Benutzer:DininDaErrtu/Konstruktiver Journalismus
Konstruktiver Journalismus ist eine Strömung im Journalismus, die Prinzipien aus der positiven Psychologie in den Journalismus einbezieht. Konstruktiver Journalismus versucht bewusst auch über positive Entwicklungen zu berichten, um ein einseitiges, negatives Weltbild bei den Konsumenten zu verhindern. Probleme werden dabei jedoch nicht ignoriert, sondern vielmehr um die Diskussion möglicher Lösungsansätze erweitert. Der Begriff konstruktiver Journalismus wurde im skandinavischen Raum von Journalisten wie Cathrine Gyldensted und Ulrik Haagerup geprägt.
Definition des Konstruktiven Journalismus
Ähnlich wie konstruktive Kritik nicht nur aufzählt, was schlecht gelaufen ist, sondern auch Verbesserungsvorschläge macht und positive Aspekte hervorhebt, setzt auch Konstruktiver Journalismus bewusst auf eine Berichterstattung, die nicht nur Probleme thematisiert, sondern hilft, Lösungen für ebendiese Probleme zu finden[1].
Ein oft geäußerter Anspruch des Konstruktiven Journalismus ist die Abbildung eines realistischen Weltbilds. Er soll einen journalistischen Negativ-Bias vermeiden und positive Entwicklungen gleichberechtigt mit Problemen thematisieren. Ziel ist eine kritische Berichterstattung ohne gleichzeitige Verzerrung der Realität durch Einseitigkeit oder Schwarz-Weiß-Malerei. Diese Berichterstattung soll geprägt sein von einer konstruktiven statt einer negativen Grundeinstellung. So bemüht sich Konstruktiver Journalismus auch, Auseinandersetzungen nicht als chronische Konflikte, sondern als Dilemmata darzustellen, in denen beide Seiten Gründe für ihr Handeln haben[2].
Der Konstruktive Journalismus grenzt sich vom Positiven Journalismus dadurch ab, dass Kernziele des Journalismus weiterhin erfüllt bleiben müssen: Der Konstruktive Journalismus begreift sich wie der „klassische“ Journalismus als 4. Macht im Staat und sieht sich in einer Wächterfunktion, um gesellschaftliche Probleme aufzudecken und auf die Behebung mit hinzuwirken.
Eine wichtige Rolle im Konstruktiven Journalismus stellt das Bewusstsein um die Auswirkungen der Berichterstattung auf Konsumenten und Gesellschaft dar. Grundlegende psychologische Erkenntnisse über diese Auswirkungen sollen helfen, eine bewusste und verantwortungsvolle Berichterstattung aufzubauen. Der Konstruktive Journalismus hat hier zahlreiche Gemeinsamkeiten mit dem Friedensjournalismus.
Eine weitere Basis des Konstruktiven Journalismus ist eine starke Orientierung auf die Zukunft. Konstruktive Journalisten wie Cathrine Gyldensted kritisieren „klassische“ Journalisten oft dafür, zu sehr auf die Gegenwart und die Vergangenheit gerichtete Fragen zu formulieren (um herauszufinden, wie der jetzige Zustand entstanden ist und wer die Schuld daran trägt), anstatt sich darauf zu konzentrieren, wer wie helfen kann, einen Wandel zu bewirken[3].
Wissenschaftliche Basis
Der Vorwurf eines negativen Trends in der Medienberichterstattung wurde international in verschiedenen Studien untersucht[4] und bestätigt, darunter auch in Deutschland[5]. In Verbindung damit wurde auch die besonders hohe Porträtierung von Hilflosigkeit festgestellt[6]. Eine Umfrage der schwedischen Stiftung Gapminder in mehreren westlichen Ländern zeigte zudem, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine übertrieben pessimistische Einstellung zu exemplarischen Sachverhalten wie Alphabetisierungsquote, Impfquote oder der Entwicklung von Kindersterblichkeit und Toten durch Naturkatastrophen besitzt[7].
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass aus einer positiven Grundstimmung die Fähigkeit, kreativ Probleme zu lösen, deutlich höher ist als aus einer negativen Grundstimmung heraus[8]. Negative Stimmungen, wie sie zum Beispiel durch negative Nachrichtenbeiträge erzeugt werden können[9] [10], verringern dagegen die Leistungsfähigkeit [11].
Ersten Untersuchungen zufolge sind die Auswirkungen konstruktiver Berichterstattung auf den Konsumenten unter anderem ein als besser empfundenes Verständnis, ein höheres Interesse für die porträtierte Problematik und eine höhere Handlungsbereitschaft[12].
