Benutzer:Ali Masyaf 85/Ab

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Der letzte große Aufstand der mehrheitlich berberischen Bevölkerung Ifrīqiyas gegen die Herrschaft der Fatimiden von ca. 937 bis 946. Der Widerstand der Berber war religiös und politisch motiviert, da es sich bei den seit 909 in Ifrīqiya regierenden Fatimiden um Schiiten handelte und viele Berber Anhänger der charidschitischen Lehrrichtung der Ibaditen waren. Die Fatimiden hatten bei ihrer Eroberung das ibaditische Imamat der Rustamiden von Tahert zerstört. Angeführt wurde der Aufstand von einem ibaditischen Berber namens Abū Yazīd Machlad ibn Kaidād. Er eroberte im Laufe des Aufstandes fast alle Städte in Ifrīqiya und belagerte sogar die fatimidische Hauptstadt al-Mahdiya. Erst nach der Thronbesteigung des fatimidischen Kalifen al-Mansūr konnte der Aufstand niedergeschlagen werden. Die Ereignisse finden Erwähnung bei vielen Geschichtsschreibern, u.a. Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraischī oder auch bei Ibn Chaldūn.

Abū Yazīd

Die Person des Abū Yazīd ist von zentraler Bedeutung für das Verständnis der Geschichte der Ibaditen in Nordafrika. Er war der Sohn eines Händlers aus dem Berberstamm der Ifran aus der Zanāta-Konföderation aus Tozeur oder Tagus in der Nähe der Oase Schatt al-Dscharīd (im heutigen Tunesien), das damals noch den antiken Namen Qastiliya trug. Er trieb seinen Handel in der Sahara insbesondere zwischen Tadmakka in der Zentralsahara und Gao (Kaukau) am Niger. In Tadmakka hatte Kaidād eine Konkubine dem Stamm der Hawwāra namens Sabīka, die ihn auf seinen Handelsreisen begleitete und ihm um 874 einen Sohn namens Abū Yazīd gebar. Kaidād starb, nachdem er mit seinem Sohn nach Qītūn bei Tozeur zurückgekehrt war. Abū Yazīd lebte daraufhin als Waisenkind von den Almosen der Bevölkerung. Später arbeitete er als Lehrer in den drei Städten Tozeur, Qīṭūn und Taqyūs. Danach zog es ihn in die Hauptstadt der ibdaditischen Rustamiden nach Tāhert, wo er sich in der ibaditischen Rechtslehre ausbilden ließ. 909 kehrte er schließlich wieder nach Tozeur zurück. Im selben Jahr zerstörte der fatimidische Propagandist Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī die rustamidische Hauptstadt Tāhert, als er auf dem Weg nach Sidschilmāsa war, um al-Mahdī bi-llah (den ersten fatimidischen Imam Nordafrikas) zu befreien. Abū Yazīd war damals in Tāhert und erlebte die Hinrichtung des rustamidischen Imams durch die Schiiten, bevor er nach Tagyūs zurückkehrte, wo er wieder als Lehrer arbeitete.[1] In der Zeit von al-Mahdī bi-llah, genauer gesagt ab 928 betätigte er sich als Prediger gegen die Fatimiden. Er reiste von Dorf zu Dorf und predigte zu den Berbern, unter denen die ibaditische Rechtsschule weit verbreitet war. Wahrscheinlich schloß er sich auch in dieser Zeit unter dem Einfluss seines Lehrers Abū ʿAmmār al-Aʿmā ('der Blinde') der ibaditischen Strömung der Nukkar an.

Persönlichkeit

Abū Yazīd pflegte auf einem Esel zu reiten, der ihm in Marmadschanna geschenkt worden war. Daher war er auch als 'der Mann auf dem Esel' (Ṣāḥib al-Ḥimār) bekannt. Für gewöhnlich trug er einen ärmellosen Umhang aus Wolle und eine weiße Mütze. Dieses asketische Auftreten erzeugte das Bild eines strengen, bescheidenen und frommen Anführers. Durch seine Entschlossenheit gelang es Abū Yazīd in nur 6 Monaten militärische Erfolge zu erzielen, für die der Daʿī Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī 7 Jahre gebraucht hatte[2]. Später tauschte er seine einfache Kleidung gegen Seide ein und ritt auf Pferden anstatt seines Esels[3].

