Benutzer:Das Robert/Arbeitsseite1
Der Krieg gegen die Awaren war eine Auseinandersetzung zwischen dem Fränkischen Reich unter Karl dem Großen und Khaganat der Awaren in der Zeit zwischen 791 und 803. Nach umfangreichen Vorbereitung marschierte ein fränkisches Heer in das Reich der Awaren und plünderte den berühmten Ring der Awaren. Die darauf folgendene Aufstände sowie die anschließende Unterwerfung besiegelte das Schicksal der Awaren, womit sie als einstiger Machtfaktor aus der Geschichte verschwanden.
Fast ein Viertel Jahrtausend, von 558 bis 796, beherrschten die Awaren Mitteleuropa von ihrem Siedlungsgebiet in der Ungarischen Tiefebene aus und galten in dieser Zeit als der wichtigste Machtfaktor zwischen dem Frankenreich und dem Byzantinischen Reich. Sie zerstörten gemeinsam mit den Langobarden das Reich der Gepiden, trieben Franken und Byzantiner immer wieder in die Defensive und belagerten sogar Konstantinopel. Sie unterhielten diplomatische Beziehungen zu den Sasaniden und den zentralasiatischen Türken. Auf ihren Raubzügen nach Westeuropa und auf die Balkanhalbinsel erbeuteten sie für barbarische Verhältnisse ungeheuren Reichtum und wurden durch die immer noch lebendige Erinnerung an Attilas Hunnen, dessen Reich gerade einmal hundert Jahre vorher unterging, als neuen „Hunnen“ bezeichnete. Erst schwere Unruhen im Inneren Mitte des 7. Jahrhunderts banden die awarische Angriffslust. Dennoch konnte sich das Khaganat im Karpatenbecken behaupten, nicht zuletzt wegen ihres Rufes als gefürchtete Krieger.
Erst der fränkische Angriff von 791 förderte die brüchige Realität dahinter zu Tage. Mit Franken und Awaren trafen zwei grundverschiedene Welten aufeinander: Auf der einen Seite die Franken als Träger der abendländischen, christlichen Kultur und auf der anderen Seite die Awaren als Nachfolger all jener wilden Völker der Völkerwanderungszeit, in denen die christlichen Staatenwelt „das Bollwerk des Heidentums“ erblickte.
Quellen
Die Reichsannalen bilden für diese Arbeit die Quellengrundlage, obwohl sie an vielen Stellen sehr allgemein gehalten wurden und daher auf Quellen anderer Autoren, beispielsweise Einhard und Notker, zurückgegriffen werden muss. Die Darstellung erfolgt somit zumeist aus fränkischer Sicht, da die Quellen kaum Informationen zur Reaktion der Awaren auf die fränkische Invasion hergeben und nur Mutmaßungen angestellt werden können.
Vorgeschichte
Mit dem Jahr 774 begann die bedrohliche Entwicklung, die letztendlich zum Untergang des einst so mächtigen Awaren-Reiches führte. In dem besagten Jahre unterlag der letzte Langobardenherrscher, Desiderius, dem mächtigen Frankenreich unter Karl dem Großen, der sich der sich am 5. Juni zum König der Langobarden krönen ließ und sich fortan „rex francorum et langobardorum“ nennt. Damit geriet der alte Verbündete der Awaren unter fränkische Herrschaft. 781 bekamen auch die Bayern Karls Macht zu spüren, so dass der eidbrüchige Herzog Tassilo III. in Worms erscheinen und seinen Lehnseid gegenüber dem Frankenkönig erneuern musste. Die Awaren betrachteten die Ereignisse an ihrer Westgrenze misstrauisch, so dass sie sich für eine konzertierte Aktion entschieden: Eine Friedensgesandtschafit erschien im Juli 782 vor Karl in Lippspringe. Zeitlich Parallel marschierte an der Enns ein awarisches Heer zur Machtdemonstration auf. Die Awaren demonstrierten mit dieser Reaktion ihren Willen, den limes certus, die natürliche Grenze zwischen Bayern und dem Awaren-Reich, mit Gewalt zu verteidigen, wollten aber dennoch dem Frieden den Vortritt gaben. Jedoch blieben die Awaren vor einem Zusammenstoß mit den Franken nicht verschont. Nachdem sich Tassilo 787 auf dem Lechfeld