Benutzer:Antaios/Falange
Vorläufer
Vorgeschichte
Der Zweiten Spanischen Republik von 1931, zu deren Zeit die Falange gegründet wurde, gingen mehr als fünfzig Jahre bourbonischer Herrschaft voraus. Der spanische Staat dieses sogenannten alfonsinische Zeitalter, auch „Restauration“ oder „Regentschaft“ genannt, hatte „eine dem Namen nach liberale Verfassung [...], sie wurde jedoch ständig von allen Politikern, ob liberal oder konservativ, missbraucht“[1] Diese liberale Verfassung von 1875 erwies sich als ungeeignet, mit der Entwicklung zur Massendemokratie Schritt zu halten.
Ein allgemeines Wahlrecht für die männliche Bevölkerung war seit 1890 vorgesehen, jedoch wurden die Wahlen regelmäßig durch die lokalen „Kaziken“ verfälscht. „Die Masse des spanischen Volks erblickte bald im parlamentarischen System nichts als ein Mittel, jeden wirklichen Ausdruck des Volkswillens zu unterbinden.“[2] Obgleich manche andere Staaten Europas ähnliche Zustände kannten, wirkte sich dieser Eindruck weiter Teile der Bevölkerung in Spanien besonders verhängnisvoll aus. Denn die spanische Nation wies seit den napoleonischen Kriegen in einem Maße eine unversöhnlich polarisierte Gesellschaft auf, dass man von den „zwei Spanien“ (los dos Españas) zu sprechen pflegte. „Es gab kaum ein europäisches Land, in dem die Klassenunterschiede so scharf und die sozialen Konflikte so bitter waren wie in Spanien“[3].
Spanien wies einerseits eine sehr starke, allerdings in sich uneinige Arbeiterbewegung auf. Ihre weitaus stärkste Kraft - die Anarchosyndikalisten - beherrschten mit der Gewerkschaft CNT/FAI zwar die Gewerkschaftsszene, nahmen aber nicht an Wahlen des von ihnen aus prinzipiellen Erwägungen abgelehnten Staates teil. Hinzu kam eine recht starke sozialistische Partei, deren beide Flügel sich anhaltend zu befehden pflegten, und eine kleine kommunistische Partei. Alle diese Parteien wirkten nicht nur in die Arbeiterschaft, sondern auch in die - vor allem im Süden oft unter katastrophalen Bedingungen lebenden - Schicht der Kleinbauern und Tagelöhner. Die radikale spanische Linke, voran die Anarchosyndikalisten, eine „riesige, sture und leidenschaftliche Bewegung“,[4] zeigte sich stets ausgesprochen militant und ließ keinen Zweifel an ihrer Bereitschaft, den Staat und das Gesellschaftsgefüge gewaltsam umzustürzen. Aufstände, welche von der Armee blutig niedergeschlagen wurden, waren im alfonsinischen Spanien „eine fast alltägliche Erscheinung“[5].
Auf der anderen Seite des Spektrums beherrschten Monarchisten und Legitimisten das Feld. Die bedeutendste Bewegung, die nordspanisch, vor allem baskisch geprägten Carlisten, hatten Spanien während des 19. Jahrhunderts in drei Bürgerkriege - die sogenannten Carlistenkriege - gestürzt. Hinzu kamen Dutzende pronunciamientos der spanischen Armee, welche den spanischen Staat fortwährend destabilisierten. Neben der katholischen Kirche hatten in der spanischen Rechten zudem die Großgrundbesitzer großen Einfluss, welche in ihren jeweiligen Sprengeln als „Kaziken“ wirkten und über die Beeinflussung ihrer Arbeitnehmer die Wahlergebnisse kontrollierten.
Die spanischen Regierung waren schwach und wechselten häufig. Weder konnte die Linke die Herrschaft der traditionellen Oligarchie brechen, noch konnte diese etwas Entscheidendes gegen die Linke unternehmen. Aus diesem Grunde verfiel der spanische Staat immer deutlicher einer Lähmung des politischen Lebens.