Abū Yazīd's Verhältnis zu den 'Arabern'

Der ismailitische Geschichtsschreiber Idrīs ʿImad ad-Dīn weist in seinem Buch ʿUyūn al-Aḫbār darauf hin, dass Abū Yazīd hauptsächlich den 'Orientalen' (al-Mašāriqa) gegenüber feindselig eingestellt war. 'Orientalen' bezieht sich in diesem Zusammenhang vermutlich auf die Araber, was der Kommentator des Werkes, Muḥammad al-Yaʿalāwī, daraus schlussfolgerte, dass Abū Yazīd Ibrahīm ibn Abī Slās von der Führung seines Heeres ausschloss, weil letzterer Araber war.[4] Der Orientalist Werner Schwartz widersprach dieser Ansicht, indem er betonte, dass es seit der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts unter den führenden Ibaditen Nordafrikas auch Araber gab, die den Berbern durchaus gleichgestellt waren. Die Auseinandersetzung war also weniger eine zwischen Ibaditen/Berbern und Arabern, als zwischen Verbündeten und Gegnern der als unterdrückerisch wahrgenommenen Herrschaft erst der Abbasiden und später der Fatimiden.[5] Heinz Halm weist in diesem Zusammenhang auf das politische Moment der ibaditischen Normenlehre hin, die den unbedingten und bewaffneten Kampf gegen eine tyrannische Regierung zur religiösen Pflicht und zur Legitimationsgrundlage des wahren Imam machte. In den Augen der nordafrikanischen Ibaditen waren sowohl die Abbasiden (die ihre Herkunft auf die Haschimiten und damit auf die Familie des Propheten zurückführten) als auch die Fatimiden (die dies auch taten, vgl. Fātima) Tyrannen, gegen die der religiös begründete Kampf notwendig war. Hinzu kam ein egalitäres Moment, insofern als nur der beste und frömmste unter den Muslimen von den Ibaditen als Imam der Umma anerkannt wurde, unabhängig davon ob dieser nun Berber, Araber oder "ein schwarzer Sklave" sei.[6]

Der Aufstand gegen die Fatimiden

Die Anfänge

Nachdem er die Pilgerreise nach Mekka unternommen hatte, kam Abū Yazīd 937 zurück nach Tozeur. Dort begann er unter den Berbern zu predigen und rief sie zum Aufstand gegen die Fatimiden auf. Als dies dem fatimidischen Kalifen al-Qā'im bi-llah zu Ohren kam, ließ er ihn inhaftieren[7]. Daraufhin nahm Abū Yazīd ab 945 den offenen Kampf gegen die Fatimiden auf. Nachdem er von 40 Ibaditen unter der Führung von Abū ʿAmmār befreit worden war, zogen sie sich in das Aurasgebirge (heutiges Ost-Algerien) zurück.[8] 944 scheiterte Abū Yazīd bei dem Versuch Baghāya einzunehmen, obwohl er die Stadt mehrfach belagerte und einige fatimidische Befehshaber, wie Z.B Saʿīd ibn Chalaf al-Hawwārī sich ihm anschlossen.[9] Daraufhin begann er andere wichtige Städte einzunehmen. So eroberte er Tabissa nachdem die Bevölkerung verraten wurde und beging dort ein großes Massaker. Danach wandte er sich gegen Marmadschanna und nahm auch diesen Ort ein.[10] Am 8. August 944 eroberte Abū Yazīd al-Urbus. Seine berberischen Soldaten hatten die Stadt zunächst nicht angreifen wollen, weil sie Angst vor dem Heer der Fatimiden hatten. Dann allerdings lief einer der fatimidischen Befehlshaber namens Ibrahīm ibn Abī Slās zu Abū Yazīd über. Daraufhin eroberten Abū Yazīd und die Berber die Stadt und richteten unter ihren Bewohnern ein Blutbad an, obwohl Abū Yazīd seinem Kommandeur Ibrahim ibn Abī Slās versprochen hatte, die Bevölkerung zu schonen.[11]

