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Geschichte und Gesellschaftlicher Kontext

Schon Ende der 1940er-Jahre begann in den USA eine Jugend-Protestkultur, die das Underdog-Dasein, Freiheit von bürgerlicher Moral, Drogen und rastlose Mobilität zu ihren Idealen erhob. Diese Bewegung identifizierte sich zunächst nicht über die Musik, sondern über die Beat-Literatur von Autoren wie Jack Kerouac, Filme wie „The Wild One“ oder über Bücher wie „Catcher in the Rye“. Selbst der James-Dean-Film „…denn sie wissen nicht, was sie tun“ von 1955 hatte noch keinen musikalischen Rock ’n’ Roll-Bezug, obwohl er ansonsten schon alle Merkmale der Rock ’n’ Roll-Kultur enthielt. Als Musik dieser Bewegung diente zunächst, vor allem bei den Anhängern der Beat-Generation Anfang der 50er-Jahre, der schwarze Bebop-Jazz. Als die Protestbewegung sich weiter ausbreitete, wurde das (von den Eltern häufig verbotene) Hören von Rhythm and Blues populär, der Musik der afroamerikanischen Unterschicht, die weiter unten näher erklärt wird.

Andererseits wurde das jugendliche Massenpublikum auch durch Folk- und Bluesschallplatten im Funk auf den bevorstehenden Rock ’n’ Roll eingestimmt: Als Bill Haley 1954/55 sein „Rock Around the Clock“ anschlug, versetzte er damit die ganze USA wie einen ungeheuren Resonanzkörper in Schwingungen - das Land hatte gleichsam ein Jahrzehnt lang auf die Verschmelzung von Blues und Countrymusik gewartet. Diese neue Musik füllte somit ein gesellschaftliches Vakuum und gab einem vagen Lebensgefühl seine Ausdrucksmöglichkeit. Die überwiegend weißen Musiker legitimierten den Rock ’n’ Roll zunächst in der Sicht der amerikanischen Öffentlichkeit als neue Stilrichtung. Durch seine Verwandschaft zum Swing wurden die Harmonie- und Hörgewohnkeiten einer breiten Öffentlichkeit bedient.

Doch erst der Film „Saat der Gewalt“ von 1955, in dem es um Jugendkriminalität an Schulen ging, brachte mit dem zweimaligen Einsatz dieses genannten Haley-Songs weltweit den Durchbruch für diese Musikrichtung, die von da an auch vom Musik-Establishment als Rock ’n’ Roll bezeichnet wurde. Der explosionsartige Erfolg dieser Musik erklärt sich aus der schon länger vorhandenen Sehnsucht nach einer eigenen Jugendmusik, über die sich die Rebellion gegen die Elterngeneration ausdrücken ließ. Damit wurde die Musik des Rock ’n’ Roll gleichermaßen zum Ventil gesellschaftlicher Zwänge.

Auch die Musik wurde zunehmend wilder, lauter und agressiver. Die ab 1956 aufkommenden, neuen Stars des Rock ’n’ Roll, wie Little Richard, Jerry Lee Lewis oder der frühe Elvis Presley lösten mit Ihrer Musik starke Emotionen aus und brachen mit gesellschaftlichen Konventionen (Haarlänge, Frisur oder Provokation durch sexuelle Gesten). Dieses offen rebellische Verhalten führte dann auch umgehend zur offenen Kontroverse über die Rock 'n' Roll Kultur in den USA. In einer Gesellschaft, welche noch in der Denkweise der McCarty-Ära gefangen war, wurde der Mangel an Kontrolle als fundamentale, gesellschaftliche Bedrohung wahrgenommen. Zusätzlich wurde die USA erstmals von der damals erstarkenden Sowjetunion bedroht, welche als erste Supermacht über Interkontinentalraketen verfügte und mit Ihren Atomwaffen die USA erstmals auf Ihrem Heimaterritorium bedrohte. Diese für den durchschnittelichen Amerikaner erschreckenden Ereignisse verringerten die Toleranz für eine mögliche, neue Jugendkultur dramatisch. Zudem begann zeitgleich in der dadurch boomenden Musikindustrie ein rücksichtloser Kampf um Stars, Veröffentlichungen und Verkaufsquoten. Man schreckte hier immer weniger vor illegalen Handlungen zurück und brachte damit den Rock ’n’ Roll in der Sicht einer breiten Öffentlichkeit durch Skandale mit Kriminalität in Verbindung (Beispiel: Der Payola-Skandal). Der zunehmend in diesem Umfeld in Mode kommende Konsum von Drogen und die dann öffentlich kolportierten Verhaftungen taten ein Übriges (Johnny Cash, Ray Charles). Weitere Skandale, wie die heimliche Ehe des Jerry Lee Lewis mit seiner damals 13-jährigen Cousine erschütterten das Jahr 1958.

Der Druck einer entsetzten Öffenlichkeit, privaten, religiösen Organisationen (Moral Majority), sowie teilweise radikalem staatlichem Eingreifen begrenzte oder entfernte den Rock 'n' Roll zunächst aus den Medien und führte dann Ende der 50iger Jahre zu dessen allgemeiner Ächtung. In dessen Folge zogen sich Stars komplett aus dem Musikgeschäft zurück oder suchten nach einer Läuterung durch extrem angepasstes Verhalten den erneuten Zugang zu den Massen und kommerziellem Erfolg. So wandte sich Little Richard in der Überzeugung Rock 'n' Roll wäre vom Teufel gemacht dem Studium der Theologie zu. Auch meldete sich Elvis Presley zum Militärdienst, um seine gesellschaftliche Akzeptanz wiederherzustellen. Nach seiner Rückehr "geläutert", produzierte dieser nunmehr Schlager oder Liebeslieder mit Mainstream-Charakter. Eine Reihe von Todesfällen und auch der gleichzeitige Tod von Big Bopper, Buddy Holly und Richie Valens bei einem einzigen Flugzeugabsturz im Jahr 1959 leiteten den auch den Tod des rebellischen Rock 'n' Roll ein.

Da das gesellschaftliche Moment und die Suche einer immer aufgeklärter und selbstbewusster werdenden Jugend schwelte jedoch weiter. Die Wiederauferstehung des Rock 'n' Roll und seiner rebellischen Momente wird dann der Anfang der 60iger Jahre in England entstehenden Beatmusik zugeschrieben.

Der Rock ’n’ Roll war zu seiner Zeit nie ein homogener Stil, sondern ist ein Sammelbegriff verschiedener, ähnlicher Musikarten gewesen. Die Musikszene in den USA war darüberhinaus ebenfalls stark regionalisiert. Dies hauptsächlich, weil das dominierende Massenmedium Rundfunk vorwiegend aus lokalen Stationen bestand. Auch die Plattenindustrie war regional organisiert, die ethnischen Subkulturen hatten ihre geografischen Nischen mit eigenen musikalischen Traditionen, und in den Südstaaten herrschte strenge Rassentrennung. So etablierten sich, je nach Gesellschaftsschicht, Ethnik und geografischer Region, unterschiedliche Musikstile, die alle unter Rock ’n’ Roll einzuordnen sind, weil sie zwei Gemeinsamkeiten vereint: Sie sind Ausdruck von gesellschaftlicher Rebellion und sie wurzeln im Rhythm and Blues.