Benutzer:BishkekRocks/Dravidische Sprachen

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Dravidische Sprachen

Ursprung und Sprachgeschichte

Verbreitung

Klassifikation

Phonologie

Typologie

Morphologie

Nomen

Numerus und Genus

Die dravidischen Sprachen kennen zwei Numeri, Singular und Plural. Der Singular ist unmarkiert, der Plural wird durch ein Suffix ausgedrückt. Als Pluralsuffixe kommen *-(n)k(k)a (vgl. Kui kōḍi-ŋga „Kühe“, Brahui bā-k „Münder“), *-ḷ (vgl. Telugu goḍugu-lu „Regenschirme“, Ollari ki-l „Hände“) und die Kombination dieser beiden *-(n)k(k)aḷ (vgl. Tamil maraṅ-kaḷ „Bäume“, Kannada mane-gaḷ „Häuser“) vor.[1]

In Hinblick auf das Genus weisen die dravidischen Einzelsprachen unterschiedliche Systeme auf. Gemeinsam ist ihnen, dass das grammatikalische Geschlecht (Genus) stets dem natürlichen Geschlecht (Sexus) des Wortes enspricht. Neben einzelnen Sonderentwicklungen gibt es drei Haupttypen, bei denen die Kategorien „männlich“ bzw. „nicht-männlich“ sowie „menschlich“ und „nicht-menschlich“ eine zentrale Rolle spielen:

  1. Die süddravidischen Sprachen unterscheiden im Singular zwischen Maskulinum (menschlich, männlich), Femininum (menschlich, nicht-männlich) und Neutrum (nicht-menschlich), im Plural nur zwischen Epicönum (menschlich) und Neutrum (nicht-menschlich).
  2. Die zentraldravidischen und viele süd-zentral-dravidische Sprachen unterscheiden im Singular wie im Plural nur zwischen Maskulinum und Nicht-Maskulinum.
  3. Telugu und die norddravidischen Sprachen unterscheiden im Singular zwischen Maskulinum und Nicht-Maskulinum, im Plural dagegen zwischen Epicönum und Neutrum.

Es herrscht keine Einigkeit darüber, welcher dieser drei Typen der ursprüngliche ist.[2] Als Beispiel für die verschiedenen Typen von Genussystemen sind die Demonstrativpronomina der drei Sprachen Tamil (süddravidisch, Typ 1), Kolami (zentraldravidisch, Typ 2) und Telugu (süd-zentral-dravidisch, Typ 3) aufgeführt:

m. Sg. f. Sg. n. Sg. m. Pl. f. Pl. n. Pl.
Tamil avaṉ avaḷ atu avarkaḷ avai
Kolami am ad avr adav
Telugu vāḍu adi vāru avi

Das Genus ist nicht bei allen Nomina explizit markiert. So ist im Telugu anna „älterer Bruder“ maskulin und amma „Mutter“ nicht-maskulin, ohne das dies aus der reinen Form des Wortes ersichtlich wird. Viele Nomina sind aber mit bestimmten Suffixen gebildet, die Genus und Numerus ausdrücken. Für das Protodravidische lassen sich die Suffixe *-an bzw. *-anṯ für den Singular Maskulinum (vgl. Tamil mak-aṉ „Sohn“, Telugu tammu-ṇḍu „jüngerer Bruder“), *-aḷ und *-i für den Singular Femininum (vgl. Kannada mag-aḷ „Tochter“, Malto maq-i „Mädchen“) sowie *-ar für den Plural Maskulinum bzw. Epicönum (vgl. Malayalam iru-var „zwei Personen“, Kurukh āl-ar „Männer“) rekonstruieren.[3]

Kasus

Die dravidischen Sprachen drücken Kasusbeziehungen durch Suffixe aus. Die Anzahl der Kasus variiert in den Einzelsprachen zwischen vier (Telugu) und elf (Brahui). Allerdings lässt sich oft nur schwer eine Grenze zwischen Kasussuffixen und Postpositionen ziehen.[4]

Der Nominativ ist stets die unmarkierte Grundform des Wortes. Die anderen Kasus werden gebildet, indem an einen Obliquusstamms Suffixe angefügt werden. Der Obliquus kann entweder identisch mit dem Nominativ sein oder durch bestimmte Suffixe gebildet werden (z. B. Tamil maram „Baum“: Obliquus mara-ttu). Für das Protodravidische lassen sich mehrere Obliquussuffixe rekonstruieren, die aus den minimalen Bestandteilen *-i-, *-a-, *-n- und *-tt- zusammengesetzt sind.[5] In vielen Sprachen ist der Obliquus identisch mit dem Genitiv.

