Benutzer:Georgfluegel/Stiftung GFZ
Die Stiftung GFZ (Gemeinnützige Frauen Zürich) ist eine Stiftung nach Schweizer Recht mit Sitz in Zürich.
Kinderbetreuung im Wandel
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die Industrialisierung in allen europäischen Ländern durchgesetzt und die alten Gesellschafts- und Familienformen sind bereits ziemlich aufgemischt. Die Familie zeigt sich inzwischen als selbstständige wirtschaftliche Gemeinschaft, welche die Generationenabfolge sichern muss. Somit tragen die Kinder in diesem Kontext die Rolle, für Kontinuität in der Familienwirtschaft zu sorgen. Die Mutterschaft stand also primär im Interesse der Familiengemeinschaft. Mit dem Übergang zur Moderne entstehen neue Freiräume. Die Familie wird nicht länger auf ihre Funktion als Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft reduziert und die Frauen werden neu über die Familie definiert. Mit der Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau, zwischen Aussenwelt und Heim, entsteht eine neue Vorstellung von männlicher und weiblicher „Natur“: Von der Frau wird Selbstzurücknahme und Selbstaufgabe erwartet. Mit dem Wandel der Geschlechterrolle verändert sich auch der Blick auf das Kind: Es wird als Individuum wahrgenommen, dessen persönliche Entwicklung von Interesse ist; vorerst gilt dies nur in gebildeten Kreisen und im Adel, gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch im Bürgertum. Jene Frauen, die es sich leisten können, geben häusliche Aufgaben ab; im Gegenzug entsteht ein idealisiertes Mutterbild. Es erstaunt nicht, dass gerade bürgerliche Frauen damit begannen, ihre Wertvorstellungen von Erziehung aus der eigenen Familie nach aussen zu tragen:
Ein Ausdruck davon ist die Gründung der Stiftung GFZ 1885. Zu Beginn richtet GFZ ihre Tätigkeit darauf aus, Frauen zu einer Berufsbildung zu verhelfen. Die dazu angebotene Kinderbetreuung ist geprägt von Gehorsam, Ordnung, guten Sitten, Respekt und Reinlichkeit. 125 Jahre später verfolgt die Stiftung – wohlverstanden im heutigen gesellschaftlichen Kontext – vergleichbare Ziele: GFZ steht umfassend für das Wohl des Kindes und die Anliegen von Frauen und Familien ein. Ihr Kerngeschäft ist auf die familienergänzende Kinderbetreuung fokussiert. Die Kinderbetreuung hat über die letzten hundert Jahre wiederholt Impulse aus der Pädagogik erhalten. GFZ hat sich mit ihren pädagogischen Ansichten immer wieder neu positioniert, etwa mit einem eigenen pädagogischen Konzept. Dieses postuliert, die Betreuung und Erziehung auf das Wohl des Kindes und seine Bedürfnisse auszurichten. Das heutige Angebot der familienergänzenden Kinderbetreuung ist eine feste, auch politische Errungenschaft. Paare und Eltern erhalten damit Gestaltungsraum für verschiedene Familienmodelle und Lebensformen. Frauen können einen aktiven Part im Erwerbsleben spielen, ohne auf Kinder verzichten zu müssen. Das Angebot erleichtert ihnen zudem die Aus- und Weiterbildung, wovon auch die Wirtschaft profitiert, die mehr gut ausgebildete Frauen braucht. Der familienergänzenden Betreuung kommt eine weitere Bedeutung zu, die für die langfristige Entwicklung unserer Gesellschaft wesentlich ist: Die Integration der Kinder aus zugewanderten Familien. Auf sie sowie auf Kinder aus bildungsfernen Familien wirkt sich die frühe Förderung überproportional positiv aus und verbessert so deren Chancen als junge Erwachsene.
Gründung der Stiftung GFZ
Um das wahre Wohl des weiblichen Geschlechtes zu fördern, gründen bürgerliche Frauen 1885 den „Frauenverein Zürich und Umgebung“, der sich später zum Gemeinnützigen Frauenverein Zürich und schliesslich im Jahr 2014 zur heutigen Stiftung GFZ umwandelte. Zu den ersten Aktivitäten der GFZ zählten die Errichtung einer Arbeitsvermittlung, einer Flickschule, eines Lesesaals für Frauen und Töchter am Sonntagnachmittag und Kurse zur Haushaltungskunde.
