Benutzer:Claus-michael/Kulturloge
Kulturloge ist die Bezeichnung für eine gemeinnützige Hilfsorganisation, die Karten zu kulturellen Veranstaltungen an Bedürftige verteilt.
Entstehung und Entwicklung der Kulturlogen in Deutschland
12 Millionen Menschen in Deutschland haben weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung und gelten als armutsgefährdet. Dies geht aus dem Armutsbericht 2011 hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband im Dezember 2011 veröffentlicht hat . Armut führt nicht nur zu materiellem Mangel, sondern fördert auch soziale Ausgrenzung. Die Beobachtung, dass es einerseits leere Plätze in Theatern und anderen Kultureinrichtungen gibt und andererseits Menschen, die sich eine Karte nicht leisten können, bewog die Kulturjournalistin Christine Krauskopf 2008 zur Entwicklung des Kulturlogen-Konzepts. 2010 gründete sie die bundesweit erste Kulturloge in Marburg und leitet heute die Kulturloge Herborn-Dillenburg-Haiger. Die Idee der Kulturloge ist so einfach und überzeugend, dass sich seitdem - überwiegend auf der Basis ehrenamtlichen Engagements - eine regelrechte Bewegung niedrigschwelliger Kulturvermittlung in Deutschland entwickelt hat. Bis dato existieren 25 Kulturlogen im gesamten Bundesgebiet, 16 weitere befinden sich im Aufbau. Der solidarische Grundgedanke verbunden mit der Einsicht, dass jeder Mensch ein Recht hat, dazuzugehören, ist für die Ideengeberin ein wichtiger Motor für die rasche Verbreitung der Initiative. Dass sich so viele Ehrenamtliche für das Projekt engagieren, hängt nicht zuletzt mit der Möglichkeit zusammen, sich über bürgerschaftliches Engagement in der Kulturvermittlung zu betätigen.
Methode
Idee und Ziel der Kulturlogen-Arbeit ist es, Menschen mit geringem Einkommen eine lebbare und kostenfreie Möglichkeit zu bieten, wieder am kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Interessierte Gäste melden sich schriftlich an, legen dabei einen Einkommensnachweis vor, geben ihre kulturellen Vorlieben an und hinterlassen eine Telefonnummer. Die Angaben werden in eine Datenbank eingegeben. Wenn Kulturplätze zur Verfügung stehen, laden MitarbeiterInnen der Kulturloge die Gäste persönlich telefonisch ein. Gäste, die verbindlich den Besuch einer Veranstaltung zugesagt haben, werden beim Kulturpartner auf die Gästeliste gesetzt. Am Einlass nennen sie ihren Namen und müssen ihren persönlichen Einkommensstatus nicht mehr darlegen, wodurch Stigmatisierung verhindert wird. Die Erfahrung zeigt, dass die Menschen sich durch die direkte telefonische Ansprache eingeladen und erwünscht fühlen, so dass wieder ein Gefühl der Zugehörigkeit entstehen kann. Dass das Angebot der Kulturloge die Zielgruppe erreicht, zeigen die hohen Gästezahlen sehr deutlich. Durch die Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben werden den Menschen zusätzliche Perspektiven und Vernetzungsmöglichkeiten geboten. Dadurch entsteht bei den Gästen wieder ein Gefühl der Zugehörigkeit und sie erhalten neue Inspiration für die eigene Lebensgestaltung.
Kulturpartner
Nach dem Tafel-Prinzip stellen Kulturveranstalter den Gästen der Kulturloge Restplätze zur Verfügung, die sonst nicht belegt wären. Über die Kulturloge können die Einrichtungen ihre Auslastung verbessern und gleichzeitig neue Zielgruppen ansprechen. Dadurch wird eine nachhaltige und optimale Ausnutzung vorhandener Ressourcen gefördert. Zusätzlich haben Kulturveranstalter über die Kulturloge die Gelegenheit, sich in der aktuellen Bildungsdebatte bewusst zu positionieren und sich auf innovative Weise im sozialen Bereich zu engagieren.
