Benutzer:Gallograph/AbiBac (Berlin)

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Ulrike Scheffer: Deutsch-französische Beziehungen: Grenzgängerin. In: tagesspiegel.de. 11. Juni 2001, abgerufen am 16. April 2021.</ref>

Das AbiBac ist der deutsch-französische Schulabschluss am Ende der 12- oder 13-jährigen Schullaufbahn, bei dem gleichzeitig je ein Zeugnis des deutschen (in diesem Fall: Berliner) Abiturs und des französischen Baccalauréats verliehen wird – es handelt sich um eine Doppelqualifikation, die 1994 von Deutschland und Frankreich auf Regierungsebene ins Leben gerufen wurde und 2001 (etwa in Berlin) die ersten Absolventen hervorgebracht hat.

Grundlegendes

Am 31. Mai 1994 wurde im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Élysée-Vertrag) von 1963 in Mülhausen (frz. Mulhouse) eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich geschlossen, die die Grundlagen für die Doppelqualifikation zur Hochschulzugangsberechtigung in beiden Ländern legte. [1] Dieser Vertrag wird kurz „Vertrag von Mülhausen“ (frz. Traité de Mulhouse), die Doppelqualifikation selbst –in beiden Ländern– AbiBac (aus Abitur und Baccalauréat) genannt.

Aufgrund der Kulturhoheit der Länder nach § 30 GG ist die tatsächliche Ausgestaltung dieses Vertrages gewissen Schwankungen unterworfen; hier wird daher die Situation im Bundesland Berlin dargestellt, die allein für sich schon nicht gänzlich einheitlich ist.

Für die Organisation des AbiBac von französischer Seite ist seit einigen Jahren zentral die Académie de Strasbourg im Elsass zuständig. Die nach Deutschland entsandten Prüfer (frz. examinateur bzw. examinatrice, oft fälschlicherweise als inspecteur bzw. inspectrice bezeichnet) kommen von dort, und die Zeugnisse des Baccalauréat werden dort ausgestellt.

Berliner AbiBac-Schulen

Aktuell (Stand 07/2021) bieten fünf Berliner Oberschulen das AbiBac an:

Nr. Schulname Bezirk Ortsteil Schulnr. Plätze
1 Romain-Rolland-Gymnasium Reinickendorf Wittenau 12Y07 60
2 Rückert-Gymnasium Tempelhof-Schöneberg Schöneberg 07Y02 60
3 Sophie-Scholl-Schule (ISS) Tempelhof-Schöneberg Schöneberg 07K01 ?
4 Französisches Gymnasium Berlin Mitte Tiergarten 01Y07 24
5 Moser-Schule* Charlottenburg-Wilmersdorf Westend 04P24 ?

* : Schweizer Privatschule, Eigenschreibweise „Moser Schule“ (bzw. frz. École Moser)

In Berlin (und auch in Brandenburg) erfolgt der Übergang von der Grund- zur Oberschule gewöhnlich nach der 6. Klasse (= im Alter von 12 Jahren). Abweichend hiervon wechseln die Schüler bereits nach der 4. Klasse (= im Alter von 10 Jahren) in einen grundständigen bilingualen deutsch-französischen Zug des Romain-Rolland- oder Rückert-Gymnasiums. An der Sophie-Scholl-Schule, die als SESB fungiert und eine Kooperation mit der Georg-von-Giesche-Schule (ISS bis Klasse 10, ebenfalls Schöneberg) unterhält, erfolgt der Übergang wahlweise nach der 4. oder 6. Klasse. Das Französische Gymnasium (FG), das organisatorisch nach französischem Muster funktioniert, beginnt seine Section AbiBac mit der Seconde, d. h. mit dem Übergang vom Collège zum Lycée (= im Alter von 15 Jahren). Die Moser-Schule wiederum beginnt mit ihrem bilingualen Parcours nach der 4. Klasse.