vor Karls Füße warf, er jedoch bald wieder eidbrüchig wurde, wurde ihm in Ingelheim 788 der Prozess gemacht. Nicht Karl, sondern bayerische Große klagten ihn an, er hätte, von seiner Frau, der langobardischen Königstochter Liutberga, angestachelt, Verhandlungen mit den Awaren aufgenommen. Tassilo wurde nach einem abgewendeten Todesurteil schließlich ins Kloster Jumiéges verbannt. Damit bildete das Frankenreich die westliche Grenze zum Reich der Awaren. Sei es nun, dass Tassilo die Awaren tatsächlich gerufen hatte oder ob sie „nur die instabile Lage nach seinem Sturz ausnutzen“ wollten, sie fielen auf jeden Fall 788 mehrfach in fränkisches Gebiet ein: Sie stießen nach Friaul und Italien bis Verona vor, wobei sie die Gegend brandschatzten und ausplünderten. Im Norden drangen sie „einige Dutzend Kilometer östlich der Ennsgrenze“ in Bayern ein, wurden jedoch auf dem Ybbsfeld von einem fränkischen Heer unter der Führung der beide königlichen raissi Grahamannus und Audaccrus gestellt und geschlagen. Im selben Jahr versuchten sie erneut einen Angriff auf Bayern, der jedoch wiederum abgeschlagen werden konnte. An weiteren Angriffen schienen die Awaren die Lust zu verlieren, denn weitere Zwischenfälle geben die Annalen nicht an. Diese „schwächlichen Interventionen“ verschlechterte die Position des Khaganats dauerhaft. Für Karl stand stattdessen das Awarenproblem auf der Tagesordnung. Er reiste nach Regensburg und reorganisierte persönlich die Grenzbefestigungen. Die Gesandtschaft, die 790 am Hof Karls zugegen war, um über Grenzfragen in Bayern zu entscheiden, konnte den Krieg nicht mehr verhindern, denn es ist wahrscheinlich, dass sie den Status Quo beizubehalten wünschten, dies aber mit den fränkischen Absichten, die sicherlich beträchtliche Gebietsabtretungen vorsahen, nicht decken konnten. Die überarbeiteten Reichsannalen geben hierfür den Grund des Krieges an. Auf der Heeresversammlung in Regensburg, bei der Franken, Sachsen, Bayern, Thüringer, Friesen und sogar Slawen zugegen waren, wurde der Krieg beschlossen und Anfang September des Jahres 791 brach man ins Land der Awaren auf.
Motivation für einen Krieg
Es gab eine Reihe von Gründen, die Karl veranlassten gegen die Awaren zu ziehen. Zeitgenossen sahen in einem Awaren den Heiden schlechthin, der alle bösen Eigenschaften (malitia, superbia und iniquitas) zu besitzen schien und sich stets gegen die Kirche und das christliche Volk wendete. Jedoch war die Avarorum malitia nicht mehr als ein Erinnerung, die die Jahrhunderte überlebt hatte. Josef Deer hat sich eingehend mit dem kirchlich-religiösen Motiv als Kriegsgrund beschäftigt. Für ihn scheinen nur älteren Quellen beziehungsweise die unmittelbar zeitgenössische Literatur, den Heidenkrieg als Kriegsgrund anzugeben, „unter vollständiger Verschweigung eines jeden machtpolitischen oder sonstigen nichtreligiösen Motivs“ , dafür aber wurden er umso intensiver propagiert, als es beispielsweise bei dem Krieg gegen die Sachsen getan wurde. Für den Heidenkrieg spricht auch, dass Karl, kurz bevor die Grenze zum Awarenland überschritt, ein dreitägiges Fasten und Beten abhielt, „um dem großen Unternehmen den himmlischen Segen zu sichern“. Ein weiterer Hinweis darauf ist, dass den Feldzug einige kirchliche Große, unter anderem die Bischöfe von Metz, Trier und Regensburg, begleiteten, einerseits um das eigene Heer zu segnen, andererseits um eine eventuelle Missionierung des Landes einzuleiten. Nach Deers Meinung schien dies jedoch nur die Rechtfertigung des Krieges zu sein. Den eigentlichen Grund sieht er dagegen in jüngeren Quellen, beispielsweise die überarbeitete Fassung der Reichsannalen, nämlich Grenzkonflikte