Benutzer:Elisabeth Neureiter/Soziolinguistik

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Soziolinguistik ist eine Spezialisierung innerhalb der Linguistik, die sich mit kultur- und gesellschaftsspezifischen Sprachformen beschäftigt. Ferner ist sie eine linguistische Disziplin, die in einer engen Beziehung mit der angewandten Linguistik, der allgemeinen Linguistik sowie der historisch-vergleichenden Linguistik steht. Sie weist Überschneidungen mit der Soziologie, der Anthropologie, der Sozialpsychologie und der Erziehungswissenschaft auf.


Einführung

Der Gegenstand der Soziolinguistik ist die soziale Bedeutung sprachlicher Systeme und der Variationen ihres Sprachgebrauchs. Dieser Problemstellung wird im wesentlichen unter zwei verschiedenen Fragestellungen nachgegangen:

Untersucht wird sozialer Status und soziale Funktion von Sprache. Der Leitsatz von Untersuchungen im Feld der Sprachsoziologie wurde von Joshua Fishman mit folgender Frage formuliert: Wer spricht welche Sprache wie und wann mit wem unter welchen sozialen Umständen und mit welchen Absichten und Konsequenzen?
  • Mikrobereich der Soziolinguistik:
  1. Varietätenlinguistik beschreibt Variation und Wandel des Sprachgebrauchs und erklärt die Funktion und den Gebrauch von Dialekten, Soziolekten und Regiolekten etc..
  2. Unter Interaktionaler Soziolinguistik versteht man die soziale Bedeutung sprachlichen Handelns in der Interaktion. Untersucht werden konstituierende Prozesse von Produktion und Verstehen in der wechselseitigen Interaktion von Interaktanten. Zur interaktionalen Soziolinguistik zählt man weiters Diskursanalyse, Ethnographie des Sprechens, Konversationsanalyse und interkulturelle Kommunikation.


Begriffe soziolinguistischer Relevanz

Diastratische (schichtenspezifische Unterschiede einer Sprache betreffend) Varietät, welche direkt mit der sozialen Schichtung bzw. Schichtenzugehörigkeit der SprecherInnen verbunden ist.
Die Standardsprache zeichnet sich durch Überregionalität aus, wogegen Umgangsprachen eine mehr oder weniger weit reichende, jedoch regional begrenzte Ausdehnung haben. Unter funktionaler Perspektive wird Umgangssprache oft auch als Alltagssprache bezeichnet. Standardsprache wäre im Gegensatz dazu eher für öffentliche, offizielle und institutionelle Kommunikationszusammenhänge reserviert.
  • Extralinguistische Faktoren von soziolinguistischer Bedeutung:
Soziale Schichtung/Klasse, Alter, Geschlecht, Bildung, Gruppe (Sondersprachen), Rolle


Geschichte

Der Begriff Sociolinguistics wurde im Jahr 1952 zum ersten Mal bei Haver C. Currie [1] in Projection of Sociolinguistics: Relationship of Speech to Social Status verwendet. Der Wortstamm 'Soci' bildet zusammen mit dem Wort 'Linguistik' den Begriff Sozio-Linguistik. Der eigentliche Beginn der Soziolinguistik geht auf Basil Bernstein zurück, der die Sprache der Unterschicht sowie der Mittel- und Oberschicht untersuchte. Das Ergebnis der Untersuchung war seine Defizithypothese, die der Linguist William Labov als nicht legitime Bewertung ansah und die Differenzhypothese aufstellte. Die im deutschen Sprachraum gemachte Unterscheidung zwischen Sprachsoziologie und Soziolinguistik gab es im angelsächsischen Raum nicht. Der Linguist Hugo Steger betrachtete 1973 die Variabilität in Sprachen und in welchen Formen sie allgemein auftraten. Der deutsche Soziolinguist Norbert Dittmar untersuchte zur gleichen Zeit die gesellschaftlichen Bedingungen und die Anwendung linguistischer und sozialwissenschaftlicher Methoden. 1997 strich Norbert Dittmar die soziale Bedeutung in Sprachsystemen heraus und differenzierte die soziolinguistischen Fragestellungen. Erwähnt wird hier die Soziologie, mit ihren Kategorien: soziale Systeme, Image, Prestige und Stigmatisierung, die Dialektologie, die Ethnographie der Kommunikation, sowie die Interaktionsanalyse.


Linguistische Disziplinen von soziolinguistischer Bedeutung

Innerhalb der Soziolinguistik beschäftigen, beziehungsweise überschneiden sich Themen und haben gemeinsame oder ähnliche Untersuchungsgegenstände:

  • Öffentlicher Sprachgebrauch: Sprache in Politik, Medien und Werbung
  • Sozialdialektologie
  • Varietätenlinguistik
  • Fachsprachenforschung


Weitere Möglichkeiten der Einteilung

  • Die philosophisch-anthropologische Soziolinguistik betrachtet die Sprache als Träger einer wichtigen Funktion in den Bereichen Weltsicht, Kultur und Gesellschaft.
  • Die psychologische Soziolinguistik beschäftigt sich mit menschlichen Denken im Zusammenhang mit Sprache und betrachtet den Spracherwerb, die Spracherziehung und den Bezug zur Sprache.
  • Die soziologisch-gesellschaftswissenschaftliche Soziolinguistik setzt sich mit der Gesellschaftsstruktur auseinander. Die Sprache innerhalb von Gruppen, Ethnien oder Minderheiten ist hier zentrales Thema.
  • Die interaktionistisch-kommunikationstheoretische Soziolinguistik beschäftigt sich mit der Analyse von Gesprächen.
  • Die eigentliche linguistische Soziolinguistik identifiziert und analysiert das Sprachsystem.
  • Die germanistische Soziolinguistik bezieht sich auf Sprache in der deutschsprachigen Gesellschaft.


Literatur

  • Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft, 3. aktualisierte und erweiterte Auflage, Alfred Kröner Verlag, 2002
  • Dittmar, Norbert: Soziolinguistik. Heidelberg, Groos 1996, ISBN 3-87276-753-4
  • Fishman, J.A.:Sociolinguistics. Brief Introduction, Rowley/Mass 1970
  • Hymes, Dell: Soziolinguistik: Zur Ethnographie des Sprechens. 1. Auflage, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3-518-07899-2
  • Labov, W.(1966):The Social Stratification of English in New York City, Washington D.C. 1966
  • Linke, Angelika : Studienbuch Linguistik. 5., erw. Aufl. . - Tübingen : Niemeyer, 2004. ISBN- 3-484-31121-5.
  • Löffler, Heinrich: Germanistische Soziolinguistik, 3. überarbeitete Auflage, Erich Schmidt Verlag 2005
  • Schlieben-Lange, Brigitte : Soziolinguistik : eine Einführung / Brigitte Schlieben-Lange. - 3., überarb. und erw. Aufl. . - Stuttgart 1991, ISBN 3-17-011237-6
  • Veith, Werner H.: Soziolinguistik. Ein Arbeitsbuch., 2. überarb. Aufl., Narr, Tübingen 2005, ISBN 3823361988


Siehe auch


Anmerkungen

[1] Currie, Harver C. (1952): A projection of sociolinguistics: the relationship of speech to social status. In: Southern Speech Journal 18 (1), 28-37