Benutzer:Beautow II.
Babel: | ||
---|---|---|
| ||
| ||
| ||
| ||
| ||
Benutzer nach Sprache |
Meine ultimative Wanderempfehlung für Jung und Alt ist:
Der Hangarder Brunnenpfad
Äußerlich ein touristischer Premiumwanderweg im Saarland, ist der nach sinen sieben Brunnen benannte Pfad eigentlich eine spirituelle Reise, vergleichbar dem Jakobsweg und den Pilgerfahrten nach Mekka oder Jerusalem. Wirklich? Soll ein deutscher Waldweg, der in Hangard (Neunkirchen) seinen Ausgang nimmt, einem weitgehend unbekannten Dorf mit knapp 2000 Einwohnern, tatsächlich mit den großen klassischen Pilgerfahrten vergleichbar sein?
"Pilgern" meint, sich zu Orten zu begeben, die eine intensive Erfahrung solcher Wirklichkeiten erlauben, die unser nüchternes Leben übersteigen. Ein solches Wandern zu bedeutsamen Plätzen kennt jede Weltreligion. Aber auch viele moderne Menschen, die sich ohne Bindung an dogmatische Bekenntnisse und Amtskirchen "auf den Weg" machen, sind Pilger, vielleicht in tieferem Sinn als jene, die vorgezeichneten Wegen machtbewusster Institutionen folgen. Durch die ursprüngliche Erfahrung, dass sich auf bestimmten Pfaden und an gewissen Plätzen besondere Einsichten und Erfahrungen gewinnen lassen, kam das Phänomen der Pilgerreise schon in prähistorischer Zeit auf. Der Begriff des Pilgerns leitet sich vom lateinischen Wort pergere oder per agere her, was sich mit „jenseits des Ackers“ übersetzen lässt. Der Pilger verlässt also die vertraute Umgebung, um sich für Neues zu öffnen. In diesem Sinne soll man den Hangarder Brunnenpfad beschreiten!
Die Überlieferungen der sieben Brunnen im heutigen Saar-Pfalz-Kreis gehen weit ins Altertum zurück. Drei von ihnen wurden 1564 von Tilemann Stella erwähnt, nämlich der Frankenborn (Frankenbrunnen), der Kilierborn (Hollerbrunnen) und der Lichtenborn (heute Bruderbrunnen). Die anderen vier Brunnen sind gleichfalls uralt und sagenumwoben, doch kamen zum Anfang des 20. Jahrhunderts in ihrer heutigen Form, wobei manches Alte leider vernichtet wurden. Die sieben Brunnen wurden in neuerer Zeit insgeheim und oft nur bei Nacht von Menschen aus der Ferne besucht, die durch ihre Studien von den alten Überlieferungen wussten. Doch 2008 besannen sich auch wieder Menschen in Hangard auf ihre ehrwürdigen Quellen. Die Brunnen, damals teilweise in desolatem Zustand, wurden in jenem Jahr liebevoll restauriert. Neben wissenden Pilgern zieht der Weg seither auch "normale" Wanderer an.
Der Brunnenpfad, der größtenteils durch schattigen Mischwald führt, ist etwa 15 Kilometer lang. Auf meist schmalen Pfaden auf geht es über den weichen Boden des Waldes. Eine mittlere bis gute Kondition beim Wandern ist hilfreich, denn schließlich gilt es nahezu 500 Höhenmeter zu meistern. Plane etwa fünf Stunden für diese Pilgerfahrt ein! Viele tiefe Erkenntnis wünsche ich Euch beim beim Erwandern dieses Rundwegs!
Der Dorfbrunnen in Hangard (Neunkirchen) ist Start- und Zielpunkt des Weges. Man beginnt also seinen Weg im Dorf, das sinnbildlich für die kleine und überschaubare Welt der normalen Menschen steht. Genau diese Enge will der Pilger verlassen, um weit zu sehen.