Erste Reaktionen der Fatimiden

Der Verlust von al-Urbus versetzte den fatimidischen Hof in al-Mahdiya in Alarmbereitschaft. Die Berater des Kalifen al-Qāʾ'm bi-llah forderten diesen zur militärischen Reaktion gegen Abū Yazīd auf. Dies taten sie u.a. mit Verweis auf die strategische Bedeutung von al-Urbus und das Schicksal der Aghlabiden, deren Dynastie nach dem Verlust von al-Urbus rasch untergegangen war. Man fürchtete daher den Fatimiden könnte ein ähnliches Schicksal bevorstehen. Daraufhin sandete al-Qā'im bi-llah seine Befehlshaber Muhammad bin ʿAlī bin Sulaimān und Tamīm al-Wasfānī nach Ruqāda, um die Stadt vor Angriffen Abū Yazīds zu schützen. Außerdem wurde Chalīl ibn Ishāq mit einem Heer von 1000 Reitern, das aus Soldaten des Dschund und aus Sklaven bestand, nach Qairawān geschickt. Buschrā al-Chādim wurde im Auftrag von al-Qā'im bi-llah nach Bādscha geschickt, um sich dort gegen die Berber zu behaupten.[12] Als Abū Yazīd, der sich noch in al-Urbus befand, davon erfuhr, zog er mit seiner Armee Richtung Bādscha, wobei er seine Familie in al-Urbus zurückließ und Ibrahīm bin Abū Slās als Befehlshaber seiner Truppen einsetzte.[13] Anfänglich wurden Abū Yazid und die Berber von Buschrā al-Chādim zurückgedrängt, konnten aber letztendlich den Kampf gewinnen und Bādscha einnehmen. Abū Yazīd ließ die Stadt in Brand setzen und ließ die Bevölkerung drei Tage und Nächte lang massakrieren. Buschrā al-Chādim floh nach Tunis, das von Hasan bin ʿAlī regiert wurde, wobei er von den Berbern verfolgt wurde. ʿAmmār, Hasans Bruder, stellte sich seinen Verfolgern mit 300 Reitern entgegen und siegte. Buschrā al-Chādim und Hasan bin ʿAlī wurden allerdings trotzdem zur Flucht nach Susa gezwungen, als es in Tunis zu Unruhen kam.[14]

Die Belagerung von Qairawān

Zur selben Zeit befand sich Abū Yazīd auf dem Weg nach Qairawān, um die Stadt anzugreifen. Chalīl ibn Ishāq, der Kommandant der Stadt, nahm die Bedrohung jedoch nicht ernst und hielt seine Soldaten in der Stadt. Er verließ sich auf eine Gruppe Berber vom Stamm der Zuwaila, die ihm versprochen hatten, Abū Yazīd zu töten. Auch als Abū Yazīd's Truppen kurz vor Qairawān standen, nahm Chalīl ibn Ishāq die Gefahr, die von ihnen ausging, nicht ernst. Einige von Chalīl's Soldaten waren unzufrieden, weil sie keine Bezahlung erhalten hatten und nahmen Kontakt mit Abū Yazīd auf.[15] Daraufhin eroberten sie gemeinsam die Stadt. Chalīl ibn Ishāq verschanzte sich zunächst in der Zitadelle, ergab sich aber schließlich mit seinen Anhängern, nachdem man ihm versprochen hatte sein Leben zu schonen. Letztendlich jedoch ließ Abū Yazīd ihn und die anderen Anhänger der Fatimiden auf Druck seiner Berater hinrichten.[16]

