Benutzer:Chitarra56/ubi ius ibi remedium

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Ubi ius ibi remedium (lat. "wo Recht ist, ist Abhilfe"), auch ubi jus ibi remedium, ist ein aus dem römischen Recht stammender Rechtsgrundsatz, wonach für jedes subjektive Recht eine Möglichkeit vorhanden sein muss, dieses gegebenenfalls in einem (behördlichen bzw. gerichtlichen) Verfahren durchsetzen zu können. Der Grundsatz konstituiert folglich eine staatliche Pflicht zur Gewährleistung des Rechtsschutzes und bildet damit eine Vorstufe des Rechts auf effektiven Rechtsschutz, das heute in vielen Rechtsordnungen zu deren fundamentalen Prinzipien gehört.

Hintergrund

Subjektive Rechte und ihre Durchsetzung

Hauptartikel: Subjektives Recht und Rechtsschutz

Ein subjektives Recht ist – im Unterschied zu objektivem Recht (d. h. einer allgemeinverbindlichen, generellen Norm) – eine rechtlich gewährleistete konkrete Befugnis, etwas zu tun (z. B. das Freiheitsrecht, eine bestimmte Meinung zu äußern), etwas zu unterlassen (z. B. das Recht des Käufers, bei mangelhafter Ware die Zahlung vorerst zu verweigern) oder etwas zu verlangen (z. B. das Recht des Opfers einer Sachbeschädigung, vom Schädiger die Zahlung von Schadensersatz zu verlangen).

Will ein Staat seinen Bürgern solche Rechte nicht nur formell gewährleisten, sondern auch erreichen, dass sie tatsächlich Nutzen aus ihnen ziehen können, so genügt es für ihn nicht, ihnen die Rechte lediglich pro forma zuzugestehen; nach dem Grundsatz ubi ius ibi remedium muss er für den Fall, dass ein Bürger von Dritten oder gar vom Staat selbst am Genuss seiner Rechte gehindert wird, dem Betroffenen zusätzlich Gerichts- und Verwaltungsverfahren bereitstellen, mittels derer der Betroffene zum einen das Bestehen seines Rechts offiziell feststellen, zum anderen dieses Recht im äußersten Fall auch durch Vollstreckung zwangsweise durchsetzen lassen kann. Wird dem Bürger also durch eine Behörde bzw. seinen Arbeitgeber die Äußerung seiner Meinung untersagt, so muss er vor dem Verwaltungsgericht bzw. dem Arbeitsgericht, ggf. am Ende auch vor dem Verfassungsgericht dagegen vorgehen können; der mit mangelhafter Ware belieferte und auf Zahlung verklagte Käufer muss sein Recht zur Zahlungsverweigerung, das Opfer einer Sachbeschädigung seinen Anspruch auf Schadensersatz notfalls vor dem Zivilgericht geltend machen können. Auch im Strafrecht spielt der Grundsatz eine Rolle: wird z. B. eine Person während eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens in ihren Prozessrechten verletzt und daraufhin verurteilt, so muss sie die Möglichkeit haben, gegen dieses Urteil im Wege der Revision vorgehen zu können.

Ubi ius ibi remedium und objektives Recht

Im Bereich des objektiven Rechts hat der ubi ius ibi remedium-Grundsatz keine unmittelbare Gültigkeit, sondern besitzt allenfalls seines Grundgedankens wegen eine gewisse Bedeutung. So besteht z. B. keine Pflicht des Staates, zur Durchsetzung seiner allgemeinen Verpflichtung zum Umweltschutz (in Deutschland etwa Artikel 20a des Grundgesetzes) Rechtsbehelfe bereitzustellen, mittels derer er etwa darauf verklagt werden könnte, mehr für den Umweltschutz zu tun oder ein konkretes Projekt zu realisieren.

