Benutzer:Andrea Begic/Hind al-Husseini

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Hind al-Husseini 

Hind al-Husseini (Arabisch: هند الحسيني‎) (* 25. April 1916 in Jerusalem; † 13. September 1994 in Jerusalem) war eine sozial engagierte Palästinenserin, ebenfalls bekannt unter dem Ehrennamen „Mama Hind“, die am 9. April 1948, am Tag des Massakers von Deir Yasin im damaligen Mandatsgebiet Palästina, einer in Jerusalem abgesetzten Gruppe von 55 überlebenden Waisenkindern in Eigeninitiative Unterkunft und Nahrung bat.

Für diese Kinder, die völlig sich selbst überlassen waren, gründete Hind al-Husseini das Waisenhaus mit einem Bildungssystem Dar Al-Tifl al-Arabi „Haus des arabischen Kindes“, welches bis heute noch in Jerusalem existiert.[1]


Abbildung: Hind al-Husseini und Kinder der Dar Al-Tifl Al-Arabi [2]

Leben

Geburt 1916 - Waisenaufnahme 1948  

Herkunft

Hind al-Husseini, geboren am 25. April 1916 in Jerusalem, stammte aus der prominenten politisch aktiven und einflussreichen Husseini-Familie Palästinas. Ihre Eltern waren beide Palästinenser muslimischen Glaubens. Ihren Vater hatte sie kaum gekannt, denn er ist gestorben, als sie zwei Jahre alt war. Hind al-Husseinis Leben wurde aber stark geprägt durch den Einfluss ihrer Mutter, die bei der Erziehung ihrer Kinder immer sehr viel Wert auf gute Bildung legte.[3]

Bildung         

Im Jahre 1922 besuchte Hind al-Husseini eine islamische Mädchenschule, die direkt neben der heiligen al-Aqsa Moschee lag. Zunächst war sie an einer englischen Sekundarschule und absolvierte 1937 letztendlich ihr Studium, wonach sie im Erziehungs- und Bildungswesen bis 1945 als Lehrerin tätig war.[3]

Soziales Engagement

Nach 1945 setzte sie sich als freiwillige Sozialarbeiterin und Koordinatorin aktiv ein für die Arab Women’s Union (Arabische Frauen Union). Diese Organisation wurde bereits im Jahr 1929 in Jerusalem in Eigeninitiative einiger arabischen Frauen aus angesehenen und prominenten Familien Palästinas gegründet. Bis heute hilft dieser Verein Kindern und Frauen in Palästina eine bessere Zukunftsperspektive durch gute Bildung zu ermöglichen. Die Organisation setzte sich vor allem aktiv und passiv für die nationalen Rechten der Frauen in Palästina ein. Mit den Jahren knüpfte die Arab Women’s Union immer mehr Partnerschaften, die in ganz Palästina verteilt waren. Nach kurzer Zeit wurde Hind al-Husseini auch noch Mitglied des Palästinischen Nationalrats. Durch ihren hohen Posten innerhalb dieser Befreiungsorganisation, konnte sie sich noch mehr einzusetzen für die Opfer des Nahostkonflikts.

Waisenaufnahme 1948 - Tod 1994

Aufnahme der Waisen

Als 1948, zu Beginn des israelisch-arabischen Konflikts, viele Bürger aus ihrer Heimat innerhalb des britischen Mandatsgebiets vertrieben wurden, brachen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Palästinensern und Israelis aus.[4]

Am besagten 9. April 1948, einen Monat vor der Staatsgründung Israels, stieß die 31-jährige Hind al-Husseini auf eine Gruppe Kinder aus dem Nachbarsdorf Deir Yasin, die sich vor der Kirche vom Heiligen Grab in Jerusalemer Altstadt beängstigt zusammengedrängt hatten, nachdem sie von den Terrortruppen Irgun und Stern Gang in Jerusalem abgeliefert wurden.[1]

Diese Jungen und Mädchen, die überwiegend jünger als neun Jahre alt waren, hatten sich die Nacht über vor dem Massaker in ihrem Dorf versteckt. Danach wurden die verwaisten Kinder von den jüdischen Milizen am Dorfplatz versammelt, auf einem Lastwagen geladen und zunächst in dem muslimischen Viertel Ost-Jerusalems abgesetzt. Diese unschuldigen Opfer hatten in dieser blutigen Schlacht ihre Eltern, Familie und ihr Zuhause verloren.[1]

Um die Kinder vor weiteren Gefahren zu schützen, hatte Hind kurzfristig zwei Räume angemietet und die Kinder in Sicherheit gebracht. Jeden Tag hatte sie ihre Schützlinge mit Nahrungsmitteln versorgt und Zeit mit ihnen verbracht. Doch diese Unterkunft lag inmitten der Gefahrenzone und Hind war sich der Tatsache bewusst, dass es nicht mehr lange vor Angriffen verschont werden konnte. Daher hatte sie die Waisen nach einigen Tagen in das „Sahyoun Kloster“ an der Via Dolorosa untergebracht. Kürzeste Zeit später wurden die zwei verlassenen Räume bombardiert. Im Grunde waren die Kinder innerhalb dieser zehn Tage gleich zwei Mal knapp dem Tod entkommen, denn zuerst überlebten sie die blutige Schlacht in ihrer Heimat und kurz danach hat das Schicksal sie auch noch vor Bombenattacken in der Altstadt geschützt.[1]