Weiterer Verlauf

Hasan ibn ʿAlī und Buschrā al-Chādim bekämpften unterdessen einen von Abū Yazīds Befehlshabern, Ayyūb ibn Chaizarān az-Zuwailī und besiegten ihn schließlich. Dabei wurden 4000 Berber getötet und 500 als Gefangene nach al-Mahdīya geschickt, wo sie von der Stadtbevölkerung ermordet wurden.[17] Im Oktober 944 marschierte Abū Yazīd mit seiner Armee nach Ruqāda und besiegte dort den Berberstamm der Kutāma, die Verbündete der Fatimiden waren. Die verbliebenen Kutāma flohen daraufhin nach al-Mahdiya.[18] Nach dem Sieg über den fatimidischen Befehlshaber Maisūr stand Abū Yazīd der Weg nach al-Mahdiya offen. Viele Bewohner des Umlandes der fatimidischen Hauptstadt versuchten deswegen dorthin zu fliehen. Al-Qā'im befahl ihnen allerdings in ihre Städte zurückzukehren. Von seinem Lager vor den Toren von al-Mahdiya aus eroberte Abū Yazīd weitere Städte in Ifrīqiya, u.a. Susa.[19]

Belagerung von al-Mahdiya

Zur Verteidigung der Hauptstadt ließ der Kalif al-Qā'im um al-Mahdiya einen Graben ausheben und schickte Boten zu den Kutāma, die sie zum Dschihād gegen Abū Yazīd aufforderten. Einer dieser Boten wurde von Abū Yazīd gefangen genommen, woraufhin er augenblicklich den Angriff auf die Stadt befahl.[20] Bei seinem ersten Angriff rückte Abū Yazīd mit seinen Truppen bis zu einem symbolisch bedeutsamen Ort, der Moschee Muṣallā al-ʿId vor. Laut einer Legende hatte al-Qā'im's Vater, der fatimidische Kalif al-Mahdī, an diesen Ort einen Pfeil geschossen und verkündet, dass kein Eroberer weiter als bis zu diesem Punkt vordringen werde. Dann jedoch zwang der Verlauf der Kämpfe Abū Yazīd zum Rückzug, um seine, auf der anderen Seite der Stadt in Bedrängnis geratenen, Soldaten zu entsetzen. Seine Ankunft dort sorgte für Verwirrung, weil die fatimidischen Soldaten zunächst dachten, es handele sich bei ihm um al-Qā'im. Dieser allerdings weigerte sich, Abū Yazīd in der Schlacht gegenüber zu treten.[21] Nachdem al-Qā'im bi-llah die Bevölkerung in einer Predigt zum Widerstand gegen Abū Yazīd aufgefordert hatte, kam es bei der Ortschaft Dār Quwām zu einer weiteren Auseinandersetzung, in der die Berber besiegt und einige wichtige Kommandeure von Abū Yazīd getötet wurden.[22] Nach einer weiteren heftigen Schlacht im Wādī al-Mālih konnten die Fatimiden Abū Yazīd auch dort besiegen. Im Laufe der Belagerung verschlechterte sich die Situation der Verteidiger in al-Mahdiya allerdings stark, u.a. weil Schiffe aus Tripoli und Sizilien, die die Stadt mit Lebensmitteln versorgen sollten, durch Stürme an Land getrieben und dort von Abū Yazīd’s Truppen geplündert wurden. Obwohl al-Qā'im die öffentlichen Getreidereserven zur Verfügung stellen ließ, kam es zu einer Hungersnot. Viele Bewohner verließen daraufhin aus Verzweiflung die Stadt, was häufig entweder ihren Tod oder ihre Versklavung zur Folge hatte.[23] Auf die Eingabe eines Mannes, der sich über die Gräueltaten der Armee bei Abū Yazīd beschwerte, soll dieser geantwortet haben, das Verhalten seiner Soldaten sei gerechtfertigt, weil die Bewohner der Stadt ohnehin Ketzer (muschrikūn) seien.[24]