am limes certus, die noch aus der Zeit der Agilofingerherzöge in Bayern stammten. Tassilo und seine Vorgänger waren stets damit beschäftigt, ihre Stützpunkte an ihrer Ostgrenze auszuweiten. Nach dessen Unterwerfung verlor Karl keine Zeit, sich die Unterstützung der bayerischen Großen zu sichern. Man musste ihnen neue Möglichkeiten geben zu expandieren und die lagen jenseits der Enns. Dies scheint auch die Art, wie Karl seinen ersten Feldzug gegen die Awaren führte, zu belegen: Mit 2 großen Heeren stieß weit in awarisches Gebiet, um das „von den Awaren unbesiedelt gelassene Grenzödland zu Kolonisationszwecken erobern“26. Für Pohl dagegen spielt die bayerisch-fränkische Ostkolonisation eine untergeordnete Rolle. Für ihn ging es schlicht und ergreifen um Expansion und Beute. Sicherlich wusste Karl von dem ungeheueren Schatz der Awaren, der durch Plünderungen, Lösegeldforderungen und Tributzahlungen ins Unermessliche angewachsen war. Obwohl Einhard in seiner Vita Caroli Magni meint, dass die Awaren allgemein nur als armes Volk betrachtet wurden, berichtet er an anderer Stelle, dass man so viel Gold und Silber fand, „dass mit Recht sagen konnte, die Franken hätten den Awaren das geraubt, was sie früher anderen Völkern ungerechterweise geraubt hatten“28. Es scheint eher unwahrscheinlich, dass Zeitgenossen nichts vom Reichtum der Awaren wussten, haben sie doch seit über zwei Jahrhunderten Westeuropa und vor allem das Byzantinische Reich wiederholt heimgesucht und geplündert. Wahrscheinlich bezieht sich Einhard in seiner Aussage auf das gemeine awarische Volk und weniger auf Adel oder den König, also den Leuten, die im Ring, der Residenzburg der awarischen Könige, lebten und dort ihre Schätze anhäuften. Ein weiterer Grund könnte die Bestrafung dafür zu sein, dass das Volk der Awaren Mitglieder frankenfeindlicher Gruppen, die um Asyl baten, aufnahm, wie etwa nach der Eroberung des Langobardenreiches und Bayerns . Der Pakt mit Tassilo könnte auch eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben.
Der Feldzug Karls des Großen
Was auch immer Karl den Großen bewegt haben mochte, der Feldzug gegen die Awaren stand fest. Das Fleer wurde in zwei Abteilungen geteilt: Die Erste, die sich zum größten Teil O A aus Friesen und Sachsen zusammensetzte und unter der Führung des dux Theoderich und des Kämmeres Meginfred stand, zog nördlich der Donau Richtung Awarenland, während Karl die Hauptabteilung befehligte, die südlich der Donau marschierte. Begleitet wurde das Heer von einer Donauflotte, die mit Bayern besetzt war und von dem praefectus Gerold befehligt wurde. Sie hatte im Besonderen die Vorsorgung sicherzustellen. Mitte August war bereits ein zwei• tes Heer unter Köni• g Pippin von Friaul über Illyrien nach Pannonien aufgebrochen 31. Wegen der Versorgung durch die Flotte folgten die beiden nördlichen Heere der Donau, soweit sie konnten. Es erreichte Anfang September Lorch an der Enns und schlug dort ein Lager auf. Am 5. September begann ein dreitägiges Fasten und Beten. Es wurden Messen abgehalten, um das Heer „für den Sieg und Rache über die Awaren“32 zu segnen. Weiterhin hatten die Priester den Genuss von Fleisch und Wein untersagt, ausgenommen deren, die aufgrund ihrer infirmitas, also ihrer körperlichen Schwäche, vom Verbot entbunden waren. Jedoch konnten sich die Teilnehmer des Feldzuges vom Weinverbot freikaufen. Wie viele Teilnehmer jedoch das Angebot wahmahmen, ist nicht überliefert33. Für Karl dagegen schien das Weinverbot nicht im Geringsten zu stören, dafür aber umso mehr der Verzicht auf den Genuss von Fleisch. Für ihn schienen die drei Tage ein kleines Martyrium zu sein, war er doch der Meinung, „Fasten