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Leben
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Göta Tellesch geb. 1932 in Duisburg. 1953-54 Schule für Kunst und Handwerk, Saarbrücken. 1954 Städelschu le Frankfurt bei Georg Meistermann. 1955-61 HFBK Berlin bei Karl Hartung und Hans Uhl mann, Meisterschülerin. 1965 USA-Stipendium. 1966 Villa Romana-Preis, Florenz. Seit 1967 Mitglied des Dt. KB. 1969 Gründung der Projektgruppe,,Spielumwelt" in der Neuen Ges. für Bil dende Kunst (NGBK), Berlin. Von 1972-1980 in der Lehre tätig: zunächst projektbezogener Lehr auftrag für visuelle Kommunikation am FB Architektur der HFBK, ab 1973 dort Entwicklung neu er, eigener Programme bzw. Theorie und Methoden der Kreativität. Entwicklung von Methoden des dreidimensionalen Raumzeichnens und einer neuen Entwurfsmethode (,,Semantische Topolo gie"). Lebt freischaffend in Berlin.
Göta Tellesch hat die Farbe zum zentralen Thema ihrer Arbeit gemacht. Schon 1957-61 experi mentiert sie mit Streifenbildern. Sie reduziert sehr bald die ursprünglich noch verschieden breiten Streifen auf gleiche Breiten, um das Figur-Hintergrund-Problem aus ihrer Malerei zu entfernen, das den autonomen Charakter der Farbe beeinträchtigt. - Abgesehen von einigen Farbversuchen in farbigen Weißtönen, verwendet sie ungebrochene spektrale Töne größtmöglicher Leuchtkraft. - Das visuelle Konzept der spektralen Farbübergänge (seit 1961) entwickelt sich aus den Erfahrungen und Versuchen mit Streifenbildern gleicher Breite.
1961-64 setzt Göta Tellesch zwei vertikal verlaufende Farbkontinuen übereinander. Die beiden tiefenräumlich divergierenden Farbkontinuen dieser Bilder werden durch bestimmte, sich gegen überstehende Verknüpfungszonen gleicher Tiefenräumlichkeit zu einem einheitlich definierbaren Bildraum integriert, der insgesamt einen flächigeren Charakter hat als die Bilder der nachfolgenden
Jahre. Hier mögen traditionelle Vorstellungen, nach denen die Malerei in der Fläche zu bleiben ha be, auf diese Phase der Entwicklung noch mit eingewirkt haben. - Bereits 1964 malt sie jedoch eini ge tiefenräumlich wirkende Kontinuen mit vertikal verlaufenden Übergängen und durchbricht da mit das Konzept der noch flächigen Bilder mit doppelten horizontalen Verläufen. In ihrer künstleri schen Biografie (1980) betitelt sie das Kapitel 1965-1967 mit ,,Amerika und der Schritt in die Räumlichkeit" (Stipendium 1965). In Florenz (Villa Romana-Preis) verarbeitet sie den USA-Auf enthalt. Seitdem faszinieren sie,,die tiefenraumschaffenden Möglichkeiten der Farbe, die nicht durch formale Perspektive, sondern allein durch die räumlichen Qualitäten von Farbe und Farbre lationen entsteht . . . Die Möglichkeiten eines Farbraums, der atmet, . . . der,Ausdruck eines körperlichen Zustandes von Klarheit, Durchlässigkeit, Strömen, Farbklima, befreiter Räumlich keit'. . ."
In Florenz entstehen 1966 die ,,großen Farbwellen" und eine ,,trompe-l'oeil-Welle". Es sind dies Objekte mit plastisch gewellter Oberfläche. Ein Volumen-Raum wird von einem mit ihm nicht identischen Farbraum überlagert. Die Wahrnehmung oszilliert zunächst zwischen,,Farbraum" und ,, Volumenraum" und erfindet schließlich einen dritten Raum, der sich aus ,,Raum durch Vo lumen und Raum durch Farbe" bildet.
- Nach Amerika,,träumt" sie von ,,runden Räumen, Kuppeln mit horizontalen Farbwellen, von ei nem Rundum-Farbklima: - Meine Phantasie ging aus den Bildräumen hinaus, ich wollte Räume gestalten und etablieren, die ihren Ort gezielt im öffentlichen Bereich haben sollten".