Zuerst schreitet er vom Dorfbrunnen den Berg hinan bis zum Sportplatz. Dass es zunächst aufwärts geht ist wichtig. Es soll bewusst machen, dass der ganze Pilgerweg höher und weiter führt, auch wenn es zeitweilig wieder in Niederungen zu gehen scheint. Vom Sportplatz geht man weiter über einen schmalen Pfad am Ortsrand entlang. Dann folgt der Wanderer dem Verlauf des Tales der Oster bachaufwärts. Nach zirka zweitausend Metern erreicht man auf den zweiten Brunnen, der den Namen Kameradschaftsbrunnen trägt. Der Begriff Kameradschaft, erinnert manche zwar an finstere soldatische Zeiten im Schützengraben. Doch ist der ursprüngliche Sinn ein ganz anderer! Das italienische Wort Camerata, von dem sich unser "Kameradschaft" ableitet, bedeutet „Kammergemeinschaft“ und verweist auf das harmonische Miteinander von Menschen. Und Pilgerschaft hat unmittelbar mit einer Harmonie mit anderen zu tun! Gepilgert wird oft in Gruppen. Aber auch wer ohne Begleitung geht, ist letztlich nicht allein, sondern gehört zur Gemeinschaft derer, die den Weg gingen, gehen und gehen werden.
Nach kurzem Abstieg erreicht man wieder das Tal der Oster (Blies). Heisst dieses Gewässer nach der Göttin Ostara, von der Jacob Grimm einst schrieb: „Ostara, Eástre mag also Gottheit des strahlenden Morgens, des aufsteigenden Lichts gewesen sein, eine freudige, heilbringende Erscheinung, deren Begriff für das Auferstehungsfest des christlichen Gottes verwandt werden konnte.“ Hier im Tale der Oster biegt der Weg, was sprachlich passt, nach Osten ins Tal des Lautenbachs ab und nun eine Weile identisch mit dem Mühlenpfad (Ottweiler). Nach weiteren tausend Metern erreicht man den dritten Brunnen, die Ebertsquelle. Rätselfrage: Heisst die Quelle nach Heinrich Eberts (Förster) oder dem Kupferstecher Johann Heinrich Eberts oder keinem von beiden? Hat der Name am Ende gar mit dem "goldenen Eber von Hangard" zu tun, über den man hier hinter vorgehaltener Hand von alten Einheimischen viele Geschichten zu hören bekommt? (Richtige Antworten behalte man für sich und gebe sie erst preis, wenn man am siebten Brunnen von einer Fee danach gefragt wird. Das soll bei jedem 777. Wanderer der Fall sein, der dann bei zutreffender Antwort einen Wunsch frei hat).
Nun folgt der Weg einem Seitental des Lautenbachs, um über Streuobstwiesen an den Ortsrand des Neunkircher Stadtteils Münchwies zu führen. Es geht rechts bergab. Man quert das Tal und gelangt im Wald bergan zur Schutzhütte Heiligenwiese. Dieser Platz erlaubt einen eindrucksvollen Blick auf Münchwies. Der Name dieses Orts (Munniches Wiese = Wiese der Mönche) hängt mit dem einstigen Kloster Wörschweiler zusammen, das hier einen Hof besaß.
Im Wald zurück erreicht man nach tausend Metern den so genannten Steinernen Mann. Bei diesem handelt es sich um das Überbleibsel eines römischen Viergöttersteins, einer allseitig mit Göttern verzierte Basis einer Jupitergigantensäule. Auf den Seiten trug der Stein Bilder von vier Göttern, oft Juno, Mercurius, Minerva und Hercules. Wer es wagt, den Hangarder Brunnenpfad in einer Vollmondnacht zu gehen, wie ich es bisweilen unternehme, trifft hier am Stein auf Anhänger des saarländischen Neopaganismus, die im verborgenen ihre Rituale feiern.