schade der Gesundheit“34. Die Priester mussten Messen lesen, Kleriker Psalmen singen und die Litaneien beten. Das letzte Zusammentreffen zwischen Kämpfern und Geistlichen sollten noch einmal Mut einflößen und zum Kampf motivieren. Wahrscheinlich übte der Schrecken, den die Awaren verbreitet hatten, immer noch seine Wirkung aus. Nebenbei wurden noch diverse Rechtsangelegenheiten geklärt, etwa der Erbstreit einer angesehenen bayerischen Familie. Eine Urkunde dafür wurde am 20. September ausgestellt, so dass man davon ausgehen kann kann, dass das Heer Ende September abrückte. Aus dem Süden wurde unterdessen der erste Sieg gemeldet: Nachdem Karls Sohn Pippin am 23. August die Grenze von Italien zum Reich der Awaren überschritten hatten, kam es vor einer awarischen Festung zur Schlacht. Die Festung wurde eingenommen, viele Awaren sollen getötet und etwa 150 gefangen wurden sein und. Nach dreitägiger Besetzung zog man sich zurück35. Die beiden nördlichen Heere stießen dagegen ohne Widerstand bis zum Wiener Wald vor. Erst da traf man auf awarische Grenzbefestigungen, die jedoch beim Anblick der fränkischen Heere von ihren Besatzungen aufgegeben wurden36 und dann von den Franken in Ruhe zerstört werden konnten. Dass sich ein Reitervolk hinter Wällen verschanzt, ist im ersten Moment sonderbar, doch zeigen die Ereignisse, wie sehr sich die Awaren von ihrer ursprünglichen, nomadischen Lebensweise entfernt hatten. Dort verließen zwei Gestalten den Heereszug: Ersterer war der 13-jährige Sohn Karls und der O7 spätere Kaiser Ludwig, der zu seiner Mutter Fastrada zurückkehren musste . Der Andere, Angilram, Bischof von Metz, verließ jedoch Karl für immer: Er starb ohne Feindeinwirkung an den schweren Strapazen des Feldzuges, aber es blieb nicht der Einzige, denn mehrere seiner Kollegen, etwa Sindpert von Regensburg, erlitten das gleiche Schicksal38. Ohne auf Widerstand zu stoßen, drangen die Heere bis in die alte römische Provinz Pannonia vor. Womöglich hatte die Niederlage gegen Pippin die Awaren überzeugt, ihre Taktik an der Donau gegen Karls Heer zu ändern. Sie wichen den vorrückenden Heeren aus und vermieden eine offene Schlacht. Diese weniger ruhmvolle Taktik erwies dennoch als wirksam: Während Karl noch bis zum Raab vorstoßen konnte, musste er spätestens da umkehren. Eine Seuche, die neun Zehntel der Pferde hinwegraffte, und die fortschreitende Jahreszeit machten den Franken zu schaffen39. Während das Heer von Theoderich und Meginfred über Böhmen in die Heimat zurückkehrte, kehrte Karl über das antike Savaria (heute Szombathely) heim. Insgesamt verbrachte das Heer 52 Tage im Feindesland, die Rückkehr wird auf Ende Oktober40 oder auf Anfang oder Mitte November vermutet41. Ein greifbares Ergebnis gibt es beim ersten Hinschauen keins: Ein Feldschlacht, mit der man den Feldzug hätte entscheiden können, wurde von den Awaren nicht angenommen. Bis auf einige zerstörte Grenzbefestigungen, ein wenig Beutegut und jeder Menge Gefangenen gab es nicht Handfestes. Das eigentliche awarische Siedlungsgebiet jenseits des Raabs streifte man nur und westlich des Raabs gab es kaum Schätze zum Plündern. Dennoch wertete die karolingische Propaganda den Feldzug als Triumph, denn das Heer konnte, ohne auf wirkliche Hindernisse zu stoßen, im Land der Awaren umherziehen und es verwüsten und plündern. Einzig die Verluste einiger hoher Geistlicher und jede Menge Pferde trübten die Stimmung. Das Land bis zum Wiener Wald dürfte ab da fest in fränkischer Hand geblieben sein. Doch Karl war entschlossener denn je, eine Entscheidung zu erringen und die gesamte Avarica zu unterwerfen, was die Vorbereitungen in den Jahren darauf belegen42.
