frau, mit der sie Ehebruch getrieben haben, erleidet dieselbe Strafe.

Nachdem Wettinus die Hölle gesehen hat, betritt er das Fegefeuer. In einem großen mit Rauch erfüllten Turm büßt dort eine Schar Mönche für ihre Habsucht. Einer muss in einer bleiernen Kiste eingeschlossen den Tag des Gerichts erwarten. Der Visionär erblickt ferner einen hohen Berg. Auf diesem, so erzählt ihm sein Führer, ist ein Abt, der vor zehn Jahren gestorben ist, dem Sturm und Regen preisgegeben, damit er, durch diese gereinigt, in die Hallen des Paradieses eingehen könne. Aus den Anfangsbuchstaben der entsprechenden Verse in der Fassung Strabos geht hervor, dass es sich dabei um Waldo der Heito vorangehende Abt von Reichenau handelt. Im Fegefeuer befindet sich auch ein Bischof Adalhelm, der von Visionen nichts wissen wollte, zur Strafe für seinen Unglauben. Voll Verwunderung bemerkt Wettinus, wie hier auch Karl der Große für die Ausschweifungen seines Lebens büssen muss. In siedendem Wasser werden die beiden Grafen Udalrich und Ruadrich gepeinigt. Ungeheure Reichtümer sind hier aufgespeichert, welche die Grafen durch Unterdrückung der Armen an sich gerissen haben.

Wettinus und sein Führer kommen an eine Mauer von unendlicher Schönheit mit schimmernden Bogen, welche die Wohnsitze der Seligen umschließt. Hier erklärt der Engel dem Visionär, dass er morgen sterben müsse. Daher wollten sie die Fürbitte der Heiligen für seine Seele anrufen. Jeder der Heiligen ist mit einer strahlenden Krone geschmückt. Sie erheben sich, begeben sich zum Throne Christi, und bitten ihn fußfällig, dem Wettinus seine Sünden zu vergeben. Als die Fürbitte demselben nichts hilft, treten die Märtyrer für ihn ein. Doch auch ihre Bitte bleibt fruchtlos. Nun sprechen die heiligen Jungfrauen für ihn. Aber auch ihr Flehen wird zurückgewiesen. Endlich legt sich die heilige Jungfrau Maria selbst ins Mittel und diese Fürsprache allein rettet die Seele des Visionärs.

Zuletzt wird noch Gerold, der Bruder der Königin Hildegard, als Wohltäter des Klosters gerühmt. Er erscheint unter den Märtyrern, weil er gegen die heidnischen Awaren gefallen war. Wie der Engel ihm vorhergesagt hatte starb Wettinus am folgenden Tag.

Quellen

  1. a b Kindlers Literatur Lexikon, Bd. 11 (1973), Visio Wettini, S. 9993
  2. LThK3 Bd. 10 (2001), Walahfried Strabo, Sp. 946
  3. a b Fritzsche, Carl, Die Lateinischen Visionen des Mittelalters bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, Romanische Forschungen 3 (1887):337–69
  4. Eileen Gardiner: Judeo-Christian Hell Texts. Hell-On-Line. 2017. Abgerufen im March 8, 2017.
  5. Fritzsche, Carl, Die Lateinischen Visionen des Mittelalters bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, Romanische Forschungen 2 (1886):247–79

Weblinks

[1]Walahfrid Strabos Visio Wettini, Textfassung Daniel A. Traill

[2]Walahfrid Strabos Visio Wettini, Textfassung J.-P. Migne, Paris, 1852 (PL 114, 1063-1084), inkl. wissenschaftlicher Apparat, digitalisiertes Manuskript etc.

[3]Heitos Visio Wettini, Textfassung E. Dümmler, 1884 (MG Poet. II p. 267-275), inkl. wissenschaftlicher Apparat, digitalisiertes Manuskript etc.