Unterricht

Der Unterricht im Hinblick auf das Erreichen des AbiBac untergliedert sich grundsätzlich in das Fach Französisch einerseits und in die bilingualen Sachfächer (frz. Disciplines non linguistiques bzw. kurz DNL) andererseits. Letztgenannte rekrutieren sich in Berlin zum überwiegenden Teil aus dem zweiten, dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld: Geschichte, Geografie, Politikwissenschaft (PW); das seit dem Schuljahr 2019/20 ebenfalls formal zum 2. Aufgabenfeld zählende Fach Ethik spielt hier keine Rolle.

Die Sophie-Scholl-Schule, die als ISS in den Klassen 7–10 ein fusioniertes Fach „Gesellschaftswissenschaften“ hat, das es am Gymnasium nur in den Klassen 5 und 6 gibt, unterrichtet neben diesem auch Biologie auf Französisch. Am FG ... An der Moser-Schule ...

Der Unterricht im Fach Französisch ist gemäß den Ausführungsvorschriften über bilingualen Unterricht [2] in jeder Klassenstufe der Sekundarstufe I, zu der hier auch die Klassen 5 und 6 rechnen, verstärkt. Ab Klasse 7 wird das Fach Geografie (mit doppelter Stundenzahl), ab Klasse 8 dazu das Fach Geschichte bilingual, d. h. mit einem (stets steigenden) Anteil des Französischen als Unterrichtssprache erteilt. Seit der verordneten Herauslösung eines Faches „Politische Bildung“ (PB) aus dem Fach Geschichte (vorher „Sozialkunde“ im Rahmen des Geschichtsunterrichts) zum Schuljahr 2019/20 findet der entsprechende politisch-sozialkundliche Unterricht in deutscher Sprache statt; die Zahl der auf Französisch unterrichteten Sachfachstunden hat sich hierdurch um ein Fünftel reduziert.

In folgender Tabelle sind beispielhaft für das Romain-Rolland-Gymnasium die Stundenzahlen für Französisch und für die Sachfächer im bilingualen Zug dargestellt (hellgelb hinterlegt ist der Sachfachunterricht in französischer Sprache):

Kl. Französisch
Français
Geografie
Géographie
Geschichte
Histoire
PB/PW*
Politologie*
5 7 2 als „Gesellschaftswissenschaften“
6 6 2 als „Gesellschaftswissenschaften“
7 5 2 2 1
8 4 2 2 1
9 4 2 2 1
10 4 2 2 1
11 5 3 3 (3)**
12 5 (3)** 3 3

* : in Frankreich meist Sciences politiques genannt; PB = Politische Bildung (Klasse 7–10), PW = Politikwissenschaft (Oberstufe)
** : nur bei zusätzlicher Wahl von Grundkursen in deutscher Sprache

Lehrinhalte

Die Unterrichtsinhalte unterscheiden sich im Grundsatz nicht von den üblichen Berliner Rahmenlehrplänen für die einzelnen Fächer. Wo es möglich ist, werden bevorzugt Beispiele herangezogen, die mit Frankreich oder weiteren frankophonen Ländern im Zusammenhang stehen, oder es werden Betrachtungsweisen bzw. Methoden herangezogen, die in der französischen Unterrichtspraxis üblich sind. Im Fach Französisch ist der Unterricht stärker als sonst literaturorientiert, da die abschließende mündliche Prüfung nach französischer Tradition als Literaturprüfung gilt.

Prüfungen

Alle Angaben beziehen sich auf Jahre ohne Besonderheiten wie die Covid-Pandemie.

Leistungskurs Französisch (Klausur)

Die Kandidaten erhalten dieselben Prüfungsaufgaben, die ihnen auch in allen „normalen“, d. h. nicht-bilingualen Französisch-Leistungskursen vorgelegt werden. Es handelt sich um eine literarische und eine nicht-literarische Textvorlage, jeweils mit drei Teilaufgaben, und um zwei Mediationsaufgaben. Aus beiden Bereichen muss je eine Aufgabenstellung ausgewählt werden.

