Benutzer:Anton-kurt/B

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Stenographisches Protokoll
56. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich
III. Gesetzgebungsperkode
Mittwoch, 3. Oktober 1928

Franz Slama

Der Bundesminister für Justiz Dr. Slama GDVP berichtete zum Entwurf einer Mietengesetznovelle, welche die Regierung zum 10. Juli eingebracht hat. Der Bundesminister wande sich in seiner Rede gegen den Bau von Mietzinskasernen der Gemeinde Wien und beschreibt die Vorzüge von Einfamilienhäusern. Er nennt eine letzthin stattgefundene Tagung von Bausachverständigen in Wien, wo ein Baufachmann aus Berlin, Stadtbaurat Dr. Martin Wagner, und auch den Landtagspräsidenten von Anhalt Heinrich Pëus, die das System der Wiener Wohnungsbauten abgelehnt haben. Der Bundesminister schließt seine Rede mit: Ich gebe der Überzeugung Ausdruck, daß wir, wenn der ernste Wille zu einer Arbeit auf diesem Gebiet vorhanden ist, zu einer Lösung kommen werden, die dem Wohle der Bevölkerung, den Massen des Volkes, auch der Arbeiterklasse besser entspricht als der gegenwärtige Unrechtszustand, der durch das Mietengesetz herbeigeführt worden ist.

Die Sitzung wurde für die Dringliche Anfrage von Dr. Renner unterbrochen:

Karl Renner

Renner spricht den 7. Oktober 1928 mit dem geplanten Aufmarsch der Heimwehr und des Schutzbundes in Wiener Neustadt an, und daß die Frage des Bürgerfriedens und des Bürgerkrieges in Österreich in die Hand des Zufalls, in die Hand jedes Narren oder Verbrechers gelegt ist. Wir hören, daß Kredite gekündigt wurden, in die Spareinlagen unerwünschte Bewegungen gekommen sind, wir hören, daß Devisen gekauft werden. Das Ansehen unseres Staates im Auslande - wir haben ja nicht zu viele Freunde und eine wachsende Zahl von Feinden - wird durch diesen Umstand der Ungewißheit geschmälert.

Ich erinnere an den Aufmarsch in Gloggnitz. Wir haben dort einen sozialdemokratischen Bürgermeister, der den Heimwehraufmarsch ohne weiteres genehmigt hat, nachdem er sich mit den Leuten über die Bewegung auf dem Hauptplatz, den Bahnhofstraßen und überall verständigt hatte. Es ist gar kein Zwischenfall vorgekommen, außer zwischen Heimwehrleuten untereinander. Es war ebenso nachher in Neunkirchen, in Pottendorf, in einer ganzen Reihe von Orten. Wenn Steidle zum Aufmarsch in Wiener Neustadt von 200.000 ausgerüsteten Männern spricht, so wollen wir uns mit einem Viertel begnügen. Aber für eine Stadt mit 36.000 Einwohnern ist ein Aufmarsch von 50.000 gerüsteten Männern schon ein sehr auffällige Sache. Ich habe selbst Heimwehraufmärsche mitangesehen, in Knittelfeld, ich habe am selben Tage, nachdem die Heimwehr auf den Marktplatz aufmarschiert war, am späten Nachmittag dort auch in einer Arbeiterversammlung gesprochen; ich habe diese Aufmärsche, diese Benutzung des Rechtes auf die Straße auch in Bruck (wohl Bruck an der Mur) gesehen ... Es handelt sich darum, eine bewaffnete Formation oder eine waffenfähige, zu Waffen bereite Zwangsorganisation vorzuführen, die ganz und gar nicht irgendwelche staatsbürgerliche Meinung ausdrücken will.

Erinnern wir uns an den Mödling, wo ein kleine solche Formation, nachdem sie ihre Demonstration hatte, in das Arbeiterviertel von Mödling eingebrochen ist und dort einen Zusammenstoß verursacht hat, wobei unser Vertrauensmann und Gemeinderat Müller (Vorname fehlt, Datum fehlt) erschossen wurde.

Renner zur Landnahme des Burgenlandes

Aber in dem Augenblick, wo die Republik begründet wurde, wo der Republik das Burgenland zuerkannt war (Landnahme des Burgenlandes), und Österreich, bar jeder Mittel, sich zu verteidigen, von den ungarischen Horden bedroht war - wer war es denn damals, der zuerst freiwillig die Grenzen bezog und geschützt hat? Die Wiener Neustädter Arbeiter! (Lebhafter Beifall und Händeklatschen.) Sie haben diese Grenze geschützt und sehen jetzt ihr vaterländisches Denken in Frage gestellt durch die steirischen Heimwehren, die damals, bei dem Fürstenfelder Waffenraub, bei der Wetzelsdorfer Affäre und vielen anderen Dingen sich zumindest als stille Verbündete der Landesfeinde erwiesen haben. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen). Und da kommt nun der Herr Steidle und der Herr Pabst aus Hamburg, der Kaufmann Peters, landflüchtig, eine Abenteurernatur, die wollen nun nach Wiener Neustadt kommen und wollen ihnen <Heimatliebe> und <vaterländische Gesinnung> beibringen!

