Benutzer:DocMario/HSC
Die Hämatopoetische Stammzelle (HSZ, engl. hematopoietic stem cell; HSC) ist die Grundlage für die Blutbildung. Hämatopoetische Stammzellen werden bereits seit über vierzig Jahren in der Behandlung von Erkrankungen des Blutsystems eingesetzt.
Bis zum heutigen Tag existiert keine umfassende, einheitliche Definition der hämatopoetischen Stammzelle, da noch kein universelles Oberflächenprotein ausgemacht werden konnte, das allen HSZ – und nur diesen – gemeinsam wäre. Als allgemein anerkannte Arbeitshypothese zur Definition einer Stammzelle dient deren beobachtete Fähigkeit, durch mehrere Teilungszyklen hinweg sich selbst zu erneuern und dabei jedoch verschiedenartige Nachfolgerzellen zu generieren[1]Till und McCulloch 1961</ref>[2]. Für postembryonale Stammzellen wurden nach diesen Kriterien vor allem die hämatopoetischen Stammzellen umfassend charakterisiert.
In den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts konnten diese Stammzellen erstmals anhand der klonalen Proliferation von Knochenmarkszellen in myeloerythroiden Kolonien in der Milz eines letal bestrahlten Tieres beschrieben werden[1]. Diese Zellen erzeugten in einigen Fällen Tochterzellen, die in sekundäre Empfänger weitergegeben wurden und dort alle Blutzellenreihen regenerieren konnten[3] sie erfüllten damit die Forderungen nach der Fähigkeit zur Selbsterneuerung. Die Fähigkeit der Differenzierung in alle Zelllinien der Hämatopoese wird in vivo und in vitro mit verschiedenen Methoden nachgewiesen; z.B. in vivo in letal bestrahlten Mäusen mit Knochenmarktransplantation (KMT) (Kamel-Reid und Dick 1988; McCune, Namikawa et al. 1988; Mosier, Gulizia et al. 1988; Szilvassy, Lansdorp et al. 1989), in Langzeitkultur-Assays für die myeloische Differenzie-rung (Mergenthaler 1985), in Whitlock-Medium für die lymphatische Differen-zierung (Whitlock, Robertson et al. 1984) und in modifizierten Kultursystemen für beide Zelllinien (Huang, Law et al. 1999; Punzel, Wissink et al. 1999).
Funktionsuntersuchungen der HSZ
Trotz weitgehender Identifizierung des Blutstammzellphänotyps in der Maus fehlen bisher spezifische ontogenetische Oberflächenmarker für die unter-schiedlichen Entwicklungsstufen früher hämatopoetischer Progenitoren (Spangrude, Heimfeld et al. 1988; Uchida und Weissman 1992). Daher werden Stammzelleigenschaften üblicher Weise in Funktions- oder Transplantations-modellen nachgewiesen. Neben den gebräuchlichen Zellkultur-Experimenten in kontrollierter Laborumgebung gibt es auch in vivo Ansätze zum Nachweis humaner hämatopoetischer Stammzellen im Tiermodell.
in vitro Untersuchungen
Ogawa und Mitarbeiter entwickelten Anfang der achtziger Jahre den ersten in vitro Assay für humane hämatopoetische Stammzellen, der gegenüber 5-Fluorouracil (5-FU) resistente Vorläuferzellen mit sekundärem, wieder herstel-lendem Potenzial beschreibt (Nakahata und Ogawa 1982; Leary und Ogawa 1987). Die Kolonien dieser so genannten „Colony forming cells" (CFC) produ-zierten zwischen 50 und 500 unreife hämatopoetische Zellen. Bradley et al. ha-ben diesen Assay weiter entwickelt und so genannte "High proliferative poten-tial-CFC" (HPP-CFC) entwickelt. Mit 5x104 Zellen/Kolonie kann der HPP-CFC Assay das Proliferationspotenzial bestimmter Vorläuferzellen bewerten (Hodgson und Bradley 1979). Die Arbeitsgruppe von Sutherland entwickelte Ende der achtziger Jahre den so genannten „Long-term Culture Initiating Cell“ (LTC-IC) Assay, der wesentlich unreifere und den Stammzellen enger verwandte Progenitoren beschreibt. Die-se Vorläuferzellen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach mehr als fünf Wo-chen in vitro Kultur noch in der Lage sind, sekundäre CFC zu generieren (Sutherland, Lansdorp et al. 1990). Ähnlich wie die LTC-IC, beschreiben so ge-nannte CAFC („Cobblestone Area Forming Cells“) den gleichen Progenitortyp (Cohen, Canellos et al. 1980; Gordon, Hibbin et al. 1985). Crooks und Hao haben den LTC-IC Assay auf mehr als 60 Tage Langzeitkultur erweitert und nennen diese Zellen E-(„Extended”) LTC-IC (Hao, Shah et al. 1995; Hao, Thiemann et al. 