Wendepunkt und erneute Konsolidierung

Nach einigen weiteren Gefechten mit wechselvollem Ausgang im Laufe des Jahres 945.[25] kam es zu ersten Auflösungserscheinungen in Abū Yazīd’s Armee. Einige Berber aus dem Stamm der Waschīr wechselten in das Lager der Fatimiden über und auch Abū Yazīd’s Vertrauter Ibrahīm ibn Abī Slās nahm wieder Kontakt zu al-Qā'im auf. Dieser versicherte ihm wohl seine Begnadigung, weswegen Ibrahīm schlussendlich erneut die Seiten wechselte und zu den Fatimiden überlief.[26] Diese Ereignisse und die unsichere militärische Situation demoralisierten Abū Yazīd’s berberische Truppen. Nur die Banū Kamlan und die Hawwāra blieben Abū Yazīd treu, allerdings zogen sich auch diese schließlich ohne sein Wissen nach Qairawān zurück, um dort ihre Kräfte zu sammeln. Daraufhin verblieb auch Abū Yazīd kein anderer Ausweg, weswegen er die Belagerung al-Mahdiyas abbrach und ebenfalls nach Qairawān ging.[27] Dort kam es zu weiteren internen Auseinandersetzungen, wobei einige von Abū Yazīd’s engsten Gefolgsleuten ihm mangelnden militärischen und religiösen Eifer vorwarfen, was sie u.a. an seinem geänderten Lebensstil (vgl. Persönlichkeit) festmachten. Abū Yazīd konnte diese Konflikte durch eine Rückkehr zu seinem ursprünglichen asketischen Auftreten noch einmal eindämmen, allerdings hatte die Bevölkerung von Qairawān mittlerweile ihrerseits Kontakt zu al-Qā'im aufgenommen und die Berber drohten die Kontrolle über Ifrīqiya zu verlieren.[28] In der Folge versuchte Abū Yazīd die Kontrolle über die vormals eroberten und wieder abtrünnig gewordenen Gebiete wiederherzustellen, wobei es u.a. zu einem brutalen Massaker an der Stadtbevölkerung von Tunis kam.[29] Als ein Mordkomplott einiger Berber vom Stamm der Bayāda gegen Abū Yazīd aufgedeckt wurde, ließ dieser den kompletten Stamm massakrieren.[30] Die Rückeroberung der verlorenen Gebiete gestaltete sich insgesamt erfolgreich, sodass im Laufe des Jahres 946 fast alle Städte Ifrīqiyas wieder unter die Herrschaft Abū Yazīd’s gerieten.[31]

Das Ende des Aufstandes

Im selben Jahr starb der fatimidische Kalif al-Qā'im bi-llah, woraufhin ihm sein Sohn al-Mansūr bi-llah nachfolgte. Dieser ließ den Tod seines Vaters allerdings zunächst geheim halten, um seine Truppen nicht zu verunsichern.[32] Anders als al-Qā'im nahm al-Mansūr sehr bald eine aktive Rolle im Kampf gegen Abū Yazīd ein und führte einen offensiven Feldzug gegen den berberischen Aufstand.[33] Nach einigen Monaten kam es schließlich in der Nähe von Qairawān zu einer entscheidenden Schlacht, bei der die Berber besiegt und anschließend von den Fatimiden niedergemetzelt wurden.[34] Abū Yazīd konnte allerdings entkommen und zog sich in die Festung Kayāna zurück, wo er von al-Mansūr’s Truppen eingeschlossen und belagert wurde.[35] Nachdem im Laufe der Kämpfe fast die gesamte Führungselite der Ibaditen gefallen war, entkam Abū Yazīd ein letztes Mal, bevor er endgültig schwer verletzt von den fatimidischen Truppen gefangen genommen wurde.[36] Wenige Tage später verstarb er unter Hausarrest. Auf Anordnung al-Mansūr’s wurde seine Leiche mumifiziert und in allen Städten Ifriqiyas zur Abschreckung zukünftiger Aufstände öffentlich zur Schau gestellt.[37]