Die meisten dieser räumlich expansiveren Konzepte konnte sie aus ökonomischen Gründen viele Jahre nicht selbst verwirklichen. Sie versucht im Rahmen von Auftragsvergaben für Kunst im öf fentlichen Raum einige Konzepte zu entwickeln, oder vorhandene anzubieten (z. B. ein Oktoskop kino auf einer Eislauffläche). Seit 1976 entstehen Bilder auf gespannter Gaze: ,,Farbraumfenster".
tiefen durchdringbares Farbklima ist ihnen eigen. Korrekturen zerstören die Transparenz der Gaze.
fast wie mit farbigem Licht gemalt, ein luzides und für die Wahrnehmung bis in die weitesten Bild Hier ist der materielle Charakter der Farbe auf ein Minimum reduziert. Diese Gazescreens wirken ,,Bei den Farbraumfenstern auf Gaze spielt der real vorhandene Raum zwischen Gaze und lichtre flektierender Rückwand eine wichtige Rolle für die Raumwirkung und die Luzidität, die Transpa renz und die Tiefe des Farbraums. Das von der Bildrückwand zurückgeworfene Licht verstärkt die Wirkung der Immaterialität und Durchlässigkeit des Raums." 1977 erweitert Göta Tellesch das visuelle Konzept der Farbraumfenster. Durch Anbringung verti kaler, paralleler Spiegel an den Rändern des Gazescreens vervielfältigen sich die horizontalen Farb strahlen des Farbfeldes endlos. Die Farbübergänge laufen, beidseitig vom Standpunkt des Wahr nehmenden sich perspektivisch verkleinernd, in einem visuell schon nicht mehr faßbaren aller kleinsten Punkt im Unendlichen zusammen, in dem aus der Perspektive des Betrachters die Farb strahlen nicht mehr farbig unterschieden werden können (Titel der Arbeit: ,,Unendlicher Farbho rizont“). Seit 1976,,kontrolliert" Göta Tellesch die farbige Richtigkeit ihrer Bilder mit dem Ver such, ob sie sie,,Weiß" sehen kann. Ab etwa 1979 haben sich diese Erfahrungen so verdichtet, daß das Erlebnis des Weißwerdens der Bildfläche auch bei Menschen auftritt, die davon gar nichts ah
nen: ,,Ich folge beim Malen den Farboszillationen, die im Auge, bei entspannter Betrachtung, an den Rändern eines Farbübergangs auf der Bildfläche erscheinen. Auf diese Weise erweitere ich beim Malen das Farbfeld bis zu einer Ausdehnung, bei der die Akkumulation der auf das Auge einwir kenden Farbenergien einen Prozeß der farbigen Veränderungen durch das Auge auslöst. Dieser hat nicht den Charakter der farbigen ,Rütteleffekte' mancher Werke der Op art (einseitige Komple mentäreffektwirkungen), sondern eher den zeitlichen Charakter eines ruhigen Atmens. Er kulmi niert (da alle drei für die verschiedenen Farbbereiche zuständigen Verarbeitungssysteme des Auges durch die empirische Vorgehensweise gleichmäßig in Anspruch genommen werden) in einem me ditativen Moment des Anblicks von weißem Licht: Alle Farben verschwinden für kurze Zeit. Da nach tauchen langsam die Farben des Bildfeldes wieder auf (in besonderer räumlicher Prägnanz).
Die Farbabfolgen des Bild-Erlebens verlaufen individuell und auch nach Stimmung und Befind lichkeit (Entspanntheit) verschieden." (1982 briefl.) Bis 1968 malt Göta Tellesch ihre Verläufe mit dem Pinsel, seitdem mit der Spritzpistole. Bei dem Versuch, eine Technik zu entwickeln, bei der die den Originalen innewohnende Farbpräzision auch für künstlerische Originaldruckgrafik ermöglicht werden sollte, erfindet sie, zusammen mit Horst Rudolph, 1980 eine Technik der Steuerung von Halbtonverläufen, mit deren Hilfe das sonst nur re produzierende Offsetverfahren zur Technik der Herstellung von künstlerischen Originalgrafiken wird. Hinzu kommt eine Zusatzeinrichtung, durch die, über die Möglichkeit ihres eigenen visuel len Konzepts paralleler Verläufe hinaus, eine Herstellung von Verlaufsmustern möglich wird. Dies dürfte für die Textil- und Musterindustrie sowie für die Hersteller von Graukeilen in der Repro technik nicht uninteressant sein. 1982 realisiert sie endlich ihre Träume von 1965, Rundumhori zonte und farbige Wirklichkeiten herzustellen: Im Rahmen, und durch teilweise Finanzierung ei ner Ausstellung,,Wahrnehmungsräume", für die sie auch insgesamt einen Konzeptrahmen ent wickelt:
,,Das ,Farbraumspektrum' von 1981 (s. Abb.) ist ein künstlerisches Farblichtenvironment, das ein Ort der intensiven Farberfahrung für alle Besucher ist. Es ermöglicht ein,mit dem ganzen Körper in Farbe sein'. Anders als bei einem Bild wird der Körper zum Verbündeten der Imagination." (Anm. z. Farbraumspektrum 1982) - (Briefl. 1982:),,Das in Zusammenarbeit mit dem Institut für Lichttechnik entwickelte Beleuchtungssystem projiziert die spektrale Abfolge des Regenbogens in den gesamten Raum... Die Raumform ist vom Grundriß her ein Halbkreis von 9 m Durchmes ser und einer Wandhöhe von ca. 2,50 m. Die Zeltdecke aus absorbierendem schwarzem Stoff steigt zum Kreismittelpunkt leicht an, wodurch der Eindruck von Raumtiefe nach oben entsteht (Nach thimmel). Weiße Wände und weißer Fußboden reflektieren den spektralen Verlauf. Die Schatten der Besucher sind nach beiden Seiten verdoppelt und heben sich farbig vom Hintergrund ab (stär ker als auf der Abb. sichtbar). Sie verändern ihre Größe je nach Abstand von der Reflektionsfläche.