Gründung des Waisenhauses

Zwei Wochen nach dem Massaker von Deir Yasin entschloss Hind sich mit den Kindern in die Villa ihres Großvaters im Stadtteil „Scheich Dscharrah“ weiter zu ziehen. Die Villa, die 1891 gebaut wurde, verwandelte sich in ein warmes Heim und bekam den Namen ‘‘Dar al-Tifl‘‘ „Haus des Kindes“.[1]

Das Waisenhaus sollte den Opfern des Krieges nicht nur ein Dach über dem Kopf bieten, sondern auch dafür sorgen, dass die Kinder gut gebildet werden. Die Schule begann mit 55 Kindern verschiedener Altersgruppen und Schulstufen unter schlechten finanziellen Bedingungen.[5]

Dar al-Tifl, auch bekannt als Dar al-Tifl al-Arabi „Haus des arabischen Kindes“, öffnete ihre Türe auch für weitere obdachlosen Armen, Unterdrückten und Gefährdeten der Gesellschaft und bekam als Institut finanzielle Unterstützung von verschiedenen sozialen Organisationen aus aller Welt.[2]

Im Jahr 1949 und in den frühen 1950er Jahren nahm das Institut auch immer mehr Waisen aus verschiedenen anderen Städten und Dörfern an. Die meisten Kinder kamen aus den Gebieten Jaffa, Betunya, Hebron, Qalqilya, Ramle, Jerusalem, Arrabe und Gaza.[1]

Ohne viel Bedenken nahm Hind die Kinder auf, die in ihr Leben traten. Sie war festentschlossen, sie zu beschützen. Dieses Versprechen an die Kinder von Dar al-Tifl hatte Hind nicht nur eingehalten, sondern auch in ihr Tagebuch geschrieben: „Ich lebe mit diesen Kindern, oder werde mit ihnen sterben“. Von den Kindern wurde sie auch „Mama Hind“ genannt. Hind selbst war nie verheiratet gewesen und hatte auch keine eigenen Kinder.[6]

Jedoch hatte Hind einige Säuglinge adoptiert, die vor der Tür des Waisenhauses abgesetzt wurden. Auch nahm das Waisenhaus zwei Mädchen von einer jüdischen Frau an, nachdem sie von anderen Schulen nicht akzeptiert wurden.[1]

Entwicklung vom Institut

Nach 1967 nahm die Schule nur noch Mädchen an. Ausnahmen wurden dennoch gemacht für Jungen im Kindergarten bis zum Alter von sechs Jahren.[1]

Weil Hind der Überzeugung war, dass auch Frauen ein Recht auf „angemessene Bildung“ hätten, gründete sie im Jahr 1982 die „Hind-Al-Husseini-Universität“ für Frauen. Sie war der Auffassung, dass nicht nur die Elite der Gesellschaft eine Möglichkeit und ein Recht auf ein Studium haben sollte. Gute Bildung sei vor allem für Frauen notwendig als legitimes und wirksames Mittel des Widerstands. Hind widmete dem Bildungsprozess dieser Mädchen und Frauen besondere Aufmerksamkeit, weil dieser vor allem darauf gezielt war, sie zu qualifizieren, das Selbstwertgefühl durch Zusammenarbeit zu stärken und sie auch zum politischen Handeln zu ermutigen und ermächtigen.[6]

Die Tatsache, dass Hind al-Husseini aus einer prominenten Familie stammte, die zu den einflussreichsten palästinensischen Familien Jerusalems zählten, kam zugute, um das Institut von Dar al-Tifl und die Hind-Al-Husseini-Universität für Frauen auszubauen und zusammenzuführen mit Institutionen, die einen guten Ruf hatten, wie unter anderem die Al-Quds Universität in Jerusalem. Mit der Zeit gehörten sie schon bald zu den herausragendsten und bekanntesten Instituten und Internaten Jerusalems.[6]

Viele feministisch denkende Eltern schickten ihre Mädchen hierhin mit der Hoffnung, dass ihre Töchter durch gute Bildung eine bessere Existenz in der Zukunft entgegensehen und unabhängig sein können.[7]

1995 hatte Dar al-Tifl über 300 Waisen. Jedoch halbierte sich diese Zahl, nachdem die Grenzen zum Gaza-Streifen geschlossen wurden und viele Kinder aus dieser Gegend aufgefordert wurden in ihre Heimat zurückzukehren. Das gleiche galt für die die Kinder aus einigen Teilen im Westjordanland. Die Anzahl der Waisen nahm jedes Jahr ab. Von circa 2000 Schüler und Studenten, vom Kindergarten bis zur 12. Klasse und einschließlich Internatsschüler, reduzierte sich die Anzahl der Waisen im Jahr 2008 auf 35 Kinder.1 Von den 300 Betten waren Anfang 2011 nur noch 30 Waisen-Mädchen übrig. Heute ist Dar al-Tifl al-Arabi nicht nur ein Waisenhaus, Mädchenschule und Hoffnungsträger für Generationen junger Frauen, sondern auch ein bekanntes Museum und Kulturzentrum Jerusalems.[1]