Die Berliner Bewertung erfolgt nach denselben Kriterien wie in nicht-bilingualen Französisch-Leistungskursen. Es findet eine Erst- und eine Zweitkorrektur statt, wobei der Zweitkorrektor von derselben Schule oder von einer von der zuständigen Senatsverwaltung bestimmten Partnerschule kommen kann. Hierbei geht die sprachliche Leistung zu 60 %, die inhaltliche Leistung zu 40 % in die Gesamtbeurteilung ein.

Nach Abschluss der Berliner Korrektur und Erteilung einer Note bzw. Punktzahl werden die Klausuren einem Repräsentanten des französischen Bildungsministeriums vorgelegt, der auf der Basis eines französischen Bewertungsschemas seinerseits eine Bewertung „sur vingt“, also nach den französischen Bewertungsgepflogenheiten, Maximalpunktzahl 20, durchführt.

Die Berliner Punktzahl geht in die Gesamtqualifikation des Berliner Abiturs, die französische Punktzahl ins Baccalauréat ein.

Zweiter Leistungskurs (Klausur)

In diesem in deutscher Sprache erteilten Leistungskurs wird wie üblich eine Berliner Note bzw. Punktzahl erteilt, die direkt ins Berliner Abitur (Gesamtqualifikation) einfließt. Das genaue Ergebnis wird nach der Konversionstabelle ins frz. Schema überführt und fließt so ins Baccalauréat ein.

Grundkurs Geschichte (Histoire, Klausur)

In Berlin ist das Fach Geschichte für AbiBac-Kandidaten stets 3. Prüfungsfach im Abitur.

Eine Kommission, die von der zuständigen Senatsverwaltung bestellt ist und sich aus Fachlehrern der beteiligten Oberschulen rekrutiert, erstellt komplett französischsprachige Klausuren für das Abitur in Geschichte. Den Kandidaten werden am Prüfungstag drei verschiedene Klausuren (Themenvorschläge) vorgelegt, aus denen sie eine auswählen müssen.

Die Berliner Bewertung erfolgt nach denselben Kriterien wie in nicht-bilingualen Geschichts-Grundkursen. Es findet eine Erst- und eine Zweitkorrektur statt, wobei der Zweitkorrektor i. d. R. von derselben Schule kommt. Hierbei geht die inhaltliche Leistung i. d. R. zu 85 %, die sprachliche Leistung zu 15 % in die Gesamtbeurteilung ein, wie es auch in deutschsprachigen Klausuren des 2. Aufgabenfeldes üblich ist.

Nach Abschluss der Berliner Korrektur und Erteilung einer Note bzw. Punktzahl werden die Klausuren einem Repräsentanten des französischen Bildungsministeriums vorgelegt, der auf der Basis eines französischen Bewertungsschemas seinerseits eine Bewertung „sur vingt“, also nach den französischen Bewertungsgepflogenheiten, Maximalpunktzahl 20, durchführt.

Die Berliner Punktzahl geht in die Gesamtqualifikation des Berliner Abiturs, die französische Punktzahl ins Baccalauréat ein.

4. Prüfungsfach (mündliche Prüfung) und 5. Prüfungskomponente

Diese beiden Prüfungen (bei der 5. PK unabhängig davon, ob eine Präsentationsprüfung oder eine BLL gewählt wurde) bleiben von den AbiBac-Regelungen unangetastet.

Zusätzliche mündliche Prüfung im Leistungskurs Französisch

Alle Kandidaten müssen sich einer am Ende des Prüfungsparcours liegenden zusätzlichen mündlichen Prüfung im Fach Französisch von 30 Minuten Dauer unterziehen. Diese Prüfung ähnelt den üblichen mündlichen Prüfungen in Französisch (ggf. den entsprechenden „normalen“ Zusatzprüfungen) von 20 Minuten Dauer, hat aber eine rein literarische Orientierung. Zudem übernimmt eine Person, die vom französischen Staat beauftragt ist, den Vorsitz (frz. examinateur bzw. examinatrice). Die Bewertung erfolgt mittels eines französischen Bewertungsschemas „sur vingt“.