Der von Christopher D. Stone 1972 in einem gleichnamigen Essay formulierte Gedanke "Should trees have standing?" (dt. etwa "Sollten Bäume klagebefugt sein?") problematisierte jedoch die Frage, ob nicht effektiver Umweltschutz - ähnlich wie bei den subjektiven Rechten - nur dann möglich ist, wenn gegen Verstöße gegen Umweltschutzvorschriften gerichtlich vorgegangen werden kann. Der hierdurch angestoßene Diskurs hat letzlich zu einem dem ubi ius ibi remedium-Grundsatz ähnlichen Prinzip geführt, nach dem anerkannten Umweltschutzverbänden die Möglichkeit gegeben werden muss, Staaten oder private Dritte für deren Verstöße gegen konkrete Umweltschutzvorschriften zu belangen und damit sozusagen das "Recht der Natur auf Schutz" stellvertretend gerichtlich durchsetzen zu können. Konkreten Niederschlag hat dies etwa in Artikel 9 der Aarhus-Konvention gefunden, aufgrund dessen z. B. in Deutschland das Umweltrechtsbehelfsgesetz erging.

Geschichte

Bedeutung in römisch-rechtlich geprägten oder beeinflussten Rechtsordnungen

Kontinentaleuropäischer Rechtskreis

Anglo-amerikanischer Rechtskreis

Europäische Union

Auch in der Europäischen Union, die als supranationale Organisation eine eigenständige Rechtsordnung geschaffen hat[1], kommt der Grundsatz ubi ius ibi remedium zum Tragen:

Das Primärrecht enthält mehrere Vorschriften, aus denen sich der Grundsatz ableiten lässt. So gehört nach Artikel 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) die Rechtsstaatlichkeit zu den grundlegenden Werten der EU, zu mit Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 EUV ("damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist") eine ausdrückliche Referenz an den Grundsatz. Darüber hinaus (...).

Im Sekundärrecht ist der Grundsatz in der Form umgesetzt, dass Verordnungen oder Richtlinien den Mitgliedstaaten vorschreiben, im nationalen Prozessrecht für die effektive rechtliche Durchsetzbarkeit der in dem jeweiligen Rechtsakt gewährten Rechte Sorge zu tragen. Beispielhaft hierfür sind etwa die Antidiskriminierungsrichtlinien, die jeweils ein eigenes Kapitel mit dem Titel "Rechtsbehelfe und Rechtsdurchsetzung" enthalten. Einen Rechtsbehelf etwa zum Europäischen Gerichtshof direkt im Sekundärrecht zu garantieren ist dagegen nicht möglich, da für die Schaffung der erforderlichen Rechtsbehelfe für einen wirksamen Rechtsschutz die Mitgliedstaaten zuständig sind (Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 EUV).

Besondere Bedeutung hat der Grundsatz im Bereich des gemeinsamen europäischen Asylrechts, insbesondere im Asylverfahrensrecht erlangt.

Ehemaliger sozialistischer Rechtskreis

Bedeutung im Völkerrecht

Friedenssicherungsrecht

Internationaler Menschenrechtsschutz

Internationales Umweltrecht

Internationales Wirtschaftsrecht

Entsprechungen in traditionell nicht römisch-rechtlich beeinflussten Rechtsordnungen

Vorbemerkung: Einfluss von Völkerrecht, Globalisierung und Welthandel

Islamischer Rechtskreis

Hauptartikel: Islamisches Recht
Siehe auch Mehmed II.#Verwaltung des Reiches und Gesetzgebung

Einflüsse des römischen Rechts auf klassische Rechtstraditionen innerhalb des islamischen Rechtskreises - die vor allem nach der Eroberung des byzantinischen Reichs durch die Osmanen und der teilweisen Fortführung des byzantinischen Rechts innerhalb der sogenannten Millet durchaus denkbar wären - sind nicht bekannt. Soweit im islamischen Recht selbst Grundsätze bestehen, die dem ubi ius ibi remedium gleichen, sind sie nicht auf römisch-rechtliche Einflüsse zurückzuführen.

Ein Beispiel für einen solchen Grundsatz (...)

Chinesischer Rechtskreis

Hauptartikel: Recht Chinas

Die Rechtsordnungen des traditionellen chinesischen Rechtskreises kamen mit dem römischen Recht - soweit bekannt - nie in Berührung und sind diesem wesensfremd. Besonders die stark konfuzianisch geprägte traditionelle chinesische Rechtskultur verstand die Rechtsordnung als eine gegenüber dem Ordnungsprinzip des Li minderwertige Gesellschaftsordnung und stellte daher etwa im Zivilrecht Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung in den Vordergrund, die auf Wiederherstellung der Harmonie, weniger dagegen auf Rechtsschutz abzielten.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. EuGH