Benutzer:Albrecht62/Große Gesellschaftliche Herausforderungen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Wissenschaftsrat, das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium[1] in Deutschland, ruft in einem Positionspapier[2] unter dem Titel Große gesellschaftliche Herausforderungen dazu auf, "Wissen zu ökologischen, technologischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Aspekten eines Transformationsprozesses zusammenzuführen bzw. flexibel neu zu kombinieren."

International verwendete Bezeichnungen für die Große gesellschaftliche Herausforderungen sind “societal challenges” oder “grand challenges”.[3]

Anliegen

  • Aktive Rolle der Wissenschaft in der Umsetzung: "Der Beitrag der Wissenschaft sollte über die Erarbeitung von Szenarien und deren Bewertung hinaus auch darin bestehen, ... für Erprobungsmöglichkeiten unsicherer Strategien zu werben."
  • Aktive Unterstützung der Zivilgesellschaft: "Die Wissenschaft ist dabei auch zuständig für die Begleitung von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen ...und ... die Bürgerinnen und Bürger darin zu unterstützen, über das Verständnis und die Bewertung Großer gesellschaftlicher Herausforderungen wie auch über verschiedene Strategien zu ihrer Bewältigung in einen Dialog zu treten."
  • Umfassende Veränderung: "Die Bewältigung Großer gesellschaftlicher Herausforderungen zielt auf umfassende gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die eine Bewusstseinsbildung sowie ggf. einen Wertewandel voraussetzen und sowohl technische als auch soziale Innovationen umfassen können."
  • Interaktion: "Im Kontext Großer gesellschaftlicher Herausforderungen kommt somit dem Dialog zwischen wissenschaftlichen und anderen gesellschaftlichen Akteuren eine besondere Bedeutung zu."
  • Lösungsorientierte Forschung und Neue Formate: "Erkenntnisorientierte und lösungsorientierte Forschung sind ... gleichermaßen relevant. ... In den letzten Jahren sind bereits vielfältige Formate für eine Beteiligung von Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft wie Bürgerdialoge, Citizen Science (Bürgerforschung, d. h. die Beteiligung von Akteuren außerhalb der Wissenschaft an aktiver Forschung[4]) und Reallabore entwickelt worden. Der Wissenschaftsrat sieht einen wichtigen Beitrag der Wissenschaft ... darin, ... Experimentierräume zu schaffen."

Bewertung

Wolfgang Marquardt (Ratsvorsitzender des Wissenschaftsrat): „Für die Wissenschaft kommt neben dem Erkenntnisfortschritt und die anwendungsorientierte Forschung die Gesellschaftsorientierung als drittes Leitbild hinzu. ... Mit dem Leitbild der großen Herausforderungen wird die Erwartung der Gesellschaft an die Wissenschaft verbunden, ihre Erkenntnis- und Innovationsprozesse an gesellschaftlichen Bedarfen zu orientieren.“[5]

Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie spricht von einem „ambitionierten Programm“ und einem „wichtigen Sprung nach vorne“.[6]

Beispiele für Große gesellschaftliche Herausforderungen

  • Gesundheit
  • Welternährung
  • Energieversorgung
  • Wasseressourcen
  • Altern
  • Ressourcenverknappung
  • Klimawandel
  • Friedenssicherung[3]

Gliederung der EU-Kommission:

  • Gesundheit, demografischer Wandel und Wohlergehen
  • Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit, nachhaltige Land- und Forstwirtschaft, marine, maritime und limnologische Forschung und Biowirtschaft
  • Sichere, saubere und effiziente Energie
  • Intelligenter, umweltfreundlicher und integrierter Verkehr
  • Klimaschutz, Umwelt, Ressourceneffizienz und Rohstoffe
  • Europa in einer sich verändernden Welt: integrative, innovative und reflektierende Gesellschaften
  • Sichere Gesellschaften – Schutz der Freiheit und Sicherheit Europas und seiner Bürger[7]