Als die GFZ 1895 ihre erste Kindertagesstätte im Zürcher Arbeiterquartier Aussersihl eröffnete, wurde dies als eine vorübergehende Notlösung für arme Familien betrachtet. Die damalige Forderung nach Kinderkrippen ist vor allem im Zusammenhang mit den Folgen der Industrialisierung und den damit einhergehenden Veränderungen zu sehen. Frauen waren zunehmend gezwungen, einen Beitrag zum Familieneinkommen zu leiste, da der Verdienst der Väter oftmals nicht ausreichte, um die gesamte Familie zu ernähren. Damit einher gingen jedoch auch Probleme wie die zunehmende Verwahrlosung von Kindern, mangelnde Hygiene oder eine hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit. Vor diesem Hintergrund ist das erste Engagement der GFZ in der Kinderbetreuung zu sehen.
Entsprechend der damals vorherrschenden Probleme stand in den ersten Jahrzehnten in den Krippen die Pflege, Ernährung und Hygiene im Vordergrund. Kinderkrippen wurden damals, auch von GFZ selbst, als Institutionen auf Zeit, als etwas Unübliches und als Notlösungen verstanden und wahrgenommen, welche obsolet werden würden, sobald sich die Lebensbedingungen der Menschen so zum Positiven verändern würden, dass sie die Betreuung in der Familie gewährleisten können.
Neben der Pflege der Kinder wurde in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch grosser Wert auf die richtige und wenn nötig auch strenge Erziehung gelegt. Die Kardinaltugenden lauteten Gehorsam, Pünktlichkeit, Fleiss, Reinlichkeit, Anstand und gute Sitten. Die Erziehung spielte auch in den Nachkriegsjahren eine wichtige Rolle in der Kinderbetreuung, erhielt allerdings unter dem Einfluss der neu entstehenden Kinderpsychologie und der Sozialpädagogik einen anderen Stellenwert. Ausgiebig diskutiert wurde das Thema Erziehung noch einmal in den 1970er-Jahren, als die antiautoritäre Erziehung in Mode kam. GFZ hielt davon wenig und blieb pragmatisch: Kinder sollten nach fortschrittlichen Gesichtspunkten betreut und nach Möglichkeit gefördert werden und sie sollten vor allem eines dürfen: Kinder sein, auch wenn festgestellt wurde, dass Erziehung nach wie vor wichtig sei.
Angebotserweiterung
GFZ hat in ihrer 130-jährigen Geschichte konsequent daran gearbeitet, den unterschiedlichen Ansprüchen und Anforderungen an ausserfamiliärer Kinderbetreuung im Allgemeinen und an eine Kinderbetreuungsinstitution im Speziellen gerecht zu werden, indem sie sich einerseits auf ihre Tradition stützte und anderseits den sich verändernden gesellschaftlichen Bedürfnissen offen begegnete.
Mittlerweile betreut GFZ mehr als eintausend Kinder und ist zur grössten privaten Anbieterin für familienergänzende Kinderbetreuung in der Stadt Zürich geworden. Das Angebot beschränkt sich seit sechs Jahren nicht mehr ausschliesslich auf die Betreuung in den mittlerweile zwölf Kindertagesstätten. Seit der Übernahme des Tagesfamilienvereins im Jahre 2009 bietet GFZ, als gleichwertige Alternative zur Kindertagesstätte, Betreuungsplätze in Tagesfamilien an. Bei Tageseltern finden Kinder, vom Säuglingsalter bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit, individuelle Betreuung in einem familiären, alltäglichen Rahmen. Mit der Eröffnung des Familienzentrums Katzenbach im Zürcher Quartier Seebach im Jahr 2012 und dem Familienzentrum Zeltweg im Quartier Hottingen zwei Jahre später, erweiterte GFZ seine Angebotspalette erneut. Die Familienzentren setzen sich mit sozialpädagogischen Schwerpunkten auseinander, indem sie adäquate Unterstützungsstrukturen aufbauen und entsprechende offene Angebote für Familien mit Kindern entwickeln und verfügbar machen.
GFZ will die verschiedenen Geschäftseinheiten Kindertagesstätten, Tagesfamilien und Familienzentren nicht für sich alleine stehend wissen und die Weiterentwicklung der jeweiligen Bereiche isoliert betrachten. Vielmehr geht es ihr darum, den gegenseitigen Austausch zwischen den einzelnen Geschäftseinheiten zu fördern und zu intensivieren, sodass die vielfältigen Erfahrungen nutzbar gemacht und dadurch die Kinderbetreuung weiterentwickelt werden kann. Die Vision der GFZ ist es, die erste Wahl in der Kinderbetreuung zu sein. Durch ihre Professionalität, ihre hohen Qualitätsansprüche und durch die Umsetzung der neuesten Forschungskenntnisse ist sie unverwechselbar und wird ihrer Vision damit gerecht.