Renner sprach zum geplanter Sozialistischer Ordnertag am 7. August 1927 in Graz, wo wegen den angekündigten Störaktionen der Heimwehren, wie das Aufhalten von Eisenbahnzügen, der Ordnertag vom Landeshauptmann Hans Paul verboten wurde.

Renner berichte zu seiner Rede in Bregenz 1912: Es war zwei Jahre vor dem Kriege, im tiefsten Frieden. Der Bodensee, das deutsche Meer, zeichnet sich dadurch aus, daß an ihn, glaube ich, acht oder neun deutsche <Staaten> grenzen, die ja mit der Zeit auf weniger reduziert worden sind: Österreich, Bayern, Württemberg, Baden usw. und die einzelnen Staaten der Schweiz, der Staat Vorarlberg, der sich ja in seinen Tafeln dort so bezeichnet, sie alle sind dort vertreten gewesen. Es ist eine alte Übung, daß jedes oder jedes zweite jahr aus allen diesen Teilen der Schweiz, Österreichs und Deutschlands Delegierte zusammenkommen und eine kleine internationale Feier veranstalten. Ich selbst habe an dieser Feier im Jahre 1912 in Bregenz teilgenommen. Ich habe dort geredet, weiters der alte Greulich, der vor mehr als einem Jahre gestorben ist, und eine Reihe anderer, wie der alte Hofmann von Berlin usw. usw. Es war eine würdige Feier, aber nicht einmal der damalige Bezirkshauptmann von Feldkirch ist erschüttert worden, noch weniger ist das Land Vorarlberg in Erschütterung geraten. Im Vorjahre sollte diese Feier wieder aufgenommen werden und bei dieser Feier, die als Anschlusskundgebung dienen sollte, war der Präsident des deutschen Reichstages Loebe eingeladen, die Rede zu halten. Und was geschah? Der Herr Landeshauptmann Otto Ender ließ sich eine Gewerbetreibendendeputation oder so etwas kommen, welche ihm sagte, die Bürger von Bregenz seien erregt, es könnte da zu etwas kommen, sie könnten für sich selbst nicht garantieren, worauf dann der Herr Landeshauptmann Ender diese Veranstaltung mit der Begründung verbot (Hört! Hört!): 1. Die Bevölkerung ist so aufgebracht, daß ein ruhiger Verlauf der beabsichtigten Demonstration nicht zu erwarten ist, und 2. die Behörde wäre aber nicht in der Lage, den Veranstaltern einen ruhigen und ungestörten Verlauf zu gewährleisten, also verbeitet er diese Veranstaltung. Was ist das alles gegen das, was in Wiener Neustadt vorliegt.

Renner erinnert weiters, im Vorjahr fand ein Arbeiterjugendtag in Kärnten, in Klagenfurt, statt. Der Landeshauptmann von Kärnten verbietet die Teilnahme des republikanischen Schutzbundes, weil die Bevölkerung zu erregt wäre. Weiters: Der Arbeiterradfahrerverein in Radkersburg veranstaltet ein Radfahrertreffen, er will am Abend einen Fackelzug machen. Die heimattreuen Heimwehrverbände marschieren auf und sagen, die heimattreue Bevölkerung würde durch den Fackelzug erregt werden. Der Fackelzug wird verboten. Leoben: Die Leobener Arbeiter wollen von Ernst Toller den Hinkemann aufführen lassen. Die Heimwehren kommen hin und sagen, die vaterlandstreue, die heimattreue Bevölkerung wäre erregt, es könnte zu Unruhen kommen. Die Aufführung wird verboten. Der Landeshauptmann von Vorarlberg verbietet sämtliche Freidenkerversammlungen, weil er sagt, bei dem Umstand, daß das ganze Volk katholisch ist, wäre die Erregung so groß, daß er die Versammlungen nicht beschützen könnte. Sie werden verboten.

Renner spricht zu Innsbruck, und das ist ja einer der markantesten Fälle, weil der Herr Steidle selbst als <Pionier des verfassungsmäßigen Rechtes auf die Straße> auftritt - soll aus Anlaß des Schattendorfer Urteils eine Protestkundgebung stattfinden. Sie ist schon bewilligt, ist schon organisiert. Dann wird auf denselben Tag und denselben Ort eine Gegenkundgebung des Herrn Steidle angekündigt, worauf der Landeshauptmann die sozialdemokratische Protestkundgebung verbietet, die zuerst agemeldet war.

Renner zu Puchberg (wohl Puchberg am Schneeberg) 1907: Vielleicht kann sich der eine oder andere Herr daran erinnern: als ich im Jahre 1907 das erstemal in Puchberg sprach, da geschah es unter großem körperlichem Risiko. Heute ist es selbstverständlich, daß die einen und die anderen nebeneinander reden.

Renner zum Bürgermeister von Wien in Tirol: