Benutzer:CroMagnon/Ansichten
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Alte Glaskugeleien in der vergangenen Zukunft
Immer wieder stößt man, gerade in nicht ganz so zentralen Artikeln, auf "Ausblicke" und andere Glaskugeleien, die in Zukunftsform stehen, bei denen aber der angesprochene Zeitraum längst vergangen ist. Beispielsweise Dinge wie: "Für 2006 wird ein Ansteigen des Wirtschaftswachstums erwartet". Das liest sich 4 Jahre später recht peinlich, besonders wenn noch Wieselwörter wie "Es wird erwartet" usw. dazukommen.
Das Problem kommt meistens daher, dass eine bestimmte Nachricht über ein bevorstehendes Ereignis - z.B. eine Politikerin, die als erste Frau Staatschefin in einem Land werden kann - eine Euphorie auslöst. Wenn das Ereignis dann aber tatsächlich eintritt, wird die Zeitform oft nicht oder verspätet geändert, weil die Euphorie verflogen ist - oft ist das bei Wahlen so, bei denen die Sieger natürlich nicht sofort ihr Amt antreten und das "Antrittsdatum" daher untergeht. Oder wenn "Ausblicke" in einen längeren Artikel geschrieben werden, da vermutet wird, der Leser interessiere sich für eine zukünftige Entwicklung (ist mir selbst schon passiert), oft zu finden in ökonomischen/geografischen Teilen von Länder- und Regionenartikeln.
Was könnte man zur Lösung tun?
- Ausblicke in die Zukunft generell verbieten
- Ausblicke nur in Ausnahmefällen und nur mit Einzelnachweis und Quellenangabe im Fließtext erlauben (also nicht "Es wird erwartet..." sondern "Das Wirtschaftsinstitut XX erwartet...")
- Ausblicke mit einer Vorlage oder Ähnlichem markieren (unsichtbare Kategorie:Wikipedia:Artikel mit Ausblick in die Zukunft) und dann nach einer gewissen Zeit löschen - zu kompliziert?
- Ausblicke unsichtbar mit einem Verfalldatum markieren, und ab diesem Datum nicht mehr anzeigen (per Vorlagenprogrammierung) - etwas abgewandelte Version wie 3. gleiches Problem
- Eine Software entwickeln, die Ausblicke erkennen kann (anhand eines Vergleichs von der Jahreszahl in Versionsgeschichte und der im Text? Könnte sogar in Ansätzen machbar sein...)
Vielleicht wär das ja mal einen Kurierartikel oder so wert ... :)
Der spanische Fefe...
heißt Dark Alex, ist bekannter Hacker und führte 2008 zu einer ähnlich heftigen Löschdiskussion wie bei uns die rund um die Bildzeitung der Nerds: [1]. Allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Dark Alex gerierte sich nicht als beleidigte Leberwurst und hetzte auch niemand zu Vandalismus auf, sondern äußerte sich sinngemäß so: Die Unterschiede zwischen den Wikipedia-Autoren schienen unüberbrückbar. Sein Artikel sei ihm ziemlich egal, und er hoffe, dass die Wikipedia wieder zu neutralen Artikeln zurückfinden könne und keine Themen tabu blieben.
Die spanische Wikipedia hat übrigens ähnlich rigide oder sogar rigidere Relevanzkriterien als die deutsche. Allerdings sieht man das manchmal nicht, weil die Eingangskontrolle dort noch nicht so gut funktioniert und immer wieder mal was komplett irrelevantes "durchrutscht".
Belege ja, Referenzitis nein
Eine der schönsten Diskussionen in letzter Zeit ist die über die Richtlinie Wikipedia:Belege. Diese ist notwendig, wenn Wikipedia das Prinzip einhalten will, auf bekanntem Wissen zu basieren (s.u.) und dabei zumindest einen gewissen Wahrheitsanspruch einlösen will.
Es gibt jedoch einige User, die diese Richtlinie dahin interpretieren, dass jeder Satz mit einer Quelle (möglichst Einzelnachweis) belegt sein sollte. Dies halte ich für übertrieben, denn damit wird nicht nur der Lesefluss gestört, sondern auch Neulinge abgeschreckt. Es gibt durchaus bekannte Tatsachen, die man auch ohne Beleg darstellen kann - allerdings mit einer gravierenden Einschränkung: solange sie nicht in Zweifel gezogen werden oder auch nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass Zweifel an der Darstellung aufkommen.
Deshalb sollten Einzelnachweise nur in folgenden Fällen verbindlich sein:
- Zitate
- Zahlenangaben und Statistiken
- Persönliche, insbesondere private Angaben über Personen (insbesondere lebende, dort ist auch aus rechtlichen Gründen eine "harte" Belegpflicht unabdingbar)
- "Kritik"-Abschnitte und andere Abschnitte, die den Artikelgegenstand in einem negativen Licht erscheinen lassen können (z.B. Strafprozesse, Verbrechen). Kritikabschnitte sollen immer eine Kritikdarstellung, keine Kritikfindung (eigene "kritische" Spekulationen) sein
- Angaben zur Ideologie von Personen und Gruppen, z.B. Parteien. Dort soll auch möglichst nah an den Primärquellen geschrieben werden (Aussagen, Parteiprogramme), da Interpretationen von Dritten leicht in die Irre und im schlimmsten Fall zu Kontroversen führen. Interpretationen aus Sekundärquellen müssen daher von der Methodik her nachvollziehbar sein und möglichst wissenschaftlichen, mindestens "qualitätsjournalistischen" (Pressekodex) Kriterien genügen.
- Änderungen von bereits vorher beschriebenen Fakten (sonst steht Aussage gegen Aussage)
Ansonsten sollte der gesunde Menschenverstand vorherrschen und Einzelnachweise nur bei Bedarf (Zweifel) gefordert werden. Mindestens ein Beleg pro Artikel (egal ob Literatur, Einzelnachweis oder ein aussagekräftiger Weblink) sollte trotzdem Pflicht sein.
Das "Wiki-Prinzip"
Man liest ja in den Meta-Diskussionen rund um Wikipedia oft von einem obskuren Wiki-Prinzip. Besonders beliebt für das gepflegte Bashing von neuen Funktionen oder Regeln: "Verstößt gegen das Wiki-Prinzip!" ist eines der meistgebrauchten Argumente (?).
Schon ein Blick in die Wikipedia selbst lässt erahnen, dass es sich in der Tat um ein obskures Prinzip handelt. Ein Artikel Wiki-Prinzip? Fehlanzeige. Und das ist auch gut so, denn jeder versteht unter dem Begriff etwas anderes.
Weit verbreitet ist anscheinend die Ansicht, "Wiki-Prinzip" bedeute, "dass jeder alles überall eintragen / ändern kann". Andere kombinieren diese Ansicht mit der etymologischen Herkunft des Wortes Wiki (hawaiisch: schnell). Und die nichtrepräsentative, aber sehr laute Extremfraktion macht daraus "Jeder soll seinen Müll und POV immer und überall eintragen dürfen!!!! Alles andere ist ZENSUR!!!! EINSELF!!!!"
Exkurs: Schauen wir mal in dio Wikisphäre, und da sehen wir, dass es darüber in der Tat ganz andere Ansichten gibt.
Nehmen wir mal das Linuxwiki Ubuntuusers.de, leider immer noch unter unfreier Lizenz, aber trotzdem Spitze. Wenn man sich die meisten Artikel durchliest, glaubt man, die habe ein bezahlter Profi verfasst.
Was das mit dem Wiki-Prinzip zu tun hat? Ganz einfach: Die Konzeption des UUDE-Wikis widerspricht komplett dem, was in der Wikipedia darunter verstanden wird. Dort muss man neue Artikel nämlich erst mal in einem Entwurfnamensraum namens "Baustelle" anlegen. Danach muss man einen Moderator verständigen, und der nimmt den Text dann unter die Lupe und weist den Autor auf mögliche Fehler hin. Die muss dieser dann ausbessern, und erst dann darf das Ganze in den "Artikelnamensraum" verschoben werden.
Ist das noch ein richtiges Wiki?
Trotz der restriktiven Qualitätspolitik wurde komischerweise kaum negative Kritik gegen das Prinzip laut. Im Gegenteil. Das Wiki wird fast immer in den höchsten Tönen gelobt. Mit mehr als 3000 Artikeln ist es zudem eines der größten deutschsprachigen Supportwikis. Warum? Nun, meiner Meinung nach liegt es am Ton in der Community. Selbst einem Autor mit einem noch so schlechten Anfangsartikel wird die Chance gegeben, den Artikel zu verbessern, so lange er will. Der Moderator darf da schon mal spitzer werden, was aber nur in Ausnahmefällen (komplett lieblos hingerotzten Artikeln) geschieht.
Auf die Wikipedia nicht anwendbar? Vielleicht. Außerdem sind Linuxer sowieso unverbesserliche Hippies, die sich alle lieb haben. Aber das Beispiel zeigt, das das Wiki-Prinzip wirklich nicht sinnvoll definiert werden kann. Jedes Projekt muss daher seine Nische selbst austarieren. Auch die Wikipedia. Und bitte ohne unnötige Schlagworte.
Die Wikipedia-Wahrheit
Ein Plädoyer für und gegen die Richtlinie Wikipedia:Belege
Was ist die Wahrheit? An dieser Frage haben sich Philosophen der ganzen Welt die Köpfe zerbrochen. Hier interessiert aber nur, was Wikipedia dazu zu sagen hat.
Wikipedia definiert die Wahrheit quasi über die Richtlinien Wikipedia:Quellenangaben. Das bedeutet, sie übernimmt den Wahrheitsbegriff von anderen Medien. Genauer gesagt, von solchen Medien, die als "reputabel" angesehen werden.
Im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden - schließlich muss man die Inhalte ja auch irgendwie nachprüfen können.
Nur gibt es bei genauerer Betrachtung durchaus mehrere Probleme:
- Welche Quellen sind nun reputabel? Ein Beispiel: In Argentinische Musik habe ich Inhalte aus privaten Homepages von argentinischen Musikwissenschaftlern verwendet, die aus Geldmangel keine gedruckte Literatur herausgeben können. In anderen Gegenden der Welt dürfte das noch viel häufiger der Fall sein. Steigt also die Reputabilität mit der wirtschaftlichen Macht?
- Wer sagt, was "reputabel" bedeutet? Dummerweise ist die Wissenschaft (als soziologische Struktur) euro/angloamerikazentrisch aufgebaut. Also kann die Wissenschaft schon mal den Anspruch des NPOV nicht wirklich erfüllen. Aber woher kann man dann den NPOV nehmen?
- Bei journalistischen Medien offenbart sich noch ein anderes Problem: das Agenda-Setting, das in vielen Fällen von Interessen beeinflusst ist. Klingt nach Verschwörungstheorie? In einer pluralistischen Medienlandschaft vielleicht schon. Aber in Regionen mit Medienmonopolen oder Quasi-Monopolen (Clarin-Gruppe als Hauptaktionär zahlreicher Zeitungen in weiten Teilen Argentiniens, u.a. Córdoba) ist das leider die harte Realität. Auch hier von NPOV keine Spur.
- Als Unterpunkt von 3): Oft gibt es ja eine Art Gegen-Medienszene, z.B. Blogger, Indymedia, Bürgerjournalismus. Ist aber leider nicht reputabel, und das (leider) auch aus gutem Grund: Die Qualitätssicherungsmaßnahmen diese Medien lassen zu wünschen übrig, Fakes und "Pseudo-Analysen" sind Tür und Tor geöffnet.
Das Dilemma: Wir wissen also, dass reputable Quellen nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Aber leider haben wir auch keine Alternative. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Geht leider nicht anders. Die traurige Konsequenz: Wikipedia ist in seiner Qualität vollkommen von anderen Medien abhängig. Wikipedia wird nie wirklich qualitativ gut sein, solange es der Rest der Medienlandschaft nicht ist.
Eine mögliche Teillösung: Ihr alternativen Medien auf der Welt, kümmert euch doch bitte um eine vernünftige Qualitätssicherung! Warum darf in Indymedia jeder seinen POV posten? Solange das so ist, wird Wikipedia solche Quellen nicht akzeptieren können. Vielleicht könnte aber Wikipedia im Dienste des NPOV seine Erfahrungen im Qualitätsmanagement an solche Projekte weitergeben. Sie würde selbst davon profitieren. Aber seien wir mal ehrlich, ist das in einer Community, die fast nur mit sich selbst beschäftigt ist, realistisch? Ich hoffe ja.