1996). Alle Langzeitkultur-Assays bestimmen in erster Linie Vorläuferzellen, die eine gewisse Korrelation zu den HSZ zeigen, aber ausschließlich myeloisch determi-niert sind. Der erste Assay für primitive lymphatische Vorläuferzellen wurde von Miller (Miller, Verfaillie et al. 1992; Miller, Alley et al. 1994; Miller, McCullar et al. 1999) und in ähnlicher Weise von Lotzova et al. entwickelt (Lotzova, Sava-ry et al. 1993). Diese so genannten „Natural Killer Initiating Cells“ (NK-IC) und „B Initiating Cells“ (B-IC) beschreiben hierbei unreife Vorläuferzellen, die nach 5-7 Wochen Langzeitkultur noch in der Lage sind, multiple und funktionelle reife NK-Zellen bzw. B-Zellen zu generieren. Der erste in vitro Assay für humane HSZ, der sowohl mehrere Differenzierungs-linien als auch die Selbsterneuerungskapazität auf Einzelzellebene nachweisen kann, wurde von Punzel et al. mit einem Kombinationsassay aus LTC-IC und NK-IC entwickelt. Einzelzellen, die in der Lage sind multiple, sekundäre mye-loische (LTC-IC) als auch lymphatische (NK-IC) Vorläuferzellen zu generieren, wurden als ML-IC („Myeloid-lymphoid initiating cells“) bezeichnet (Punzel, Wissink et al. 1999). Dieser Assay erlaubt zusätzlich zur funktionellen Quantifi-zierung auch Aussagen zur Selbsterneuerung und Differenzierung der primiti-ven HSZ–Kandidaten. Hao et al. haben ein ähnliches Kultursystem entwickelt, in dem nach der Expansion von CD34+/CD38- Zellen Tochterzellen einzeln sortiert wurden, um sowohl LTC-IC als auch CD19+ B-Zellen zu generieren (Hao, Smogorzewska et al. 1998). Im Gegensatz zu dem Kultursystem von Pun-zel et al. ist es jedoch mit diesem Ansatz nicht möglich, die primäre Ausgangs-zelle exakt zu determinieren oder zu quantifizieren.
in vivo Untersuchungen
Transplantations-Assays sind aus verständlichen Gründen im humanen System nicht durchführbar. Daher wurden so genannte Ersatz- oder Surrogate-Assays entwickelt, in denen über das Engraftment (Anwachsen) von humanen Stamm-zellen in immundefizienten Empfängertieren die Stammzellfrequenz bestimmt werden kann. Tierexperimentelle in vivo Transplantations-Assays wurden spe-ziell im Maussystem etabliert und dort extensiv untersucht. Hier konnten Weissman, Spangrude und Uchida bestimmte Oberflächenmarker beschreiben, die den Stammzellphänotyp (Thy-1.1lo; Sca-1hi; Lin-/lo) der Maus darstellen (Spangrude, Heimfeld et al. 1988; Uchida und Weissman 1992). Darauf aufbau-end entwickelten die Autoren den so genannten „Long-term Competetive Re-populating Cell“ (LTC-RC)- Assay. In diesem Assay konkurrieren Zellen syn-gener Mäuse, die sich nur in einem Oberflächenmarker unterscheiden (z.B. Ly4 und Ly5), um das Engraftment im Empfängertier. Die Stammzellfrequenzen können dann aus dem Verhältnis von Empfänger- zu Spenderhämatopoese be-stimmt werden (Spangrude, Muller-Sieburg et al. 1988; Morrison und Weissman 1994). Die meisten Daten über humane HSZ wurden im NOD-SCID („nonobese diabetic severe combined immunodeficiency“) Mausmodell ermittelt. Humane Progenitoren, die nach der Transplantation in diesen Tieren nachgewiesen werden, werden als „SCID repopulating cells“ (SRC) bezeichnet und weisen im Vergleich zu den in vitro Systemen deutlich niedrigere Frequenzen auf (Nolta, Hanley et al. 1994; Larochelle, Vormoor et al. 1996). In wiefern diese SRC wirk-lich mit humanen Stammzellen identisch sind, ist bisher noch weitgehend un-klar. Zudem stellt das artfremde Microenvironment eine Engraftmentbarriere dar, welcher durch Gabe von humanen Zytokinen entgegen gewirkt werden muss, um das Absterben bzw. Ausdifferenzieren der Zellen zu verhindern (Lapidot, Pflumio et al. 1992). Ein weiteres xenogenes in vivo Assaysystem für die Bestimmung menschlicher Stammzellen ist das fötale Schaf. Hierbei werden humane Zellen in Schafföten in utero transplantiert. Durch die noch nicht ausgeprägte Immunkompetenz dieser Föten gelang auch hier der Nachweis von humanen Spenderzellen in al-len hämatopoetischen Geweben und im peripheren Blut über mehrere Jahre (Srour, Hoffman et al. 1992; Zanjani, Ascensao et al. 1992; Zanjani, Flake et al. 1994).