Zusammensetzung der Bac-Note

Die Note des Baccalauréat setzt sich zu je einem Sechstel aus den folgenden Teilnoten „sur vingt“ zusammen:

  • der Klausurnote im Leistungskurs Französisch (Bewertung seitens des frz. Prüfungsbeauftragten);
  • der Note in der mündlichen Zusatzprüfung in Französisch (Bewertung seitens des frz. Prüfungsbeauftragten);
  • der Klausurnote im Grundkurs Geschichte (Bewertung seitens des frz. Prüfungsbeauftragten);
  • der nach Konversionstabelle ermittelten Durchschnittsnote der vier Sachfach-Grundkurse neben Geschichte (Geografie, PW);
  • der nach Konversionstabelle ermittelten Klausurnote im zweiten Leistungskurs;
  • der nach Konversionstabelle ermittelten Durchschnittsnote aus 4. Prüfungsfach und 5. Prüfungskomponente.

Dies bedeutet, dass die Berliner Semesternoten in Französisch und in Geschichte nicht ins Baccalauréat, sondern nur ins Abitur einfließen.

Aus der Liste sind nur die ersten vier Noten für die Entscheidung relevant, ob das Baccalauréat bestanden worden ist: Es müssen im französischen Bewertungssystem 10 von 20 Punkten, la moyenne genannt, erreicht worden sein. Eine weitere Voraussetzung ist das Bestehen des Berliner Abiturs – ohne Abitur kein Baccalauréat (Doppelqualifikation). Danach treten die letzten beiden Noten hinzu, um die Endnote für die Zuerkennung eines Prädikates zu ermitteln. Bis heute (Stand: 07/2021) werden, trotz Überlegungen in Frankreich, diese generell abzuschaffen, die folgenden Prädikate (frz. mentions) zuerkannt:

  • très bien („sehr gut“) ab 16/20 (16 von 20, „seize sur vingt“)
  • bien („gut“) ab 14/20 aber < 16
  • assez bien („ziemlich gut“) ab 12/20 aber < 14
  • passable (eigentlich kein Prädikat, auf Dt. etwa „okay“, „bestanden“; um nicht „ohne“ ausrufen zu müssen)

Das bis vor einigen Jahren noch verwendete Prädikat très bien avec félicitations du jury (vgl. summa cum laude) ab 18/20 ist abgeschafft worden.

Zeugnisse und Anerkennung

Bei der Verleihung der Berliner Abiturzeugnisse erhalten die erfolgreichen Kandidaten ein Attestation genanntes Papier, das über die erreichten Leistungen im Rahmen des Baccalauréats Auskunft gibt. Die eigentlichen, aufwendig erstellten Bac-Zeugnisse kommen einige Wochen später aus Straßburg nach Berlin und können zu Beginn des Folgeschuljahres in den Schulsekretariaten abgeholt werden.

Das Berliner Abiturzeugnis berechtigt wie sonst zum direkten Hochschulzugang in Deutschland, das Bac-Zeugnis zum direkten Hochschulzugang in Frankreich, d. h. ohne weitere Anerkennungsschritte. Aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsmodi kann es in Abhängigkeit von den gewählten Kursen und den Prüfungsergebnissen dazu kommen, dass das Bac-Ergebnis, umgerechnet ins deutsche Notensystem nach Konversionstabelle, eine bessere Durchschnittsnote ergibt als das Berliner Abitur selbst. Auf der Basis der geltenden Rechtsvorschriften kann man sich das Bac-Resultat bei einer Senatsstelle validieren lassen und sich so auch in Deutschland im Hinblick etwa auf den Numerus Clausus einen Vorteil sichern.