Nach einer Serie schwerer Niederlagen der spanischen Armee in Marokko, die 1921 in der schweren Niederlage von Anual gipfelten, putschte der General Miguel Primo de Rivera im Jahr 1923 gegen die Regierung Manuel García, um nach seinen Vorstellungen mit der Kaste der Politiker aufzuräumen, die er für die Schwäche Spaniens verantwortlich machte. An die Stelle des bisherigen parlamentarischen Systems setzte Primo de Rivera eine Militärdiktatur, welche die geltende Verfassung aufhob. Hierbei handelte es sich indessen nicht um eine faschistische Diktatur. „Obwohl Primo de Rivera Mussolini sehr bewunderte, hatte er anscheinend nicht den Wunsch oder die Entschlusskraft, sein Beispiel nachzuahmen. Primo de Riveras politisches Programm bestand lediglich aus Vaterlandsliebe, dem Zusammenschluss aller Spanier und dem Antiparlamentarismus, und er arbeitete sogar mit den sozialistischen Gewerkschaften zusammen.“[6]
Primo de Rivera, der alle politischen Parteien verbot und seine Gegner einsperrte, jedoch keine eigentlichen politischen Hinrichtungen vornahm[7], gelang es weitgehend, die politisch motivierte Gewalt von rechts und links in Spanien einzudämmen, was dem Land - auf Kosten der Bürgerrechte - einige wenige Jahre ungewohnter politischer Stabilität einbrachte, die zwar einer Friedhofsruhe gleichkam, nichtsdestoweniger aber den Aktionen und Gegenaktionen der verfeindeten politischen Lager ein Ende setzte. 1925 versuchte der Diktator, seine Diktatur mit der Gründung einer Staatspartei - der Unión Patriótica - auf so etwas wie eine Massenbasis zu stellen. Auch diese Partei war ihrem unverbindlichen Programm nach keine faschistische Partei. Dennoch musste er 1930 zurücktreten, als die Kollegen des Generalstabs sich weigerten, sein Regime noch länger zu unterstützen. 1931 war auch die Monarchie, welche zuletzt von keiner einflussreichen spanischen Gesellschaftsschicht mehr gestützt wurde, am Ende. Im April dieses Jahres errangen die republikanischen Parteien in den Kommunalwahlen eine Mehrheit, woraufhin die Zweite Spanische Republik ausgerufen wurde und der König Alfons XIII. in das Exil ging. Zunächst übernahm eine linke Regierung mit breiter Mehrheit in den Cortes Generales die Regierung. Diese Entwicklung lief den politischen Tendenzen im zeitgenössischen Europa, wo seit über einem Jahrzehnt ein Land nach dem anderen autoritäre oder totalitäre Staatsformen angenommen hatte, direkt entgegen.
Ermutigt durch diese Entwicklungen und angesichts des Umstands, dass die Unterdrückung durch Primo de Rivera der Vergangenheit angehörte, kam es schon im Mai 1931 erneut zu Unruhen und örtlichen Aufständen der Linken, auf welche die Rechte 1932 mit einem wenngleich schlecht geplanten Putschversuch reagierte. Nach der Machtübernahme einer rechten Regierung unter der Führung der CEDA inszenierte die Linke den asturianischen Bergaufbeiteraufstand von 1934. Diesen allseitigen Ausbrüchen politischer Gewalt ein Ende Spanier zu setzen taten alle Regierungen sich schwer. Nach Auffassung vieler waren sie überhaupt unfähig, dem Chaos in Madrid ein Ende zu setzen.
Ideologie und Programm der Falange
- Die Falange strebte einen Ständestaat an, in welchem der Klassenkampf durch die Schaffung „vertikaler Syndikate“ aufgehoben werden sollte. Hierunter verstand die Falange Organisationen, welche sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer umfassen sollten und somit gleichzeitig die Funktionen einer Gewerkschaft wie auch eines Wirtschaftsverbandes ausfüllten. Diesen selbstverwaltenden Syndikaten sollte auch das Eigentum an den Produktionsmittel zustehen, wovon man sich die Gleichrichtung der unter der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gegenläufigen Interessen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberschaft erhoffte. Nach Darstellung der Falange handelte es sich bei den „Sindicatos verticales“ um einen Rückgriff auf mittelalterliche Organisationen nach Art der Zünfte.
- Ein weiterer Punkt war die Verstaatlichung der Banken sowie die Durchführung einer Agrarreform. Hierbei sollte die Institution des Privateigentums als solche zwar erhalten beiben, jedoch dem Gemeinnutzen unterworfen sein.
- Der gesellschaftspolitische Entwurf der Falange ging von dem Axiom aus, dass die Gesellschaft eine Gesamtheit sei, welche sich aus einer privaten, einer öffentlichen und einer ökonomischen Sphäre zusammensetzte. Daher habe die Gesellschaft sich nicht auf das Individuum, sondern auf die Familie, die Gemeinden und die Syndikate zu gründen. Allen diesen Keimzellen der Gesellschaft sollte Autonomie zukommen. Diese Vision war ein Gegenentwurf zum Kommunismus marxistischer Ausprägung. Allerdings war dieser Gedanken, dass der Gesamtstaat ein Bündnis von Gemeinden sei, keine Erfindung der Falange und auch der Linken nicht völlig fremd, hatte er in ähnlicher Weise doch bereits in den Tagen der Pariser Kommune eine Rolle gespielt.
- Die Falange bekannte sich zur römisch-katholischen Konfession als integrierendem Bestandteil der spanischen Gesellschaft und Kultur. Andererseits sollte im angestrebten falangistischen Staat im Sinne einer Trennung zwischen Kirche und Staat der Kirche die Einmischung in staatliche Angelegenheiten untersagt sein.
- Teil des Parteiprogramms war der Stolz auf das historische Erbe und das spanische Weltreich. Besondere Bewunderung verdiente nach Auffassung der Falangisten in diesem Zusammenhang die Zeit der Reyes Católicos, der sie die Symbole des Jochs und Pfeilbündels entlehnte, um sie als Symbole des Falangismus zu beanspruchen.