Proto-dravidische Kasussuffixe lassens sich für die drei Kasus Akkusativ, Dativ und Genitiv rekonstruieren. Andere Kasussuffixe kommen jeweils nur in einzelnen Zweigen des Dravidischen vor.[6]

  • Akkusativ: *-ay (Tamil yāṉaiy-ai „den Elefanten“, Malayalam avan-e „ihn“, Brahui dā shar-e „dieses Dorf (Akk.)“); *-Vn (Telugu bhārya-nu „die Ehefrau (Akk.)“, Gondi kōndat-ūn „den Ochsen“, Ollari ḍurka-n „den Panther“)
  • Dativ: *-(n)k(k)- (Tamil uṅkaḷ-ukku „euch“ Telugu pani-ki „für die Arbeit“, Kolami ella-ŋ „zum Haus“)
  • Genitiv: -*a/ā (Kannada avar-ā „sein“, Gondi kallē-n-ā „des Diebes“, Brahui xarās-t-ā „des Bullen“); *-in (Tamil aracan-iṉ „des Königs“, Toda ok-n „der älteren Schwester“, Ollari sēpal-in „des Mädchens“)

Pronomina

Personalpronomina kommen in der 1. und 2. Person vor. In der 1. Person Plural gibt es eine inklusive und exklusive Form, d. h. es wird unterschieden, ob der Angesprochene mit einbezogen ist. Außerdem gibt es ein Reflexivpronomen, das sich auf das Subjekt des Satzes bezieht und in seiner Bildungsweise den Personalpronomina entspricht. Die für das Protodravidische rekonstruierten Personal- und Reflexivpronomina sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt. Daneben gibt es in einigen Sprachen Sonderentwicklungen: Die süd- und süd-zentral-dravidischen Sprachen haben den *ñ-Anlaut der 1. Person Plural inklusiv auch auf die 1. Person Singular übertragen (vgl. Malayalam ñān, aber Obliquus en < *yan). Die Unterschiede zwischen den Formen für das inklusive und exklusive Wir sind teilweise verschwommen, das Kannada hat diese Unterscheidung gänzlich aufgegeben. Die Sprachen der Tamil-Kodagu-Gruppe haben ein neues exklusives Wir durch Anfügung des Pluralsuffixes gebildet (vgl. Tamil nām „wir (inkl.)“, nāṅ-kaḷ „wir (exkl.)“).[7]

Nom. Obl. Bedeutung
1. Sg. *yān *yan ich
1. Pl. exkl. *yām *yam wir (exkl.)
1. Pl. inkl. *ñām *ñam wir (inkl.)
2. Sg. *nīn *nin du
2. Pl *nīm *nim ihr
Refl. Sg. *tān *tan (er/sie/es) selbst
Refl. Pl. *tām *tam (sie) selbst

Die Demonstrativpronomina dienen zugleich als Personalpronomina der 3. Person. Sie bestehen aus einem Anfangsvokal, der die Deixis ausdrückt, und einem Suffix, das Numerus und Genus ausdrückt. Bei der Deixis werden drei Stufen unterschieden: Die Ferndeixis wird mit dem Anfangsvokal *a-, die mittlere Deixis mit *u- und die Nahdeixis mit *i- gebildet. Dieselben deiktischen Elemente kommen auch bei Lokal- („hier“, „dort“) und Temporaladverbien („jetzt“, „dann“) vor. Die ursprüngliche dreifache Unterscheidung der Deixis (z. B. Kota avn „er, jener“, ūn „er, dieser da“, ivn „er, dieser hier“) ist nur in wenigen heute gesprochenen Sprachen erhalten geblieben. Interrogativpronomina werden analog zu den Demonstrativpronomina gebildet und sind durch die Anfangssilbe *ya- gekennzeichnet (z. B. Kota evn „welcher“).[8]

Zahlwörter

Für die Grundzahlen bis „hundert“ lassen sich gemeindravidische Wurzeln rekonstruieren. Ein einheimisches Zahlwort für „tausend“ hat nur Telugu (vēyi). Die übrigen dravidischen Sprachen haben ihr Zahlwort für „tausend“ aus dem Indoarischen entlehnt (Tamil, Malayalam āyiram, Kannada sāvira, Kota cāvrm < Prakrit *sāsira < Sanskrit sahasra). Aus dem Sanskrit stammen auch die Zahlwörter für „hunderttausend“ und „zehn Millionen“, die sich in den dravidischen Sprachen wie in den übrigen Sprachen Südasiens finden (vgl. Lakh und Crore). Viele der dravidischen Stammessprachen Zentral- und Nordindiens haben in großem Umfang Zahlwörter aus den benachbarten nicht-dravidischen Sprachen übernommen, so sind z. B. im Malto nur „eins“ und „zwei“ dravidischen Ursprungs.