Veränderungen auf organisatorischer Ebene
Die Entwicklung der GFZ von einem überschaubaren, wohltätigen Verein zu einer grossen, professionellen Stiftung brachte notwendigerweise auch Veränderungen auf organisatorischer Ebene mit sich. Mehr als hundert Jahre wurden die Vorstands- und Vereinsaktivitäten von ehrenamtlich tätigen Frauen getragen. Das quantitative Wachstum der GFZ und die zunehmenden Anforderungen an die familienergänzende Kinderbetreuung überstiegen im Laufe der Zeit die Kapazitäten eines ehrenamtlichen Vorstandes. Anfangs der 2000er-Jahre leitete GFZ daher eine umfassende Reorganisation ein, die eine klare Trennung zwischen der strategischen und der operativen Leitung zur Folge hatte. Der Vorstand ist seither für die strategische Ausrichtung zuständig, die operative Leitung des Betriebs obliegt der Geschäftsleitung der GFZ. Mit dieser Trennung werden einerseits Interessenkonflikte zwischen ehrenamtlicher Trägerschaft und hauptamtlicher Führung vermieden und anderseits wurde damit die Grundlage gelegt, auch für künftige Herausforderungen gewappnet zu sein.
GFZ in Kürze
Die Übernahme und Integration der Tagesfamilienbetreuung ist für GFZ nur einer von verschiedenen Entwicklungsschritten der letzten fünfzehn Jahre. Denn als sich GFZ im Jahr 2000 nach über 100 Jahren von ihrer Haushaltungsschule am Zeltweg trennte, war das auch der Start für eine fundamentale Neuausrichtung und Umstrukturierung. Die nun ausschliessliche Konzentration auf die familienergänzende Betreuung öffnete für GFZ den Weg, in diesem Bereich qualitativ und quantitativ zu wachsen. Der bis anhin rein ehrenamtlich geführte Verein wurde zu einer professionell geführten Non-Profit-Organisation. Das operative Geschäft übernahm neu eine vollamtliche Geschäftsführerin, während der Vorstand für die strategische Ausrichtung verantwortlich ist. Im 2006 formulierten Strategiepapier ist festgehalten, dass GFZ mittelfristig als „Kompetenzzentrum im Bereich der familienergänzenden Betreuung wahrgenommen“ werden möchte. Diesem Ziel ist GFZ schrittweise näher gekommen, so dass GFZ im Jahr 2010 als grösste private und erfolgreiche Anbieterin in familienergänzender Betreuung der Stadt Zürich da steht. Sie betreut in ihren 12 Kindertagesstätten und in Tagesfamilien über 1000 Kinder und beschäftigt fast 500 Mitarbeitende, darunter 70 Lernende zur Fachfrau oder zum Fachmann Betreuung Kinder. Hinter diesem beachtlichen Wachstum befindet sich aber auch eine qualitative Entwicklung des Angebotes. Mit der Einführung eines pädagogischen Konzeptes schuf GFZ eine Arbeitsgrundlage, damit die GFZ-Kindertagesstätten Orte „zum Wohl des Kindes und seiner Familie“ sind. GFZ legt auch grossen Wert auf Innovation und beteiligt sich immer wieder an Pilot- und Forschungsprojekten, um die Qualität der familienergänzenden Betreuung zu verbessern und auch weiterzuentwickeln. So ist GFZ zusammen mit Pro Senectute in ein generationenübergreifendes Projekt involviert, ist aber auch engagiert bezüglich der Integration von Migrantenfamilien, Kindern mit besonderen Bedürfnissen und der Sprachförderung.
Quellenangaben:
- Engi-van Waterschoot, Sigrid: Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie aktiv mitzugestalten. In: Kinderbetreuung im Wandel. Gemeinnütziger Frauenverein Zürich. GFZ – Worauf Familien zählen. Seit 1885. Zürich 2010, Seite 10-14.
- Pache, Karin/Largiadèr, Ursina: Vom Wohltätigkeitsangebot zur professionellen Dienstleistung. Die Entwicklung der familienergänzenden Kinderbetreuung des GFZ. In: Kinderbetreuung im Wandel. Gemeinnütziger Frauenverein Zürich. GFZ – Worauf Familien zählen. Seit 1885. Zürich 2010, Seite 112-115.
- Berger, Elisabeth: Von einer vorübergehenden Notlösung zur 1. Wahl in der Kinderbetreuung. Familienergänzende Kinderbetreuung im Wandel der Zeit am Beispiel der GFZ. In: KiTaS-Journal Dezember 2013, Zürich 2013, Seite 10–12. Text: Phillip Wingeier
Weblinks
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