Vom alten Viergötterstein wandert man weiter zum Frankenbrunnen. Hier mag man sich an die Franken erinnern, was „die Mutigen, Kühnen“ bedeutet, einen der germanischen Großstämme, die wesentlich zu unserer Geschichte beitrugen. Nach einer Gedenkminute für den berühmtesten aller Franken, Karl den Großen, womit wir schon ein Licht voraus auf den nächsten Brunnen werfen, folgt man dem Lauf des Bexbaches.
Nach einiger Zeit erreicht der wackere Wanderer nun den Karlsbrunnen. Dieser trägt nicht umsonst denselben Namen wie der Karlsbrunnen (Aachen). Von beiden Brunnen weiß die Legende, dass Karl der Große sich hier erfrischt hat. Wenig später gelangt man zur Steinberghütte. Mein Tipp: Wer am Wochenende wandert, trifft in der Hütte auf die emsigen Helfer vom Pfälzerwaldverein, die köstliche Stärkungen bereithalten. Nach Speis und Trank fällt das Weitergehen leichter, wenn man nicht zu viele Viertel pfälzischen oder saarländischen Weines in sich hineinschüttete.
Im Wald verbleibend erreicht man nach kurzer Zeit den Hollerbrunnen. "Holler" bedeutet eigentlich "Holunder", was anzeigt, dass wir wieder an einem geweihten Ort sind. Die nordische Mythologie der alten Germanen ging davon aus, dass die Göttin Freya, die über Haus und Hof der Menschen wacht, in Holunderbüschen wohnt. Auch Holla, die Göttin der Quellen und Brunnen, die im Märchen in der Gestalt von Frau Holle weiterlebt, rief man unter Hollerbüschen, um von ihr die Fruchtbarkeit für Äcker und Felder zu erflehen. Noch heute können alte Bauern in der Gegend an der Blüte des Holunderbuschs ablesen, wie die Ernte des Jahres ausfallen wird.
Vom heiligen Hollerbrunnen führt der Weg beschützt durch Holla steil bergan. Man erreicht eine Lichtung, an der man auf den dort befindlichen Bänken eine weite Aussicht hat. Dann folgt ein Pfad einer alten Römerstraße, bis man den siebten und damit letzten Brunnen des Weges erreicht, den Bruderbrunnen. Die Sage erzählt, dass hier drei Brüder zu römischer Zeit den Schwur leisteten, sich nie dem Christentum zu unterwerfen, sondern stets den alten Göttern treu zu bleiben. Als die Brüder ihren Schwur geleistet hatten, erschien ein helles Licht in der ganzen Umgebung, weshalb man den Bruderbrunnen früher auch Lichtenborn nannte. Einer der drei Brüder wurde schwach und ließ sich taufen. Von ihm heißt es, dass man ihn bei Neumond in der Umgebung des Bruderbrunnens irren sieht und seufzen hört.
Vom Bruderbrunnen geht es etwa 800 Meter bergan zum Lichtenkopf, der mit 409 Metern der höchste Punkt dieser Pilgerschaft darstellt. Wie tief die Symbolik des Namens! Ein lichter oder erleuchteter Kopf, ein klarer Geist, neue Erkenntnisse: das Ziel allen Pilgerns. Und tatsächlich wird die Sicht auch äußerlich weit: Vom Lichtenkopf darf man weit ins einstige Stahl- und Kohlerevier des Saarlandes blicken.
Vom Lichtenkopf aus geht es durch drei kleine Steinbrüche an einem historischen preussisch-bayrischen Grenzstein vorbei zum Kaninchenfels. Über den Schluchtenpfad erreicht man den Zimmermannsfels, der aus Holzer Konglomerat besteht. Wenige Meter später erreicht man die Oster und über einen schmalen Uferpfad geht es zur Dietzlochquelle. Kurze Zeit später kommt man wieder ins Dorf Hangard, wo man den Dorfbrunnen erreicht, an dem die Pilgerfahrt begann. Am selben Ort angekommen, ist man selbst durch die Reise ein anderer. Versuche es sobald wie möglich!