Konstruktiver Journalismus in Deutschland
Im Vergleich zum internationalen Umfeld ist konstruktiver Journalismus in Deutschland gering verbreitet. Keines der großen deutschen Medienhäuser hat bisher explizit eine Sektion für konstruktive Berichterstattung eröffnet. Jedoch haben Magazine wie der Spiegel und die Zeit darauf hingewiesen, künftig vermehrt konstruktiv berichten zu wollen. Spiegel Online startete 2015 unter Florian Harms eine Reihe konstruktiver Artikel zu verschiedenen Themen[13].
In Deutschland sind es vor allem kleinere Portale, die sich dem konstruktiven Journalismus verschrieben haben. Hier verwischt jedoch oft die Grenze zwischen positivem, lösungsorientiertem und konstruktivem Journalismus.
Das deutsche öffentlich-rechtliche Kinderfernsehen arbeitet mit den Methoden des konstruktiven Journalismus.
2016 soll mit dem Online-Medium Perspective Daily das erste Medienangebot starten, das rein konstruktiven und lösungsorientierten Journalismus anbietet.
Konstruktiver Journalismus im internationalen Umfeld
- In den Niederlanden ist 2013 nach einer Crowdfunding-Kampagne das konstruktive Online-Medium De Correspondent gestartet.
- Die Times Media Group (TMG) in Südafrika hat Journalisten speziell in konstruktivem Journalismus ausbilden lassen.
- Der dänische Cavling-Preisträger 2012, Asbjorn With, arbeitete in seinem ausgezeichneten Beitrag mit Methoden des konstruktiven Journalismus.
- Unter Alan Rusbridger startete The Guardian seine konstruktive Keep it in the Ground Kampagne für Divestment aus fossilen Brennstoffen.
- Mehrere internationale Zeitungen haben konstruktive Sektionen gestartet, darunter die Huffington Post ("What's working?"), die Washington Post ("The Optimist") und die New York Times ("Fixes").
- Channel 4 berichtete unter dem Titel Meet the Superhumans 2012 konstruktiv über die Paralympics.
Literatur
- ↑ Constructive Journalism Project: What is Constructive Journalism. abgerufen am 24. Dezember 2015 (HTML, englisch, Text liegt unter Button Characteristics of constructive journalism.)
- ↑ Constructive Journalism Project: What is Constructive Journalism. abgerufen am 24. Dezember 2015 (HTML, englisch, Text liegt unter Button Characteristics of constructive journalism.)
- ↑ Cathrine Gyldensted: From Mirrors to Movers: Five Elements of Positive Psychology in Constructive Journalism. CreateSpace Independent Publishing Platform, 2015, 978-1514777497.
- ↑ Grace Ferrari Levine: "Learned Helplessness" and the Evening News In: Journal of Communication. Volume 27, Nr. 4, 1977, DOI:10.1111/j.1460-2466.1977.tb01863.x
- ↑ Matthias Heinz, Johan Swinnen: Media sland in economic news: A factor 20 In: Economic Letters. Volume 132, 2015, S. 18-20, DOI:10.1016/j.econlet.2015.04.011
- ↑ Grace Ferrari Levine: "Learned Helplessness" and the Evening News In: Journal of Communication. Volume 27, Nr. 4, 1977, DOI:10.1111/j.1460-2466.1977.tb01863.x
- ↑ Guido Mingels: Ingoranz-Test: Wissen Sie wirklich, wie es um die Welt steht? In: Spiegel Online. 10. September 2014, abgerufen am 24. Dezember 2015 (HTML, deutsch)
- ↑ Alice M. Isen, Kimberly A. Daubman, Gary P. Nowicki: Positive affect facilitates creative problem solving. In: Journal of Personality and Social Psychology. Volume 52, Nr. 6, 1987, S. 1122-1131.
- ↑ Wendy M. Johnston, Graham C. L. Davey: The psychological impact of negative TV news bulletins: The catastrophizing of personal worries. In: British Journal of Psychology. Volume 88, Nr. 1, 1997, S. 85-91,DOI:10.1111/j.2044-8295.1997.tb02622.x.
- ↑ E. Alison Holman, Dana Rose Garfin, Roxane Cohen Silver: Media's role in broadcasting acute stress following the Boston Marathon bombings. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Volume 111, Nr. 1, 2013, S. 93-98.
- ↑ Shawn Achor, Michelle Gielan: Consuming Negative News Can Make You Less Effective at Work. In: Harvard Business Review. 14. September 2015, abgerufen am 24. Dezember 2015 (HTML, englisch.)
- ↑ Alexander L. Curry, Keith H. Hammonds: The Power of Solutions Journalism. Abgerufen am 24. Dezember 2015 (PDF, englisch).
- ↑ Florian Harms: Artikel, die weitergehen. In: Spiegel Online, SpiegelBlog. 14. August 2015, abgerufen am 24. Dezember 2015 (HTML, deutsch)