Benutzer:Fg68at/Baustelle/Gastarbeiterdeutsch-Übergangsvarietät

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Gastarbeiterdeutsch ist ein Begriff, mit dem in den 1970er und 1980er Jahren Varietäten der deutschen Sprache bezeichnet wurden, welche sich unter Arbeitsmigranten entwickelt hatten. Heute werden Begriffe wie Gastarbeiter und Gastarbeiterdeutsch als pejorativ und diskriminierend eingestuft.

Hintergrund

Die BRD holte in den 1950er Jahren Arbeitskräfte aus Südeuropa und Nordafrika nach Deutschland, welche auch in der Politik als "Gastarbeiter" bezeichnet wurden. Dieser Begriff ist jedoch problematisch, da er suggeriert, dass faktische Einwanderung ein vorübergehender, reversibler Prozeß sei. Diese Ansicht, welche sich auch im ursprünglich angestrebten und bald gescheiterten Rotationssystem äußerte, gilt inzwischen als überholt.

Wissenschaftlich betrachtet handelt es sich bei diesen „gebrochenen“ Sprachvarietäten um typische Übergangsvarietäten während eines langfristig fortschreitenden kollektiven Sprachwechsels der einzelnen Gruppen der Sprachträger, also eine typische Übergangsform beim Wechsel zu einer anderen Sprache. Dabei handelt es sich auch nicht um eine Form des ebenfalls sozial negativ konnotierten Pidgin, wie oft fälschlich behauptet wird, weil die dafür zugrundeliegenden soziologischen Faktoren nicht zutreffen. Pidginsprachen sind im Vergleich Verkehrssprachen bzw. Handelssprachen und zählen zu den vereinfachten Sprachregistern (Foreigner Talk, Baby Talk, Reduktionssprache). Pidgin ist überdies Zweitsprache und nicht Muttersprache.

Charakteristik

Sprachlich charakteristisch für die Übergangsvarietät sind mannigfaltige Vereinfachungen durch Reduktionen der strukturellen Muster der Zielsprache wie etwa beim sogenannten „Gastarbeiterinfinitiv“, welche unter foreigner talk bzw. Ausländerregister einzustufen sind. Dazu kommen ein starker Akzent, ein relativ kleiner Wortschatz und simple Satzkonstruktionen. Diese Varietät wird von der deutschen Gesellschaft stark stigmatisiert (ähnlich der Abwertung des Dialekts gegenüber der sprachlichen Standardvarietät).

Historische Entwicklung

Die historische Entwicklung der Varietät beginnt bei der ersten Generation der Migranten, welche primär in der Regel im Heimatland kulturell wie sprachlich sozialisierten, welcher in der Hauptsache keinerlei organisierter deutschsprachiger Sprachunterricht zuteil wurde. Folglich ist die Varietät sozial in dieser ersten Generation verwurzelt und wurde weitergetragen in die zweite und dritte Generation. Diese Nachfolgegenerationen wuchsen in der Hauptsache in der Bundesrepublik auf und sind mit der deutschen Sprache als sekundärer Muttersprache sozialisiert. Diese sprachliche Sozialisation verlief jedoch mehr „recht als schlecht“ (Metzler). Gründe der Problematik liegen in der doppelseitigen Halbsprachlichkeit (Semilingualismus) und im muttersprachlichen Unterricht.

Beispiele

  • „Kollega“: Kollege (auch außerhalb der Arbeitswelt)
  • „Weiß nix“ bzw. „Ich nix wissen“: „Ich verstehe das nicht“ oder „Ich weiß keine Antwort“
  • „Hast Du Problem?“: „Hast Du ein Problem?“
  • „Zapp-Zarapp“: Diebstahl
  • „Dire-Dare“: Bezahlen

Siehe auch

Zitat

  • Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es kamen Menschen. (Max Frisch)

Quellen

  • Helmut Glück (Hrsg): Metzler-Lexikon Sprache. 2000

Mein Text

Gastarbeiterdeutsch (GAD) ist ein Begriff, mit dem in den 1970er und 1980er Jahren Varietäten der deutschen Sprache bezeichnet wurden, welche sich unter (temporären) Arbeitsmigranten entwickelt hatten. Es ähnelt einer Pidgin-Sprache. Heute werden Begriffe wie Gastarbeiter und Gastarbeiterdeutsch ausserhalb der Linguistik meist als pejorativ und diskriminierend eingestuft und man spricht treffender von Halbsprachigkeit und Semilinguismus.

Erstmalig untersucht wurde diese Varietät im deutschen Sprachraum 1968 durch den australischen Germanisten Michael Clyne. Sein Ergebnis war, dass es trotz der unterschiedlichen Herkunft und Muttersprachen einheitliche Tendenzen in ihrem deutschen Sprachgebrauch gibt. Clyne bezeichnet diesen Sprachgebrauch der Arbeitnehmer als “Befehlssprache”, die “zum größten Teil von Deutschen veranlaßt ist, von den Gastarbeitern nachgeahmt [wird]”. Manche Deutsche verfallen in der Unterhaltung mit einem fremd aussehenden Arbeiter automatisch in diese Varietät, ohne vorher zu wissen wie gut die Gesprächspartner Deutsch verstehen und sprechen.

Nach Stölting-Richert wird die nachfolgende Forschung in zwei Phasen eingeteilt:

  • 1968-1977 wurde das Deutsch der Gastarbeiter auf die Abweichungen vom Standarddeutschen untersucht
  • ab 1978 “erweitert sich die Perspektive um den Prozeßcharakter des Erwerbs und Gebrauchs”.


Folgende Regelmäßigkeiten lassen sich in der Gastarbeitersprache feststellen:

  1. Verwendung von 'Einwortsätzen'
  2. Häufung von Adverbien bzw. Adverbialphrasen
  3. Ausfall von Präpositionen
  4. Ausfall von Pronomina
  5. Ausfall von Kopula
  6. Ausfall von Flexionsmorphemen
  7. Ausfall des bestimmten Artikels
  8. Verwendung von subjektlosen Sätzen
  9. Verwendung von verblosen Sätzen
  10. einheitlicher Gebrauch eines verallgemeinerten Infinitivs anstelle einer konjugierten Verbform
  11. einheitlicher Gebrauch des Pronomens du als Anredeform in Verbindung mit der Infinitivform des Verbs
  12. die Tedenz zum Analytischen und
  13. eigentümliche Satzstellungsmuster.
  14. “nix” ersetzt die Bedeutung von “nichts”, “nicht” und “kein”


Literatur

  • Christiane von Strutterheim: Temporalität in der Zweitsprache - Eine Untersuchung zum Erwerb des Deutschen durch türkische Gastarbeiter, Walter de Gruynter, 1986 Berlin
  • Inken Keim: Gastarbeiterdeutsch - Untersuchungen zum sprachlichen Verhalten türkischer Gastarbeiter, TBL Verlag gunten Narr, 1978 Tübingen
  • Marija Orlovic-Schwarzwald: Zum Gastarbeiterdeutsch Jugoslavischer Arbeiter im Rhein-Main-Gebiet, Franz Steiner Verlag GMBH, 1978 Wiesbaden
  • PFAFF, Carol W. 1981. "Incipient Creolization in Gastarbeiterdeutsch? An experimental sociolinguistic study." Studies in Second Language Acquisition 3:2.165�78.

Siehe auch