Soziales und Kultur – Vernetzung der Sektoren
Kulturlogen gelingt es durch ihre Methode einer niedrigschwelligen Kulturvermittlung, Kultur und Sozialbe-reich auf innovative Weise zu verbinden, so dass neue Netzwerke entstehen können. Offene und geschlos-sene soziale Institutionen haben als Partner der Kulturlogen die Möglichkeit, den Menschen in ihren Einrichtungen das kulturelle Angebot vorzustellen und Anmeldungen entgegenzunehmen. Als soziale Institutionen sind sie berechtigt, im Zuge der Anmeldung die Einkommensnachweise der zukünftigen Gäste zu überprüfen. Geschlossene Einrichtungen wie Frauenhäuser, Obdachlosenwohnheime, Behinderten-einrichtungen oder Träger der Kinder- und Jugendhilfe können über die Kulturloge je nach Verfügbarkeit Gruppenkontingente für ihre Klienten beantragen, damit diese in Begleitung kulturelle Veranstaltungen besuchen können. So stellen Kulturlogen für viele soziale Einrichtungen eine wichtige Ergänzung ihres eigenen Programms dar.
Wissenschaftliche Evaluation
Kultureinrichtungen in Deutschland erreichen mit ihren Marketingmaßnahmen lediglich eine kleine bildungsbürgerliche Gruppe von 8 bis 15 % der Bevölkerung. Kulturlogen sprechen auch Menschen an, die Kulturangebote bislang selten oder gar nicht nutzten. Die zeitgleich mit der Marburger Kulturloge 2010 gegründete Kulturloge Berlin ist mit aktuell 6000 Gästen, 180 Kulturpartnern, 70 Sozialpartnern und 72 überwiegend freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Kulturloge Deutschlands, die im Jahr 2012 rund 22.000 Kulturplätze in der Vermittlung hatte (Stand 30.11.2012). Unter der Leitung von Prof. Dr. Birgit Mandel und Thomas Renz führte der Studienbereich Kulturmanagement und Kulturvermittlung des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim 2011 eine Evaluation des Kulturnutzerverhaltens der Gäste der Kulturloge Berlin durch, die überraschende Ergebnisse zu Tage förderte. Als wichtigste Motive für die Nutzung des Angebots der Kulturloge nannten die Gäste grundsätzliches Interesse an Kulturveranstaltungen, die kostenlose Teilnahme, sowie den Wunsch nach mehr sozialer und kultureller Teilhabe. 56 % der Berliner Kulturlogen-Gäste wurden laut Studie über die Kulturloge erstmals zum Besuch von Kulturveranstaltungen angeregt. Die persönliche telefonische Einladung erwies sich als zentraler Faktor, um Schwellenängste abzubauen. Denn viele Menschen brauchen die motivierende Ansprache, um sich auf das „Abenteuer Kultur“ einzulassen. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, warum herkömmliche Rabattsysteme der kulturellen Einrichtungen mögliche Kulturgäste nur selten erreichen. [1]
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Kulturlogen in Deutschland
Die meisten Kulturlogen sind in der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft (BAG) miteinander verbunden – lose, dem sachlichen Austausch verpflichtet und ohne Hierarchie. Gegründet wurde die BAG im Oktober 2011 beim ersten bundesweiten Arbeitstreffen in Berlin, an dem acht Kulturlogen teilnahmen. Bei diesem Treffen wurden gemeinsame Ziele- und Leitlinien formuliert, die der Kulturlogenarbeit zugrunde liegen.
Ziele der Kulturlogen sind u. a.:
- den kulturellen und sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft,
- Bildung, Integration und bürgerschaftliches Engagement
- und die Relevanz und öffentliche Wahrnehmung von Kultur in der Gesellschaft zu fördern.