Die Zeit zwischen 792 und 796
Nach seiner Rückkehr blieb Karl noch bis Ende 793 in Regensburg, die längste Zeit, die er je in einer Gegend verbrachte. Dort bereitete er einen neuen Feldzug gegen die Heiden vor, womöglich um „von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken“43, denn die turbulente Zeit benötigte dringend Entspannung und die war mit einem Sieg gegen die heidnischen Awaren am besten zu erreichen. Als Erstes befahl Karl, dass die Möglichkeiten der Donaumarine verbessert werden sollte: „Auf Flussschiffen wurde eine Brücke erreichtet, die mit Ankern und Seilen so verbunden war, dass man sie zusammensetzen und wieder auseinander nehmen konnte“44. Damit sollte die Mobilität des Landheeres erhöht werden, um sich so besser auf die awarische Ausweichtaktik einstellen zu können. Die zweite vorbereitende Maßnahme war das ehrgeizigste Projekt dieser Zeit: Es sollte ein Kanal zwischen Altmühl und Rednitz und damit eine Verbindung zwischen Donau und Rhein geschaffen werden. So hätte Karl zwischen den beiden Krisengebiete, nämlich Sachsen und dem Awarenland, problemlos Truppen verschieben können. Das Projekt wurde jedoch aus logistischen45 und technischen Problemen sowie anhaltendem Regen46 fallengelassen. Erst 1200 Jahre später sollte das Bauprojekt Erfolg haben. Der „Misserfolg“ in Pannonien und sowie die Abwesenheit Karls nutzten seine Gegner zum Widerstand: 792 erhob sich sein erstgeborener Sohn Pippin der Bucklige, der um sein Erbrecht kämpfte. Der Aufstand wurde aber verraten und Pippin landete für den Rest seines Lebens im Kloster Prüm47. Aber auch im Norden gärte es. Im Sommer 792 wurde eine fränkische Flotte auf dem Rhein angegriffen und 793 brach in Sachsen ein allgemeiner Aufstand los, dem sich auch die Friesen und Slawen anschlossen. Gemeinsam hofften sie auf einen awarischen Gegenschlag48. Der Emir von Cordoba hoffte ebenfalls auf die Stärke der Awaren, um in Spanien freie Hand zuhaben. Dort reagierte er auf die fränkischen Interventionen in seinem Gebiet mit einer Gegenoffensive, bei der er Graf Willhelm von Toulouse, einem Vetter Karl des Großen, schlug49. Die vielen Schwierigkeiten machten einen Feldzug gegen die Awaren nicht nur unmöglich, er wurde gänzlich fallengelassen, und zwar zugunsten einer anderen militärischen Taktik, die Karls Sohn Pippin bereits getestet hatte und die sich als äußerst effektiv herausstellte. Das schwerfällige Riesenheer sollte kleineren Kommandooperationen weichen. Doch wie reagierten die Awaren auf den fränkischen Angriff von 791? Dass die Franken wochenlang ungestört im Land der Awaren verwüsten konnten, musste der Glaubwürdigkeit des awarischen Doppelkönigtums enormen Schaden zugefugt haben. Nicht nur das die beiden Könige, der Khagan und der Iugurrus, während inneren Auseinandersetzungen erschlagen wurden50, die starke Zusammenhalt der Awaren51 ging mit der freiwilligen Unterwerfung des Tudun verloren. Dessen Gesandte erschienen 795 in Hliune an der Elbe vor Karl, die ihm erklärten, dass sich der Tudun samt seinem Gefolge unterwerfen und den christliche Glauben annehmen wollte52. Im Jahr darauf erschien der dieser vor Karl, um sein Versprechen einzulösen. Mit christlichen Glauben gesegnet und reich beschenkt kehrte er in die Heimat zurück53.