- Die Falange war antikommunistisch, antianarchistisch, antikapitalistisch und antiliberalistisch, dabei auch antimonarchistisch und antirepublikanisch. Damit ging der Wunsch einher, die bereits seit Generationen anhaltende, den spanischen Staat periodisch ins Chaos stürzende Spaltung der Gesellschaft durch Synthese der Gegensätze zwischen der Linken und Rechten, der Arbeiter- und der besitzenden Klassen, Kommunismus und Kapitalismus zu überwinden. Auch mit dem faschistischen Korporativismus mussolinischer Prägung war die Falange nicht einverstanden, weil dieser Korporativismus nach Auffassung der Falange nicht weit genug ging, insbesondere am Eigentum an den Produktionsmitteln nichts Grundlegendes änderte.
Nationalismus
Erste protofaschistische Organisationen tauchten zunächst an den Rändern Spaniens, insbesondere in Katalonien auf. Insoweit Faschismus einen übersteigerten Nationalismus voraussetzt, der eine Loyalität zur Nation beansprucht, die über allen anderen Loyalitäten zu stehen hat, überrascht dies nicht. Wie Payne ausführt, war der spanische Nationalismus schwächer als der jeden anderen Landes Europas und nur eben bei den Ethnien am geografischen Rand der iberischen Halbinsel in nennenswerter Weise ausgeprägt. Denn Spanien hatte in der Geschichte wenig Anlass gehabt, einen gesamtspanischen Patriotismus hervorzubringen: Spanien war den größten Teil seiner Geschichte einem Staatenbund mit nur sehr wenigen gemeinsamen Institutionen gleichgekommen, hatte das erste echte Weltreich begründet, seit Napoleon keine echte Bedrohung mehr erlebt und hatte auch em Ersten Weltkrieg nicht teilgenommen. Zudem wurden in Spanien Kultur und Tradition in erster Linie mit der Religion definiert.
Doch selbst der katalonische Nationalismus verstand sich lange nicht als eine Los-von-Madrid-Bewegung, sondern zielte darauf ab, eine ausgeprägtere föderale Organisation Spaniens herbeizuführen. So war Katalonien bereits während des 19. Jahrhunderts eine Hochburg des Carlismus gewesen, um nach dem Dritten Carlistenkrieg von 1872 - 1876, als Barcelona das Zentrum der wirtschaftlichen und geistigen Modernisierung Spaniens war, eine kulturelle und politische Avantgarde hervorzubringen, welche sich nach dem Ersten Weltkrieg von dem faschistischen Marsch auf Rom faszinieren ließ. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg entstanden Organisationen wie die Liga Patriótica Española (Spanische Patriotische Liga) von 1919, La Traza (Die Spur) von 1923, La Peña Ibérica (Iberischer Freundeskreis) und gewisse Vorformen des späteren Partido Nacionalista Español von 1930.
Antikommunismus
In dieser Situation verstärkte sich in Teilen des spanischen Bürgertums die von tiefem Pessimismus geprägte Befindlichkeit, welche Joachim Fest als die „Große Angst“ bezeichnet hat. Sie war auch in Spanien angesichts der starken und militanten Linken seit langem lebendig; bereits der carlistische Prätendent Carlos (VII.) hatte 1870 in seinem „Manifest an die Spanier“ dieser Angst vor der Revolution wie folgt Ausdruck verliehen: „Die spanische Revolution ist nur eines der Bataillone der großen kosmopolitischen Revolution. Wesentliches Merkmal der letzteren ist die vollständige Verneinung der Herrschaft Gottes über die Welt; ihr Ziel besteht in der völligen Zerstörung der Grundlagen, welche durch das Christentum hervorgebracht worden sind und auf welchen die menschliche Gesellschaft begründet ist.“[8] Vollends trat mit den Wahlen von 196, aus welcher eine linke Volksfront als Sieger hervorging, eine vorrevolutionäre Situation auf der Rechten wie auf der Linken ein.
Solche Sentimente, wenngleich sie weniger religiös fundiert waren als die des erzkatholischen Carlos (VII.), lagen auch den Bewegungen Adolf Hitlers und Benito Mussolinis zugrunde, welche deshalb den entschlossenen, mit allen Mitteln zu führenden Kampf gegen dem Marxismus schworen. Über die reine politische Ebene hinaus wurde der Marxismus verbreitet nicht nur als Angriff auf politischem, sondern auch auf kulturellem Gebiet verstanden, was Alfred Rosenberg mit der Bezeichnung „Kampfansage an den europäischen... Kulturgedanken“[9] zu umschreiben versuchte. Die politische Herausforderung durch den Marxismus, der überall am Werke gesehen wurde, schien nur eine Emanation einer allumfassenden nihilistischen Aggression gegen alles zu sein, was in den Augen der Oberschicht und weiten Teilen der Mittelschicht als die nationale und europäische Kultur angesehen wurde.
- Francis L. Carsten, Der Aufstig des Faschismus in Europa, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1968
- Joachim Fest, Hitler. Eine Biographie, Propyläen, Verlag Ullstein, Frankfurt 1973
- Stanley Payne, Geschichte des Faschismus. Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung, Tosa-Verlag im Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2006, ISBN 3-85003-037-7
- Hugh Thomas, Der Spanische Bürgerkrieg, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1961/1964