Die vollständigen Ziele- und Leitlinien hier: [2]
Die bundesweite Arbeitsgemeinschaft versteht sich als Netzwerk von Initiativen, die sich den genannten Leitlinien verpflichtet fühlen und eine kollegiale und gleichberechtigte Kommunikation pflegen. Aktuell engagieren sich 13 Kulturlogen verschiedener Größe und aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands in der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft.
Regelmäßig lädt die BAG in Zusammenarbeit mit wechselnden gastgebenden Kulturlogen zu Arbeitstreffen ein, bei denen Workshops, Diskussionen und Vorträge zu verschiedensten Aspekten und aktuellen Problemen und Entwicklungen der Kulturlogenarbeit geführt werden. Ein Austausch auf Augenhöhe ist den Teilnehmern dabei sehr wichtig! Ziel des gemeinsamen Austausches in der Arbeitsgemeinschaft ist es u.a., dass sich gründende oder kürzlich gegründete Kulturlogen von den Erfahrungen der bereits Etablierten profitieren und in ihrer Anfangsphase unterstützt werden können. Dabei dienen die Leitlinien lediglich dem Schutz der Idee und sollen keineswegs die örtlichen Kulturlogen in ihrer Arbeit einengen oder gar bevormunden. Diese brauchen vor Ort Gestaltungsfreiheit, um die Menschen in ihrem Wirkungskreis bestmöglich zu erreichen. Das funktioniert, gerade weil es keine Lizenzen und kein Patentrezept gibt. Die Berücksichtigung regionaler Strukturen und Bedingungen ist von hoher Bedeutung, da nur durch eine Anpassung an lokale Gegebenheiten gute Kulturlogenarbeit geleistet werden kann. Neben Kulturlogen in Großstädten wie Hamburg, Berlin, Köln, München, Leipzig, Dresden oder dem Ruhrgebiet (mit Hauptsitz in Essen) existieren diese auch in mittelgroßen oder kleinen Städten wie Ulm und Burghausen sowie in ländlichen Regionen wie dem Lahn-Dill-Kreis, wo wieder völlig andere Strukturen vorherrschen.
Neben der BAG gibt es noch den Bundesverband Deutsche Kulturloge e.V., der die Idee der Kulturlogen über Lizensierung und Markenrechte organisieren und steuern möchte.
Weblinks
- Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Kulturlogen in Deutschland (BAG)
- Forum der Kulturlogen
- Unesco-Bericht
- Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes
- Bundesverband Deutsche Kulturloge e.V.
Die Kulturlogen in Deutschland (Stand Dezember 2012)
- Kulturtafel Bamberg
- Kulturtafel Burghausen
- Kulturloge Berlin
- Kulturloge Dresden
- Kulturloge Gießen
- Kulturpforte Göttingen
- Kulturloge Hachenburg
- Kulturloge Hamburg
- Kulturloge Hannover
- Kulturloge Herborn
- Kulturloge Hildesheim
- Kuturloge Kassel
- Kulturliste Köln
- Kulturloge Köln
- Kulturloge Lahn
- Kulturloge Leipzig
- Kultur-Drehscheibe Leverkusen
- Kulturloge Marburg
- KulturRaum München
- Kulturloge Naumburg
- Kulturloge Ruhr
- Kulturloge Wuppertal
- Kulturloge Ulm
- Kulturloge Wolfsburg
Literatur
- Artikel Süddeutsche Zeitung vom 11.11.2010
- Fachportal kulturvermittlung-online.de des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim
- "Freikarten für kulturelle Teilhabe" von Birgit Mandel in Politik & Kultur
- "Kulturlogen in Deutschland" in Kulturpolitische Mitteilungen 1/2012
- "Reihenweise Kunstgenuss" im Tagesspiegel vom 18.10.2012
- Beitrag in ZDF heute vom 27.10.2012
- ZEIT-Artikel über den Konflikt innerhalb der Kulturlogen-Bewegung
[[Kategorie:Wohlfahrtsorganisation|!Kulturloge]] == Einzelnachweise == <references />