Die Plünderung des Ringes und der Aufstand
Die inneren Schwierigkeiten des Awarenreiches nutzten die Franken für ihre Kommandooperationen. Der Slawe Wonomyr, der womöglich besser mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut war und deshalb einem Franken vorgezogen wurde, erreichte 79554 mit einem kleinen Heer den „Ring“ und plünderte diesen. Den „Ring“ beschreibt Notker der Stammler, einem Mönch aus St. Gallen, in seiner gesta Caroli so: „Das Land der Hunnen war von neun Reifen umgeben. [...] Ein einziger Reif war so breit, d. h. er umfasste soviel Raum wie von der Burg Zürich bis Konstanz. Er war von Eichen-, Buchen und Fichtenstämmen so errichtet, dass er sich in einer Breite von 20 Fuß von Rand zu Rand gemessen erstreckte.55“. Die Ringe dienten den Königen nicht nur als Residenz, im inneren Ring sollen auch alle Schätze gesammelt wurden sein56. Die erbeuteten Schätze wurden noch im Winter des Jahres 795 nach Aachen gesandt und dann unter Getreuen des Königs verteilt. Ein großen Teil schenkte Karl dem neuen Papst, Leo III.57 Im folgenden Jahr, vermutlich als sich der Tudun bei Karl aufhielt, zog ein zweites, aus Franken, Langobarden, Bayern und Alemannen besetztes Heer, unter der Führung Pippins und des dux Erichs von Friaul, nach Pannonien. Als das Heer an der Donau lagerte, erschien der neue Khagan, der nach der Ermordung des alten über die Awaren herrschte, in Begleitung seiner Frau und zahlreicher Würdenträger und unterwarf sich den fränkischen Waffen. Danach machte sich das Heer Pippins dennoch daran, über die Donau zu ziehen, den verlassenen Ring zu besetzen, vollständig zu plündern und ihn dann zu zerstören. Damit war das awarische Kerngebiet bis zum Theiß faktisch erobert. Die Reste der freien Awaren flohen hinter die Theiß. Nun war es Aufgabe der Kleriker, die das Heer begleiteten, das awarische Volk zu bekehren. Schon im Lager an der Donau wurde eine Synode unter der Leitung des Patriarchen Paulinus von Aquileia abgehalten, um die wichtigsten Fragen zu erörtern. Alkuin gab Bischof Arn von Salzburg, der ebenfalls der Konferenz angehörte, wichtige Ratschläge mit auf den Weg, ermahnte aber gleichzeitig auch, nicht die selben Fehler zumachen wie bei der Mission der Sachsen 58 . Aber obwohl Paulinus von Aquileia und Arn von Salzburg, der im Zuge der Awarenmission 798 zum Erzbischof ernannt wird, mit viel Hoffnung an die Arbeit gingen, die Awaren zum den christlichen Glauben zu bewegen, wurden sie schnell von der Realität eingeholt. 797 erhoben sich die Awaren das erste Mal, die jedoch von Erich von Friaul niedergeworfen werden konnten. Der Aufstand, der 799 ausbrach, forderte jedoch zwei der vornehmsten Opfer im Krieg gegen die Awaren, der bis dahin „relativ unblutig und äußerst zufriedenstellend für die Franken“60 verlaufen war. Der Präfekt von Bayern und des Ostlandes, Gerold f., fiel in Vorbereitung für einen neuen Feldzug gegen die Awaren. Jedoch kam es nicht bis zur entscheidenden Schlacht, denn er wurde kurz vorher zusammen mit zwei Begleitern ermordet. Der Tod seines Schwagers war für Karl ein herber Verlust, denn Gerold war nicht nur mit ihm verwandt, er war auch einer seiner tüchtigsten Feldherren und Ratgeber. Gerold, der bei den Großen des Reiches und bei der Bevölkerung äußerst beliebt war, fand seine letzte Ruhestätte im Kloster Reichenau. Das zweite Opfer, dux Erich von Friaul, wurde in einem Hinterhalt in der Stadt Tarsatica (heute Trsat, einem Stadtteil von Rijeka) von Aufständischen getötet. Vermutlich wurden diese von den Byzantinern unterstützt, die die Landschaft Libumien, in der die Stadt lag, für sich beanspruchten63. Selbst Alkuin musste wegen der Aufstände Versäumnisse in Awarenmission eingestehen. Dieser doppelte Unglücksfall nahm den Franken die Spitze ihrer Awarenpolitik. Jedoch ist eine Überbewertung des Aufstandes unangebracht: Eine Offensive mit gebündelten Kräften gegen die Franken gab es nicht. Das Jahr 803 forderte zwei weitere hochrangige Opfer: Die Grafen Goteram I. und Cadaloc, die mit der Grenzsicherung beauftragt waren, wurden mit zahlreichen Anderen beim „castellum Guntionis“ (vermutlich das heutige Köszeg) in einen Kampf verwickelt und getötet. Erst als Karl, der seit 800 nun Kaiser war, im selben Jahr persönlich nach Bayern kam und von dort eine Armee gegen die Awaren sandte, kam Pannonien zur Ruhe. Das heimkehrende Heer brachte den aufständischen Tudun mit nach Regensburg, wo er sich Karl unterwarf. Damit war der letzte große Awarenaufstand beendet.
