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Raoul Schrott
beim Literarischen März 2005, Darmstadt
Foto: Tobias Falberg

Raoul Schrott (* 17. Januar 1964 in Landeck/Tirol) ist ein österreichischer Literaturwissenschaftler und Schriftsteller.

Leben

Schrott wuchs in Tunis als Sohn eines österreichischen Außenhandelsvertreters auf. Nach seinem Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft in Norwich, Paris, Berlin und Innsbruck war Schrott von 1986 bis 1987 Sekretär des französischen Philosophen Philippe Soupault. Als Dissertation legte er 1988 an der Universität Innsbruck eine Arbeit über „Dada 1921 - 1922 in Tirol“ vor. Von 1990 bis 1993 war er Lektor für Germanistik am Istituto Orientale in Neapel. 1996 habilitierte er sich am Institut für Komparatistik der Universität Innsbruck, für dessen Weiterbestand er sich einsetzte. 2007, nach der Geburt seiner ersten Tochter, zog Schrott aus der Grafschaft Cork in Irland, wo er die letzten Jahre gelebt hatte, zurück nach Tirol.

Neben Romanen und Gedichten profilierte sich Schrott vor allem mit Anthologien, Dramen, Reiseprosa und Übersetzungen. Der Dadaismus bildet einen Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. 1999 hat Schrott die altgriechischen „Bakchen“ für das Wiener Burgtheater neu übersetzt, sowie das babylonisch-akkadische Gilgamesch-Epos. Ab 2005 arbeitete er an einer Neuübersetzung von Homers Ilias, die in einer Hörspielfassung vom Deutschlandfunk produziert und ausgestrahlt wurde und als Buch im Herbst 2008 erscheinen wird. Dazu befasste er sich mit neueren internationalen Veröffentlichungen der komparativen Literaturwissenschaft, die vielfache Bezüge zwischen Homer und Assyrischen Texten aufgezeigt haben. Er stellte die These weiterer Parallelen zwischen altorientalischen und den homerischen Schriften auf, zudem von Verbindungen zur Genesis des „Alten Testaments“. Dazu stellte er fest: „Die Gräzisten und die Assyrologen nehmen bisher kaum Notiz voneinander, Okzident und Orient werden in der Literaturwissenschaft im Unterschied zur Archäologie oder Ethnologie noch immer ideologisch und kulturell getrennt.“[1]

Die von Schrott angeführten Bezüge zwischen Homer und Assyrischen Texten führten dazu, dass er ein zunächst geplantes literaturwissenschaftliche Vorwort der Übersetzung zu einem gesonderten Buch ausbaute, in dem er seine These zur Homerischen Frage darlegt, dass Homer ein Grieche gewesen sei, der im assyrischen Kulturraum gelebt habe. Er verglich die Landschaftsbeschreibungen der Ilias mit den westlichsten Teilen des assyrischen Einflussgebietes und fand („hunderte“) Verweise auf die antike Kulturlandschaft Karatepe in Kilikien. Für Schrott war Homer ein griechischer Schreiber am Hof in Karatepe, der alte griechische Motive vom trojanischen Krieg in lokale Gegebenheiten und Erzähltraditionen kleidete.[2] Schrotts Thesen bezüglich Homer, die er im Voraus in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichte, stießen auf scharfen Widerspruch mehrerer Wissenschaftler, wie etwa des Gräzisten Joachim Latacz[3] oder des Althistorikers Stefan Rebenich.[4]

Schrotts literarisches Werk beinhaltet die Romane "Finis Terrae" (1995) und "Tristan da Cunha" (2003), die Erzählung "Khamsin" (2002), die Novelle "Die Wüste Lop Nor" (2000), sowie die Gedichtbände "Hotels" (1997) und "Tropen. Über das Erhabene" (1998). Die neuesten Veröffentlichungen des Autors sind der Gedichtband "Weissbuch" (2004) und das "Handbuch der Wolkenputzerei" (2005), eine Essaysammlung.

Auszeichnungen

Werke

  • Dada 1921 - 1922 in Tirol. Universität Innsbruck, Dissertation 1988.
  • Finis Terrae. Ein Nachlass. Haymon-Verlag, Innsbruck 1995. ISBN 3-85218-197-6
  • Hotels. Haymon-Verlag, Innsbruck 1995. ISBN 3-85218-193-3
  • Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren. Die Andere Bibliothek. Bd 154. Eichborn, Frankfurt a.M. 1997. ISBN 3-8218-4154-0
  • Fragmente einer Sprache der Dichtung im europäischen Kontext. Poetische Strukturen von der griechischen Antike bis zum Dadaismus. Habilitationsschrift. Universität Innsbruck, Insbruck 1997.
  • Tropen. Über das Erhabene. Hanser, München 1998. ISBN 3-446-19502-5
  • Die Erde ist blau wie eine Orange. Polemisches, Poetisches, Privates. Dt. Taschenbuch Verl., München 1999. ISBN 3-423-12704-X
  • Fragmente einer Sprache der Dichtung. Graz 1997 (Erstveröff.). ISBN 385420471X
  • Bakchen, nach Euripides. Hanser, München 1999. ISBN 3-446-19811-3 (2000 uraufgeführt am Wiener Burgtheater)
  • Die Musen. Ungekürzte, vom Autor neu durchges. Ausgabe. Dt. Taschenbuch Verlag, München 2000. ISBN 3-423-12788-0
  • Die Wüste Lop Nor. Novelle. Hanser, München 2000. ISBN 3-446-19921-7
  • Gilgamesh Epos. Fischer, Frankfurt a. M. 2001, 2004. ISBN 3-596-15703-X (uraufgeführt am Wiener Akademietheater)
  • Das Geschlecht der Engel, der Himmel der Heiligen: ein Brevier. Hanser, München 2001. ISBN 3-446-20020-7
  • Khamsin. Fischer, Frankfurt a. M. 2002. ISBN 3-10-073540-4 (Enth. außerdem: Die Namen der Wüste)
  • Tristan da Cunha oder Die Hälfte der Erde. Roman. Hanser, München 2003. ISBN 3-446-20355-9
  • Der wölfische Hunger, über das Alter der Jugend. Gollenstein, Blieskastel 2004. ISBN 3-935731-77-9
  • Weissbuch. Hanser, München 2004. ISBN 3-446-20540-3
  • Handbuch der Wolkenputzerei. Gesammelte Essays. Hanser, München 2005. ISBN 3-446-20576-4
  • Die fünfte Welt, ein Logbuch. Haymon-Verlag, Innsbruck 2007. ISBN 978-3-85218-524-8
  • Homers Heimat. Der Kampf um Troia und seine realen Hintergründe. Hanser, München 2008. ISBN 978-3-446-23023-1

Herausgabe

Einzelnachweise

  1. Der Tagesspiegel 9.3.2008, S.3
  2. Raoul Schrott: „Ilias. Homers Geheimnis ist gelüftet“, FAZ, 22. Dezember 2007 („Homer und seine "Ilias" in völlig neuem Licht“); Video-Dokumentation des ZDF.
  3. Eine "irrwitzige Fantasterei". Altphilologe Latacz kritisiert Raoul Schrotts Arbeiten zu Homer, Deutschlandfunk, 31. Dezember 2007
  4. Ein ehrgeiziges Migrantenkind, leider kastriert, in: Neue Zürcher Zeitung, 15.3.2008.

Weblinks


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