Die Farbe der Schatten verändert sich außerdem, je nach Position des Besuchers im spektralen Ver lauf. Das Farbraumspektrum eröffnet außer dem elementaren Erlebnis mit dem ganzen Körper in Farbe zu sein und der spielerischen Beziehungsaufnahme zum eigenen Farbschatten (und dem Schatten anderer) die Möglichkeit, farbchoreographischer Materialaktionen (Folien und Stoff
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arten, welche sich bei Bewegung innerhalb der spektralen Sequenz verändern), als auch die Mög lichkeit zu tänzerischen und dramatischen Inszenierungen. Das Farbraumspektrum und Farb schattentheater wäre auch in vergrößerter Form als Bühne realisierbar. Erweiternd möchte ich ger ne einen kreisförmigen Raum verwirklichen, der auch ein,diachromes Spektrum' beinhaltet; d. h.: einen Raum, der total in eine spektrale Farbe getaucht ist, die sich langsam in der spektralen Se quenz verändert, so daß erst, wenn die Raumbeleuchtung einmal das ganze Spektrum in der Zeit durchlaufen hat, das Aufblühen des synchronen Spektrums, des Regenbogens erfolgt." (Text in Zusammenarbeit mit G. T.)
KaB: ,,Baukasten für Erwachsene" (Jahresausgabe des DGBK 1968); 1970 7 × 3 m großes Wandbild für die FU Ber lin; 1970 mit der Gruppe ,,Spielumwelt" ,,Spielclub Kulmerstr." (einjähriges Modellobjekt für 7-13jährige) sowie zwei mehrtägige Großfeste für Kinder (400 und 180 Teiln.); 1973 Spielenvironment für 3-6jährige (Spiellabyrinth Ackerstr.)
Lit.: 1962, Preis der Jugend, Stuttgart; Gal. Diogenes, Berlin; seit 1963 (K)e der GBK/bzw. FBK; (K) GMK 1963; seit 1964 (K)e des Dt. KB; (K) actuell 65, Bern 1965; (K) Byron Gall. New York 1966; 1967,,junger westen", Recklinghausen; 1968,,Visuell konstruktiv", Berliner Künstler d. Gegenwart (KV Berlin); ,,Berlin-Kunst", Gal. 66 Hofheim/Ts. (KV Berlin); 1969,,1. Salon der Dt. Kunstkritik" im Städt. Mus. Wiesbaden und im v.
d. Heydt. Mus. Wuppertal; Dienst 1970; Farb. Kurzfilm in der Berliner Abendschau, Sept. 1973 (das Spiel labyrinth); Lucie Schauer, Magazin Kunst H. 34, Jg. 9, Buntes Kinderparadies, eine Spielspirale von G. T. im Bezirk Wedding; 1977: Künstlerinnen; ,,Kunstübermittlungsformen vom Tafelbild bis zum Happening", NBKV in der Neuen Nationalgal. Berlin; ,,Zum Beispiel Villa Romana", KH Baden-Baden und Recklinghau sen; ,,I materiali del linguaggio" Palazzo Strozzi Florenz; 1978: ,,Kunst im Raum der Architektur", KH Ber lin; ,,Abstrakte Definition des Raums" Neue Nationalgal.; (K) Berliner Künstler der Gegenwart, H. 38 NBKV 1980, G. T. 1957-1980 (Texte: Lucie Schauer, Eberhardt Roters, G. T).
Schriften (Auswahl)
Schau'n mer mal
Literatur
- Ulrika Evers: Deutsche Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. Hamburg: Ludwig Schultheis-Verlag, 1983. ISBN 3-920855-01-9. S. 340 f.
Einzelnachweise