Karls Politik nach der Unterwerfung
Die Quellen geben keine genauen Angaben, ob Vergeltungsmaßnahmen durchgefuhrt wurden, wie etwa im Falle der Sachsen, bei denen Massenhinrichtungen und Deportationen belegt sind. Das Gegenteil war der Fall: Man bemühte sich um eine milde Behandlung, sahen die Missionare in den Awaren „nur noch Seelen, die man für den Glauben gewinnen wollte“. Als Beispiel dient hier die Behandlung der Kriegsgefangenen: Diese sind auf Betreiben Alkuins, dessen Wort in Missionsangelegenheiten großes Gewicht besaß, äußerst mild behandelt wurden und hatten ihre Freiheit recht schnell wiedererlangt. Unter solchen Umständen scheint eine Vernichtung der Awaren, wie sie Notker und Einhard schilderten, falsch. Administrativ tat sich allerdings wenig. Die neu gewonnenen Gebiete in Pannonien wurden zunächst der Provinz Bayern angegliedert und damit dem Präfekten Gerold unterstellt. Königliche missi wurden als Vertreter des öffentlichen Rechts eingesetzt, hatten aber in erster Linie militärische Aufgaben, also den Oberbefehl über die Grenztruppen, kriegerische Unternehmungen gegen benachbarte Stämme oder die Überwachung des Grenzschutzes, wie die beiden 803 gefallenen Grafen Goteram I. und Cadaloc. Aber an eine Einführung der Grafschaftsverfassung, wie sie in Bayern zu finden ist, ist nicht zu denken. Das Gegenteil war der Fall: Lokale awarische und slawische Fürsten herrschten weiterhin über ihre Gebiete, die freilich fränkische Klientelstaaten waren. Lediglich bei den Gebieten zwischen Enns und Wiener Wald und in Traungau wird angenommen, dass sie von Grafen verwaltet wurden. Erst 803 nahm Karl eine Neuordnung im Südosten vor. Das Ostland wurde von der Provinz Bayern abgespalten und bekam einen eigenen Präfekten. Infolge der großen Neuordnung am Jahre 828 durch Ludwig den Deutschen wurden wahrscheinlich dann auch die letzten awarischen Klientelstaaten aufgelöst und dem Frankenreich eingegliedert. Für den Handel zwischen Awaren und Slawen wurden Zollstellen wie die in Lorch aufgebaut, die den Handel regulieren sollten. Das awarische Problem kehrte sich schnell ins Gegenteil um: Die verbliebenen awarischen Bevölkerungsgruppen wurden nun zunehmend von Slawen und Bulgaren bedrängt. Slawen drängten nun mehr und mehr in das fruchtbare Donaubecken, das die Awaren seit über 250 Jahren besetzt hielten. „Nicht Franken, die Slawen wollten also die Awaren aus Interesse und Hass ausrotten“. Den Slawen kam zu Gute, dass die Awaren durch die Kriege mit den Franken und durch innere Kämpfe soweit geschwächt war, so dass sie allmählich die Oberhand gewannen. Karl musste deswegen mehrmals intervenieren. Im Jahr 805 erschien vor ihm in Aachen der christliche Kapkhan Theodor (nicht zu verwechseln mit dem Khagan), mit der Bitte, sich zwischen Savaria und Carnuntum, also im Dreieck Donau, Raab und Neusiedler See, ansiedeln zu dürfen, weil er wegen slawischer Übergriffe in seiner bisherigen Heimat nicht bleiben konnte. Karl zeigte Verständnis und gewährte ihm die Bitte. Reich beschenkt machte Theodor sich auf den Heimweg. Jedoch kam er nicht mehr in Genuss seiner neuen Heimat, denn er starb kurz darauf. Was aus dem awarischen „Reservat“ geworden ist, geben die Quellen nicht her. Zu vermuten ist aber, dass sich die Leute Theodors dennoch dort niederließen. Ein