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Oljean Ingster


Oljean Ingster ist Überlebender der Shoa, führendes Mitglied der jüdischen Gemeinde in Deutschland und seit 1966 Chasan (Kantor) der Synagoge Rykestraße in Berlin.

Ingster wurde 1927 bei Krakow im damals oberschlesischen Proszowice geboren. Sein Vater betrieb eine Samenfabrikation, seine Mutter war Generalvertreterin für ein chemisches Unternehmen. Im Alter von 13 Jahren wurde er mit der gesamten Familie in ein Konzentrationslager verschleppt; die Eltern, die zwei Jahre jüngere Schwester und alle anderen Verwandten kamen um. Ingster überlebte acht verschiedene KZs und fand sich in Schwerin wieder, wo der Todesmarsch aus dem KZ Sachsenhausen am 2. Mai 1945 endete. Er entschloss sich zum Verbleib in Deutschland. Die erste Zeit arbeitete er als Zahnarztgehilfe und machte nebenbei die mittlere Reife nach. Anschließend absolviert er eine technische Ausbildung und machte an der Abendschule sein Abitur.

Er blieb 15 Jahre in Schwerin. Nach entsprechender Ausbildung übernahm er für fünf Jahre das Kantorenamt der jüdischen Gemeinde. Anfang der 60er Jahre wurde er Abteilungsleiter beim VEB Funk in Berlin-Koepenick und schloss sich der jüdischen Gemeinde in der Rykestraße in Berlin an. Nach dem Tode des Rabbiners Dr. Martin Riesenburger übernahm er 1966 - zunächst nebenberuflich - die Aufgaben des Kantors. Es gab in der DDR jetzt keinen Rabbiner mehr (Dr. Öden Singer aus Budapest war bis 1969 zeitweise anwesend). Auch die Verbindung zum Rabbinat in Westberlin war nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 stark eingeschränkt. Ingster stellte sich den organisatorischen und seelsorgerischen Aufgaben, die ihm dadurch zuwuchsen mit großem Erfolg. Er hielt die Gemeinde im Osten Berlins unter schwierigsten Umständen zusammen.

Als Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde in Ost-Berlin (1971-1990) und der deutsch-israealischen Gesellschaft (bis 2005) engagierte er sich für die Verständigung zwischen deutschen Juden, Deutschen anderen Glaubens und Israelis. Er beriet Produzenten, Regisseure und Schauspieler bei zahlreichen DEFA-Produktionen. Damit half er, ein realistischeres Bild entscheidender Ereignisse - insbesondere des Holocaust - zu zeichnen. In den letzten Jahren der DDR wurde er mit dem vaterländischen Verdienstorden geehrt, 1999 mit dem Bundesverdienstkreuz. Er ist der einzige Träger beider Orden. Ingster lebt mit seiner Frau Ingrid in Woltersdorf bei Berlin.


Quellen

Wochenschau der DDR: DER AUGENZEUGE NR. 52 / 22.12.1965 AMTSEINFÜHRUNG DES NEUEN RABBINERS DER JÜDISCHEN GEMEINDE ZU BERLINS UND IN DER DDR, ÖDEN SINGER

Berliner Zeitung 11.05.1999 Kantor Ingster erhält höchsten Bundesorden

Das Parlament Nr. 39, 20.09.2004. Igal Avidan: Ein Leben wie auf einem Holzfloß. Die größte Synagoge Deutschlands feiert ihr 100-jähriges Bestehen

Wolfgang Frindte: Inszenierter Antisemitismus. Eine Streitschrift. VS-Verlag. 1. Auflage, 2006, S. 92