Einordnung der Ereignisse in der Geschichtsschreibung

Über den Beginn des Aufstand finden sich widersprüchliche Angaben. Bei Ibn al-Athīr heißt es, dass Abū Yazīd den Aufstand bereits im Jahr 296 nach der Hidschra (909 n.Chr.) begann, als Abū ʿAbdallāh asch-Schīʿī nach Sidschilmāsa ging, um al-Mahdi zu befreien. Al-Maqrīzī datiert den Beginn der Revolte auf das Jahr 303 nach der Hidschra (916 n. Chr.),Ibn Chaldūn hingegen auf 316 nach der Hidschra (929 n. Chr.).[38] Aus dem Werk ʿUyūn al-Aḫbār des fatimidischen Autors Idrīs ʿImād ad-Dīn lässt sich entnehmen, dass Abū Yazīd den Nukkār angehörte, einer besonders militanten Strömung innerhalb der Ibaditen. Die Nukkār waren dafür bekannt, alle anderen Muslime zu Ungläubigen zu erklären (Istiʿrāḍ), womit sie deren Ermordung und sogar Vergewaltigung rechtfertigten. ʿImād ad-Dīn bezeichnete die Ibaditen daher seinerseits als māriqīn, eine Bezeichnung, die auf einen Hadīṯ Muḥammads zurückgeht und sich ursprünglich auf Personen bezog, die ein nur oberflächliches Verständnis vom Islam hatten. Aber auch die Beziehungen zwischen den Fatimiden und den Sunniten Nordafrikas, die größtenteils der malikitischen Rechtsschule angehörten waren angespannt. So wird in dem Werk Riyāḍ an-Nufūs des Geschichtsschreibers Abū Bakr al-Mālikī erwähnt, dass sich eine Gruppe von 85 malikitischen Gelehrten, unter ihnen ein gewisser Abū al-Fadl ʿAbbās bin ʿIsa bin al-ʿAbbās al-Mumsī, der Rebellion Abū Yazīd's angeschlossen hatte. Bevor der oben genannte Ibrahīm ibn Abī Slās das Lager der Fatimiden verließ, hatte sich seine Familie bei Abū al-Faḍl al-Mumsī erkundigt, ob sie für oder gegen die Fatimiden kämpfen sollten, wobei dieser geantwortet haben soll, dass gegen die Banū ʿUbaid (= Fatimiden) zu kämpfen sogar eine religiöse Pflicht sei, weil die Ibaditen Muslime seien und die Fatimiden Häretiker (madschūs).[39] Bei Idrīs ʿImād ad-Dīn hingegen wird diese Begebenheit nicht erwähnt. Trotz der Unterstützung vonseiten der Sunniten befahl bzw. duldete Abū Yazīd später zahlreiche grausame Massaker an der überwiegend sunnitischen Bevölkerung Nordafrikas. Dabei soll es auch zu massenhaften Vergewaltigungen gekommen sein, angeblich sogar innerhalb Moscheen.[40] Idrīs ʿImād ad-Dīn behauptete, dass die Sunniten den Aufstand nur unterstützt hätten, weil sie von Abū Yazīd dazu gezwungen worden wären. Dieser habe ihnen in Aussicht gestellt, die Gewalt seiner Soldaten gegen sie zu unterbinden und wiederum ihre Gemeinschaft zu schützen, wenn sie sich ihm anschlössen[41]. Der Sunnite Abī Bakr al-Mālikī hingegen betont, dass die Motivation der Sunniten durch die Fatwa von Abū al-Fadl al-Mumsī, die zum Kampf gegen die Fatimiden aufrief, begründet gewesen sei.[42]