wenig später machte sich auch der Khagan die gute Stimmung in Aachen zu Nutze und schickte Gesandte mit der Bitte um die Wiedererrichtung seiner Herrschaft, die ihm gestattet wurde, jedoch mit der Bedingung, dass der Khagan zum christlichen Glauben Übertritt. Am 21. September wurde er dann in Fischa auf den Namen Abraham getauft. Trotz fränkischer Unterstützung befand sich das awarische Khaganat in ständigen Auseinandersetzungen mit den Slawen, so dass 811 ein fränkisches Heer zur Beendigung der Streitigkeiten nach Pannonien ziehen und die beteiligten Parteien nach Aachen vorladen musste. Dies ist die letzte Erwähnung awarischer Titelträger in den Quellen. Dass die letzte Erwähnung von Awaren, nämlich die awarische Gesandtschaft bei Kaiser Ludwig, bereits 822 war, muss nicht unbedingt eine völlige Ausrottung bedeuten. Vielmehr schien der Awarenname an Bedeutung zu verlieren, die Menschen aber blieben und verschmolzen mit Slawen oder wanderten in das benachbarte Bulgarenreich unter Khan Kram ab.
Schlussbetrachtung
„Der bedeutendste Krieg von allen, die er führte, vom sächsischen abgesehen, war der folgende gegen die Awaren oder Hunnen. Er führte ihn mit mehr Eifer als die anderen und mit weit mehr Rüstungen“ bemerkte Einhard in seiner Biografie zu Karl dem Großen. Doch wie schnell das awarische Khaganat unterwarfen werden konnte, schien selbst Karl zu überraschen. In Anbetracht der spärlichen Resultate in Sachsen, konnten die Franken in nur acht Jahren das gesamte Gebiet bis zum Theiß erobern, ohne große Verluste hinnehmen zu müssen. Doch tatsächlich wurden die Vorbereitungen den Ergebnissen des Krieges kaum gerecht, lediglich was die Beute anbetraf. Weder die vorher so intensiv propagierte Heidenmission konnte in den ersten Jahren erfolgreich durchgeführt werden, was die Aufstände zwischen 797 und 803 zeigen, noch konnte das Gebiet bis auf einige Ausnahmen verwaltungstechnisch erfasst werden. Wenn man den Ergebnissen ein Kriegsziel voranstellen wollte, dann kann dies mit dem Drang nach Ruhm und einem Imperium beschreiben. Die eigentlichen Früchte von Karls imperialer Politik ernteten die Slawen, die sich in das Machtvakuum, das entstanden war, hineindrängten. Sie nahmen die fruchtbaren Gebiete im Ungarischen Becken in Besitz und absorbierten die verbliebenen Bevölkerungsteile, die nicht getötet wurden oder abgewandert waren. Doch auch sie kamen nicht lange in Genuss ihres neuen Zuhauses. Die Bulgaren beanspruchten ebenfalls das Gebiet für sich und es kam in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Franken und Bulgaren. Von Awaren war aber nichts mehr zu hören. Sie verschwanden still und leise aus der Geschichte.
Literatur
- Michael Mitterauer: Karolingische Markgrafen im Südosten. Fränkische Reichsaristokratie und bayerischer Stammesadel im österreichischen Raum. In: AÖG. Nr. 123, 1963.
- Emmerich Schaffran: Hunnen und Awaren im Donauraum. In: Franz Altheim (Hrsg.): Geschichte der Hunnen. Niedergang und Nachfolge. Band 5. Berlin 1962.
- Walter Pohl: Die Awaren. 2. Auflage. C.H.Beck, München 1988, ISBN 978-3-406-48969-3, S. 533.
- Josef Deér: Karl der Große und der Untergang der Awaren. In: Helmut Beumann (Hrsg.): Karl der Große. Persönlichkeit und Geschichte. 3. Auflage. Band 1. Verlag L. Schwann, Düsseldorf 1967, S. 719–791.