Benutzer:Cantakukuruz/Sprachverwilderung

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Sprachverwilderung

die sich in Orthographie (insbesondere der neuen Falschschreibung) und Grammatik breitgemacht hat, seit eine gewisse Lehrergeneration behauptet hat, Rechtschreibung sei unnötiges, ja sogar schädliches „Herrschaftswissen“.

In der Kommasetzung gibt Inklusionisten und Exklusionisten. Die ersten streuen mit der Gießkanne überall, an zufallsgenerierten Stellen, Beistriche über den Text und glauben fest daran, daß das schon irgendwer korrigieren wird. Die zweiten halten Kommata für eine ansteckende Krankheit und vermeiden sie daher grundsätzlich.

  • Der richtige Casus der Deklination im Deutschen ist ein Casus absolutus (lat.: ein absoluter Zufall): z. B. „Rettet dem Dativ!“, und verzichtet nicht des Genitivs, „meines Wissen nach“! oder: „Trotz des Widerstands“, also „trotzdessen“, und „dank des Eingreifens himmlicher Mächte“, also „Gottesseidank“ klingt deutsch, ist es aber nicht.
  • „unverzichtbar“ ist durchaus nicht unentbehrlich, gewinnt aber gegenüber diesem und „unabdingbar“ an Boden.
  • Pleonasmen: die „andere Alternative“, als ob Alternative allein nicht schon die andere Möglichkeit bedeutete.
  • Grammatikalisch oder phonetisch verkorkste Sätze. (Beispiel: „der von der mit der die Mehrheit innehabenden Partei unzufriedenen Menge geäußerte lautstarke Protest...“)
  • „Technologie“ - ein Anglizismus - wird von vielen verwendet, wenn sie Technik meinen, übersehen dabei aber, daß sie dann kein Wort mehr für die Wissenschaft von der Technik haben. Der Unterschied zwischen Technik und Technologie ist der Unterschied zwischen der Sach- und der Metaebene, wie zwischen Physis und Physiologie oder zwischen psychisch und psychologisch.
  • Falsche Metaphern. Beispiel einer epidemischen (neudeutsch: „viralen“) Redewendung: „Der Terrorist lieferte sich eine Schießerei mit der Polizei“. Wer so schreibt oder spricht, hat einen Unterschied („des Unterschieds“) vergessen: zwischen dem Reflexivpronomen sich und dem Pronomen einander. Die Gegner liefern (wenn sie schon liefern) einander ein Gefecht. Daraus wurde von minderkompetenten Sprechern gemacht: Die Gegner liefern sich ein Gefecht. Und von da an gibt es kein Halten mehr, auch im Singular. Jeder liefert sich ein Gefecht, na klar, sich selber - aber wo tun wir dann den Gegner hin? Den hängen wir mit „mit“ hintendran. Also die Soldaten lieferten sich ein Gefecht - mit der Gegenseite. Dagegen geht es unter zivilisierten Leuten friedlicher zu: Die Bekannten begrüßen sich. Das heißt: Ich begrüße mich, und er begrüßt sich, so begrüßt jeder sich. Als man noch gut erzogen war, sind Leute einander begegnet und haben einander gegrüßt. Jetzt begegnet man sich selber, redet aber noch immer miteinander.

Ich kann es nicht mehr hören, daß Schlachten und Schießereien geliefert werden, als kämen sie vom Amazonversand, daß Verletzte grundsätzlich eine Reduktion des spezifischen Gewichts erleiden und deswegen oftmals schweben, nämlich in Lebensgefahr, wie die Todesgefahr heutzutage heißt, daß Politiker nie etwas annehmen, sondern zwar immer von etwas ausgehen, aber nirgendwohin gelangen, und daß Opfer, ohne daß ein Gericht das festgestellt hat, immer unschuldig sind. Wahrscheinlich, weil die Unschuldsvermutung gilt, wie unsägliche Boulevardblätter unfehlbar am Ende eines Artikels anzumerken pflegen, nachdem sie das Delikt beschrieben und den Delinquenten (falsch, man muß gendern: den oder die Delinquierende*n) in die Pfanne gehauen haben, die in solchen Fällen stets bereitsteht.

  • Besonders algerisch bin ich, darin einig mit einer Wikipedianer-Minderheit, gegen den leider verbreiteten Deppen Abstand, der von manchen Wikipedia Mitarbeitern an gewandt wird, gegen den Deppen's Apostroph (Meier's Wasser Häuschen) und gegen die Binde-Strich-Krankheit, die nicht immer eine Heilung der Deppen Ab Stände bedeutet. Algerisch bin ich außerdem gegen jene, die ein mangelndes Sprachgefühl mit dem Hinweis auf den Duden (der keineswegs immer recht hat) glauben kompensieren zu können. Und schließlich gegen jene, in deren Ohr ein besonderes Organ, der Labyrinthus ironicus, verstopft ist, weswegen sie mich darauf aufmerksam machen, daß es nicht „algerisch“ heißt.
  • Nicht nur der richtige Casus, auch das richtige Genus ist, nicht zuletzt dank den Diskussionen um das „Gendering“, optional geworden. Architekten schreiben von den Kuben. Und wie geht der Singular? Richtig: die Kube. Und der Singular von den Mythen? Natürlich die Mythe. Und der Singular von Atlanten (die allerdings dank GSM und ähnlichem im Aussterben begriffen sind)? Logo: die Atlante, nicht der Atlas. Denn der Singular „Atlas“ hat als Plural die Form „Atlasse“.
  • Ein Verb richtig zu substantivieren, zumal eines lateinischer Herkunft, wird immer unüblicher. Hier sieht man (natürlich mit dem obligaten Hinweis auf den Duden), daß die Substantive auf -ion, -ation, -ition, für die ältere Duden-Auflagen schöne Regeln enthielten, auf dem Weg des Verschwindens sind: Die Reservierung ist im Geschäftsdeutsch schon lange üblich, die Reduzierung statt der Reduktion empfinden manche schon als richtig, es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Diskutierung die Diskussion ersetzen wird, die Deklamierung die Deklamation, die Korrigierung (statt Korrektur), die Transponierung (statt Transposition) oder die Konversierung (statt Konversation) folgen werden. Aber wie bei Hymnus/Hymne wird die modernere, von Ignoranten (Ignorierenden) gebildete Form manchmal Träger einer neuen Bedeutung und erlaubt, was man positiv sehen kann, eine neue Differenzierung (nicht Differenziation): Isolation eines Dorfes und Isolierung eines Drahtes sind nicht mehr dasselbe, genauso, wie ein Diplomat seit Jahrhunderten in ein fremdes Land gesandt wurde, während im Rundfunk eine Produktion (Produzierung?) gesendet wird. Das Opfer einer Diffamation darf sich freuen. Diese gibt es oft nicht mehr, sie wird durch die Diffamierung ersetzt.