Benutzer:Bernd Schwabe in Hannover/Brahms-Haus am Papenstieg

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Das Brahms-Haus[1] in der Südstadt von Hannover[2] war eine in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtete Villa unter der - damaligen - Adresse Papenstieg 4.[3] Dort nahm in den 1850ern Jahren der anfangs noch unbekannte Musiker Johannes Brahms seinen Wohnsitz. Eine in den Boden eingelassene Gedenktafel erinnert an der Komponisten und dessen Freundschaft mit dem königlich hannoverschen Konzertmeister Joseph Joachim.[1]

Geschichte

Der Brahms-Biograph Max Kalbeck beschrieb das im Neuägyptischen Stil errichtete Haus wie folgt: „Vor dem Egidientore standen, zwischen Obstgärten und Äckern verloren, einzelne Häuser, die einmal für Günstlinge oder Favoritinnen des Fürstenhauses und -hofes gebaut worden waren. Das einstöckige, vier Fenster breite Häuschen am Papenstieg Nr. 4 versteckte sich förmlich hinter den Zweigen der alten Apfel- und Nußbäume, so daß man es von der Stadt aus kaum sah.“ Das mit aufwendigem Putz verkleidete Haus war demnach ursprünglich „von vornehmen Herren der empfindsamen Restaurationszeit einer Mondgöttin oder Priesterin der Isis“ in Anlehnung eines ägyptisch anmutenden Tempels errichtet worden.[3]

1853 ging der erst 19 Jahre alte Johannes Brahms gemeinsam mit dem ungarischen Violonisten Eduard Reményi zu Fuß „in das hannöversche Ausland“ auf seine erste Konzertreise. Nach Auftritten am 20. und 21. April des Jahres in Winsen (Luhe) besuchten die beiden von Celle aus noch vor dem 2. Mai[4] den in der Prinzenstraße der Residenzstadt Hannover wohnenden Konzertmeister Joseph Joachim,[5] mit dem Reményi zuvor in Wien gemeinsam studiert hatte.[4]

Dort spielte der nach Joseph Joachims Erinnerungen „fast schüchtern aussehende blonde Begleiter“ von Joachims Studienkollegen[4] einige Sätze der später als „Opus 1 Joachim“ gewidmeten Klaviersonate C-Dur sowie das „Scherzo in es-moll op. 4“.[1] Der Musikwissenschaftler Andreas Moser schilderte später, das Joseph Joachim „ganz starr über das Gehörte ... [war und] ... sich vor Erstaunen gar nicht fassen [konnte], daß ein ganz unbekannter junger Mensch schon so fertige Sachen mit sich herumtrüge.“ Als Brahms seine Abschiedsvisite bei Joseph Joachim machte, lud ihn der hannoversche Konzertmeister auf seinen Sommersitz in Göttingen ein, von wo aus Joachim seine Einladung per Brief wiederholte mit der Einleitung: „Mein geliebter Johannes!“ und dem Vorschlag eines Vorspiels bei dem Göttinger Musikdirektor Arnold Wehner.[4]

Nun wanderten wanderten Brahms und Reményi nach Konzerten in Lüneburg, Celle und Hildesheim Anfang Juni 1853 nach Göttingen zu Joachim. Josef Joachim verschaffte beiden ungleichen Musikern sofort eine Einladung bei König Georg. V. und der Hofgesellschaft in Hannover verschaffte, wo Brahms und Reményi am 8. Juni des Jahres ihr Debüt gaben und Brahms Scherzo für Klavier in es-moll zur Uraufführung kam.[4]

Da Reményi jedoch der Bruder eines während der Revolutionen 1848/1849 tätigsten ungarischen Revolutionäre war, standen die Namen der beiden wandernden Musiker im „Schwarzen Buche“. So ließ der hannoversche Polizeipräsident Karl Wermuth Reményi verhören, verbot ihm und seinem Begleiter Brahms den weiteren Aufenthalt in Hannover und verwies die beiden des Landes auf einer vorgeschriebenen Route Richtung Bückeburg im Fürstentum Schaumburg-Lippe. Erst eine Intervention des hannoverschen Hofpianisten Heinrich Ehrlich konnte eine Änderung der Polizeibefehle erwirken; durch eine Empfehlung Joseph Joachims konnten Brahms und Reményi schließlich nach Weimar zu Franz Liszt reisen.[4]

Nach einer erneuten Einladung von Brahms durch Joseph Joachim nach Göttingen, wo Brahms Hoffmann von Fallersleben kennenlernte und seine „Hymne zur Verherrlichung des großen Joachim“ komponierte, besuchte Brahms auf Empfehlung von Joachim während einer Reise zu Fuß durch das Rheinland Robert und Clara Schumann in Düsseldorf, wo als Gemeinschaftsproduktion die F.A.E.-Sonate für Joseph Joachim entstand. Bald darauf reiste Brahms zurück nach Hannover, wo sich der Jugendliche auf Anraten und Vermittlung durch Joseph Joachim am 5. November 1853 bei Louise Hencke eine Wohnung im Haus Papenstieg 4 mietete.[4] Brahms Biograph Max Kalbeck schrieb dazu:

„Er wollte sich für den Winter in Hannover recht gemütlich einrichten, und da er, dank seines Verlagshonorars, auf dem Wege war, ein Kapitalist zu werden, so konnte er sich den Luxus eines eigenen Stübchens schon vergönnen.[3]



Als der Komponist der f-moll-Sonate dort einzog, diente das seiner Herrlichkeit entkleidete Haus längst nützlicheren Zwecken.“[3]

Einzelnachweise

  1. a b c Horst Alteneder: Das Leben und Wirken von Johannes Brahms vor dem politischen Hintergrund seines Jahrhunderts, Diplomarbeit vom April 2008 zur Erlangung des Magisters der Philosophie an der Universität Wien; als PDF-Dokument auf der Seite der Universität
  2. Helmut Zimmermann: Papenstieg, in ders.: Die Straßennamen der Landeshauptstadt Hannover. Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1992, ISBN 3-7752-6120-6, S. 192
  3. a b c d Max Kalbeck: Johannes Brahms, Band 1: Sein Lebensgang von Jahre 1833-1862, Wiener Verlag: Wien [u.a.] 1903, S. 141; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  4. a b c d e f g Elfriede Voigt-Deutsch: „... ärgerte mich der Trägheit, die mich abhielt, nach Hannover hinüber zu fahren ...“ – Johannes Brahms, Joseph Joachim und Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge Band 52 (1998), S. 297–328, v.a.S. 297ff.
  5. Helmut Zimmermann: Joachim-Gedenktafel, in ders.: Hannover in der Tasche. Bauten und Denkmäler von A bis Z. 2. Auflage. Feesche, Hannover 1988, ISBN 3-87223-046-8, S. 38