Die dravidischen Zahlwörter folgen dem Dezimalsystem, d. h. zusammengesetzte Zahlen werden als Vielfache von 10 gebildet (z. B. Telugu ira-vay okaṭi (2×10 + 1) „einundzwanzig“). Eine Besonderheit der süddravidischen Sprachen ist, dass die Zahlwörter für 9, 90 und 900 von der jeweils nächsthöheren Einheit abgeleitet werden. So lassen sich im Tamil oṉ-patu „neun“ als „eins weniger als zehn“ und toṇ-ṇūṟu „neunzig“ als „neun (Zehntel) von hundert“ analysieren. Kurukh und Malto haben unter dem Einfluss benachbarter Munda-Sprachen ein Vigesimalsystem mit 20 als Basis entwickelt (z. B. Malto kōṛi-ond ēke (20×1 + 1) „einundzwanzig“).[9]

Zahl Protodravidisch Tamil Malayalam Kannada Telugu
1 *onṯu oṉṟu onnu ondu okaṭi
2 *iraṇṭu iraṇṭu raṇṭu eraḍu reṇḍu
3 *mūnṯu mūṉṟu mūnnu mūru mūḍu
4 *nālnk(k)V nāṉku nālu nālku nālugu
5 *caymtu aintu añcu aitu aidu
6 *cāṯu āṟu āṟu āru āru
7 *ēẓ/*eẓV ēẓu ēẓu ēḷu ēḍḍu
8 *eṇṭṭu eṭṭu eṭṭu eṇṭu enimidi
9 *toḷ/*toṇ oṉpatu onpatu ombattu tommidi
10 *pahtu pattu pattu hattu padi
100 *nūṯ nūṟu nūṟu nūru nūru

Verben

Verbalstämme

Tempus

Das Protodravidische kannte zwei Tempora, Vergangenheit und Nicht-Vergangenheit. Letztere drückt gegenwärtige (Präsens), zukünftige (Futur) oder habituelle Vorgänge aus. Einige Sprachen haben zusätzlich ein eigenständiges Präsens entwickelt.

Konjugation

Infinite Verbformen

Zusammengesetzte Verbformen

Indeklinable

Syntax

Einfache Sätze

Die Satzstellung in den dravidischen Sprachen ist Subjekt-Objekt-Verb (SOV). Wie es für SOV-Sprachen typisch ist, setzen die dravidischen Sprachen bestimmende Elemente stets vor die bestimmten (d. h. Attribute gehen ihren Bezugswörtern und Nebensätze Hauptsätzen voran), benutzen Postpositionen statt Präpositionen und setzen Hilfsverben hinter das Hauptverb. Beispiele mit Interlinearübersetzung:

Kannada:
Subjekt Objekt Verb
Rāma chatri biṭṭubiṭṭa.
Rama Regenschirm vergaß.
„Rama vergaß den Regenschirm.“
Tamil:
Attribut Bezugswort Postposition
appāvuṭaiya vīṭṭukku muṉṉāl
Vaters Haus (Dat.) vor
„vor dem Haus des Vaters“
Telugu:
Nebensatz Hauptsatz
pulini campina maniṣi
den Tiger getötet habend Person
„die Person, die den Tiger getötet hat“

Zusammengesetzte Sätze

Wortschatz

Schriften

Forschungsgeschichte

Beziehungen zu anderen Sprachen

Einzelnachweise

  1. Krishnamurti 2003, S. 213–215.
  2. Krishnamurti 2003, S. 205–212.
  3. Krishnamurti 2003, S. 215–217.
  4. Zur Problematik der Kasus am Beispiel des Tamil siehe Harold F. Schiffman: The Tamil Case System. In: Jean-Luc Chevillard (Hrsg.): South-Indian Horizons: Felicitation Volume for François Gros on the occasion of his 70th birthday. Publications du Département d’Indologie 94. Pondichéry: Institut Français de Pondichéry, 2004. S. 301–313.
  5. Krishnamurti 2003, S. 217–227.
  6. Krishnamurti 2003, S. 227–239.
  7. Krishnamurti 2003, S. 244–253.
  8. Krishnamurti 2003, S. 253–258.
  9. Krishnamurti 2003, S. 258–266.