EU Kontext

Im europäischen Forschungsraum hat die EU-Kommission für ihr Förderprogramm Horizon 2020 etwa 40% der gesamten Fördersumme von insgesamt knapp 80 Milliarden Euro für die Beschäftigung mit “societal challenges” bereitgestellt (also rund 30 Mrd €).[3]

Horizont 2020 bildet einen gemeinsamen Rahmen für drei Herausforderungen:

  • Wissenschaftliche Exzellenz
  • Wettbewerbsfähigkeit und Marktführerschaft
  • Große, gesellschaftliche Herausforderungen[8]

Entstehung

Seit der Jahrtausendwende gibt es eine weltweite Diskussion, wie dem Klimawandel mit einer veränderten Forschungsförderung begegnet werden kann. Daraus entwickelte sich u. a. die Idee neuer Forschungsformate unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Die Richtung dieser Debatte wurde beeinflusst vom Gutachten Welt im Wandel – Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation des Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) und von der Buchveröffentlichung „Transformative Wissenschaft: Klimawandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem“ von Uwe Schneidewind und Mandy Singer-Brodowski,[9] in dem wesentliche Veränderungen im Wissenschaftssystem und in der Forschungspraxis gefordert werden. Als wegweisend für die aktuelle Diskussion über Große gesellschaftliche Herausforderungen gelten auch die von der Bill & Melinda Gates Foundation 2003 vorgestellten Grand Challenges In Global Health. Seit 2012 ist die Bewältigung der Großen gesellschaftlichen Herausforderungen das Ziel der Forschungsförderung[2] in Europa[10][11] und den USA.[12]

Weblinks

Zivilgesellschaftliche Plattform „Forschungswende“: „Unmissverständlich stellt sich der Wissenschaftsrat in dem aktuellen Positionspapier hinter eine gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft.“[13]

Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, Wien: "Das BMWFW arbeitet ... an einer Initiative mit dem Ziel der Etablierung strategischer nationaler Vernetzungsplattformen im Kontext der Großen gesellschaftlichen Herausforderungen."[14]

Einzelnachweise

  1. Wikipedia-Artikel Wissenschaftsrat, abgerufen am 01.02.2016
  2. a b Wissenschaftsrat, Zum wissenschaftspolitischen Diskurs über Große gesellschaftliche Herausforderungen, April 2015
  3. a b c Prof. Dr. Joachim Funke, Psychologisches Institut Heidelberg, Große gesellschaftliche Herausforderungen 15.05.2015
  4. Bürger schaffen Wissen, Ministerin Wanka vom BMBF ruft Bürger zur Mitarbeit an der Forschung auf - „Wissenschaft rückt in die Mitte der Gesellschaft“, 22.04.2014
  5. Manfred Ronzheimer in der TAZ, Abstimmung vertagt, 5. 2. 2015
  6. Kommentierung von Prof. Uwe Schneidewind vom 29.04.2015
  7. Programmstruktur von Horizont 2020, Teil III: Gesellschaftliche Herausforderungen
  8. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Horizon 2020
  9. Amazon, Buch-Beschreibung Transformative Wissenschaft: Klimawandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem 21. Februar 2014
  10. Wohlstand durch Forschung, Bundesministerium für Bildung und Forschung: „Die Hightech-Strategie formuliert konkrete forschungspolitische Leitbilder und Missionen für diese Großen gesellschaftlichen Herausforderungen“, April 2013
  11. Council Decision of 3 December 2013 establishing the specific programme implementing Horizon 2020, 20.12.2013
  12. 21st Century Grand Challenges, Obama: „Grand Challenges are ambitious but achievable goals“, zuletzt abgerufen am 02.02.2016
  13. http://www.forschungswende.de/index.php?id=35&tx_news_pi1[news]=66&tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail&cHash=4e2c463851d8dd42052c5917bbd989a5 Empfehlungen zu wissenschaftlicher Integrität, abgerufen am 02.02.2016]
  14. BMWFW, Wien, Strategische Vernetzungsplattformen im Kontext der Großen Gesellschaftlichen Herausforderungen, November 2015