Literatur

  • Halm, Heinz: Das Reich des Mahdi. Der Aufstieg der Fatimiden. München: C.H. Beck, 1991. ISBN 3406354971.
  • Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraišī (gest. 1488):ʿUyūn al-Aḫbār wa-funūn al-Aṯār: Tarīḫ al-Ḫulafāʾ al-Fāṭimiyīn fī-l-maġrib (5. Band). Kommentiert von Muḥammad al-Yaʿalāwī. Beirut: Dār al-Ġarb al-Islāmī, 1985.
  • Schwartz, Werner: Die Anfänge der Ibaditen in Nordafrika Der Beitrag einer islamischen Minderheit zur Ausbreitung des Islam. Wiesbaden: Otto Harassowitz, 1983.
  • Abī Bakr ʿAbdallah bin Muḥammad al-Mālikī: Riyāḍ an-Nufūs fī Ṭabaqāt ʿUlamāʾ Qayrawān wa-Ifriqiya wa-Zuhādihim wa-Nusākihim wa-Sīyar min Aḫbārihim wa-Faḍāʾilihim wa-Awṣāfihim. Kommentiert von Bašīr al-Bakūš. Beirut: Dār al-Ġarb al-Islāmī, 1994 (2. Aufl.).

Einzelnachweise

  1. Vgl. Halm, Heinz: Das Reich des Mahdi. Der Aufstieg der Fatimiden. München: Beck, 1991. ISBN 3406354971, S.265-267
  2. Vgl. Halm, Heinz: Das Reich des Mahdi. Der Aufstieg der Fatimiden. München: Beck, 1991. ISBN 3406354971, S.
  3. Vgl. Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraišī (gest. 1488): ʿUyūn al-Aḫbār wa-funūn al-Aṯār: Tarīḫ al-Ḫulafāʾ al-Fāṭimiyīn fī-l-maġrib (5. Band). Kommentiert von Muḥammad al-Yaʿalāwī. Beirut: Dār al-Ġarb al-Islāmī, 1985. S.
  4. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S.277
  5. Vgl. Schwartz, Werner: Die Anfänge der Ibaditen in Nordafrika Der Beitrag einer islamischen Minderheit zur Ausbreitung des Islam. Wiesbaden: Otto Harassowitz, 1983. S. 274-275
  6. Vgl. Halm, Heinz: Das Reich des Mahdi. S.266
  7. Vgl. Halm, HeinzDas Reich des Mahdi S.267
  8. Vgl. Halm, Heinz:Das Reich des Mahdi S.266
  9. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 269
  10. Vgl. Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 272
  11. Vgl. Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 273f
  12. Vgl. Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 275f
  13. Vgl. Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 277
  14. Vgl. Idrīs ʿImād ad-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 278
  15. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī :ʿUyūn al-Aḫbār S. 279
  16. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 288
  17. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 280-281
  18. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 283
  19. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 298-299
  20. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī :ʿUyūn al-Aḫbār S. 302-304
  21. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī :ʿUyūn al-Aḫbār S. 307-309
  22. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 312f
  23. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī :ʿUyūn al-Aḫbār S. 316
  24. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 317
  25. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 318-319
  26. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḥbār S. 320f
  27. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 322
  28. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 324
  29. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 325-327
  30. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 328
  31. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 337
  32. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 349f
  33. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār .S. 350-375
  34. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 376f
  35. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 415
  36. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 436f
  37. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 452
  38. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-QuraišīʿUyūn al-Aḫbār S. 264
  39. Abī Bakr ʿAbdallah bin Muḥammad al-Mālikī (gest. 1046 ): Riyāḍ an-Nufūs fī Ṭabaqāt ʿUlamāʾ Qayrawān wa-Ifriqiya wa-Zuhādihim wa-Nusākihim wa-Sīyar min Aḫbārihim wa-Faḍāʾilihim wa-Awṣāfihim. Kommentiert von Bašīr al-Bakūš. Beirut: Dār al-Ġarb al-Islāmī, 1994 (2. Aufl.), S. 297-298.
  40. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 277
  41. Vgl. Idrīs ʿImād al-Dīn al-Quraišī ʿUyūn al-Aḫbār S. 294
  42. Abī Bakr ʿAbdallah bin Muḥammad al-Mālikī (gest. 1046 ): Riyāḍ an-Nufūs fī Ṭabaqāt ʿUlamāʾ Qayrawān wa-Ifriqiya wa-Zuhādihim wa-Nusākihim wa-Sīyar min Aḫbārihim wa-Faḍāʾilihim wa-Awṣāfihim. S. 297.