Das Dar al-Tifl hatte auch immer wieder in kritischen Perioden während der Bürgerkriege und der Intifada für Bildung gesorgt. Als gegen Ende der achtziger Jahre in palästinensischen Gebieten die Aufstände gegen Israel stattfanden, hatten die Erzieher bzw. Lehrer zusammen mit den Schülerinnen Kleidungsstücke für Gefangene genäht und betroffene Familienmitglieder mit Essen und Kleidung versorgt. Die meisten Schulen wurden damals geschlossen, doch die Lehrkräfte des Dar al-Tifl Instituts haben den Unterricht fortgesetzt und in manchen Dörfern unter Bäumen unterrichtet.[7]

Tod 1994

Diese bemerkenswerte Frau, Lehrerin und engagierte Sozialarbeiterin gab den obdachlosen Opfern des Krieges und Unterdrückung ohne viel Bedenken nicht nur ein warmes Heim und Hoffnung, sondern widmete auch ihr restliches Leben der Erziehung und Bildung mehrerer Generationen palästinensischer Jugendlichen.[6]

Genau ein Jahr nach der Unterzeichnung des „Osloer Vertrags‘‘ für den Frieden zwischen Palästinensern und Israelis hat Hind al-Husseini ihren Todeskampf gegen Lymphkrebs verloren. Doch den Kampf gegen die Unterdrückung des palästinensischen Volkes hat sie bis zu ihrem letzten Atemzug, den 13. September 1994, ihr Leben lang gekämpft ohne nur einmal aufzugeben.[6] Seitdem setzt die Nachfolgerin Mahira Dajani die Arbeit von Hind bis heute noch fort.[5]

Auszeichnungen

Hind al-Husseinis großen Tate blieben nicht unbemerkt. Viele Organisationen schätzten Hinds Leistungen und hießen sie auf Konferenzen willkommen. Sie wurde öfter gebeten, ihre Sozialarbeit und ihre Erfahrungen in Bezug auf das Dar al-Tifl al-Arabi mit ihnen zu teilen. Daher hat Hind auf vielen verschiedenen Veranstaltungen Vorträge gehalten. Auch erhielt Hind al-Husseini einige ehrenvollen Erwähnungen für ihre gute Arbeit. 1983 wurde ihr der Jordan Globe Medaillon für ihr Engagement in der Sozialarbeit im Ehren ausgereicht. Zunächst folgte im Jahr 1983 ein Jordan Globe Medaillon für Bildungswesen und fünf Jahre vor ihrem Tod erhielt sie von der deutschen Bundesregierung den ersten Grad Medaillon 1989.[1]

  1. a b c d e f g h i j Washington Report on Middle East Affairs, The Legacy of Hind al-Husseini, 2008, S. 19-20: http://www.wrmea.org/2008-may-june/the-legacy-of-hind-al-husseini.html [Eingesehen am 23.10.2014]
  2. a b Abb. 1: Original Homepage Dar Al-Tifel Al-Arabi, http://www.dartifl.org/images/cms-image-000000117.jpg[Eingesehen am 23.10.2014]
  3. a b Homepage Dar Al-Tifel Al-Arabi ©2014, Biography Hind Husseini: http://www.dartifl.org/en/en/12/69/Hind-Husseini.html [Eingesehen am 19.10.2014]         
  4. KAS-Auslandsinformationen, die palästinensische Diaspora, Felix Dane/Jörg Knocha, 2012, S.30: https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=a9b2a647-cc01-c6f8-eb17-4fae1787ab4c&groupId=252038 [Eingesehen am 21.10.2014]
  5. a b Original Homepage Dar Al-Tifel Al-Arabi ©2014 Dar Al-Tifl Organisation, Dar Al-Tifel Al-Arabi School: http://www.dartifl.org/en/en/4/21/The-School.html [Eingesehen am 19.10.2014]
  6. a b c d e Sixteen Minutes to Palestine, Remembering Mama Hind and her lasting legacy on the Palestinian struggle, Dina Elmuti, 2011: http://smpalestine.com/2011/09/22/remembering-mama-hind-and-her-lasting-legacy-on-the-palestinian-struggle/ [Eingesehen am 23.10.2014]
  7. a b Jerusalem Stories Wordpress, Ich brauche ihr Glück um selbst glücklich zu sein, Andreas Hackl, 2011:https://jerusalemstories.wordpress.com/2011/01/16/%E2%80%9Eich-brauche-ihr-gluck-um-selbst-glucklich-zu-sein%E2%80%9C/[Eingesehen am 27.10.2014]