Benutzer:Grissef/Materialien zur Analyse von Opposition

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Das Projekt „Materialien zur Analyse von Opposition“ (MAO) wurde von Dietmar Kesten und Jürgen Schröder ins Leben gerufen. Seit über 30 Jahren widmen sie sich, unter Mitarbeit von Dieter Osterloh, der Geschichte der radikalen Linken und der sozialen Bewegungen der Bundesrepublik Deutschland. So ist eine riesige, für die Nutzer*innen kostenfreie Datenbank entstanden, in der Scans von – oft raren – Originaldokumenten und ihre Auswertungen abgerufen werden können. Derzeit umfassen die Texte ca. 300 MB in 16.795 Dateien und es wurden ca. 216.000 Scans veröffentlicht.[1]



MAO ist eine Volltextdatenbank über politische (Protest-) Ereignisse mit einem Umfang von ca. 100 Megabyte Text (Stand: März 2005), was ca. 25.000 DIN-A4-Seiten entspricht.

MAO ist ein privates Projekt, an dem als Autoren Dietmar Kesten und Jürgen Schröder sowie vor allem im EDV-Bereich unterstützend Dieter Osterloh teilnehmen.

Hervorgegangen aus dem Projekt der Erstellung einer Chronik der ML-Bewegung der inzwischen aufgelösten, von den „Kommunistischen Gruppen - Neue Hauptseite Theorie“ (KG NHT) abgespaltenen „Arbeitsgruppe Westdeutsche Linke“ (AWL), wurde ab 1985 durch eine Zusammenarbeit mit Jürgen Schröder, der von 1983-1993 im APO-Archiv der Freien Universität Berlin tätig war, die Untersuchung auf einer breiteren Basis vorgenommen.

Die von uns zur Auswertung beschafften Materialien wurden - soweit möglich - dem APO-Archiv übergeben, daneben wurden von uns aber auch Bestände anderer Archive und von Privatpersonen durchgearbeitet.

Neben der ML-Bewegung wurden auch viele andere oppositionelle Strömungen sowie die Aktivitäten von Gewerkschaften, Parteien, Tageszeitungen, Gremien etc. untersucht.

Unserer Meinung nach handelt es sich gerade bei oppositionellen Entwicklungen häufig um schwer überschaubare Vorgänge, die nur durch genaue Betrachtung verstanden und danach erklärt werden können. Da die Bearbeitung der ungeheuren Vielfalt von Quellen zumeist für einzelne Personen oder Gruppen unmöglich ist, bieten wir einen Grundstock von Informationen zu (fast) allen Themen oppositioneller Regungen an. Schwerpunkte ergeben sich aus unseren Untersuchungsinteressen, aus uns gerade zugänglichen Materialien oder aus der Zusammenarbeit mit Dritten. Diesen bieten wir Kooperation verschiedenster Art an. Während wir an Geld nicht sonderlich interessiert sind, streben wir vor allem den Datenaustausch an, wobei wir entweder eine von uns durchgeführte Recherche zu einzelnen Themen bzw. Zugriff auf sämtliche Inhalte unserer Datenbank bieten, je nach Art der Gegenleistung und Vertrauen unsererseits.

In der Datendank enthalten sind Einträge aus allen Bereichen des politischen und sozialen Geschehens, wie z.B. Demonstrationen, Inflationsraten, Streiks, Versammlungen von Parlamenten, Organisationen, Veröffentlichungen und Verbreitung von Interna aller Art.

Die Bezeichnung MAO verweist hierbei gleichzeitig ein wenig auf unseren Ansatz, da wir in einem lang andauerndem Papierkrieg begonnen haben die Entwicklung in der BRD und Westberlin zwischen sechziger und achtziger Jahren, von der APO bis zu den Grünen zu untersuchen, wobei wir die Städte vom Land aus umzingelt haben, neben der Auswertung zentraler Quellen uns einer großen Menge örtlicher oder von einzelnen Einheiten von Organisationen verfaßter Schriften bedient haben, so dass neben der Perspektive der überregionalen Quellen auch stets mehr oder minder viele entlegene Quellen von einem Ereignis berichten.

Der Zeitraum der Einträge erstreckt sich von den Anfängen verschiedener Bewegungen im 18. Jahrhundert bis heute, regional kommen Einträge aus allen Ländern der Erde vor. Schwerpunkt der Einträge ist die Untersuchung der Entwicklung in der BRD und Westberlin in der Zeit von 1960 bis 1980, wobei aber weder internationale Ereignisse noch Einflüsse sowie z.B. von verschiedenen Gruppen verbreitete Analysen und Berichte über historisch oder geographisch entlegene Ereignisse ausgespart werden.

Geschichte

Die Wurzeln des Projektes gehen auf das Jahr 1985 zurück, als sich Schröder und Kesten im APO-Archiv der Freien Universität Berlin über den Weg liefen. Letzterer kam aus der »Arbeitsgruppe Westdeutsche Linke«. Die Abspaltung einer Gelsenkirchener ML-Gruppe hatte sich vorgenommen, eine Chronik des Maoismus in der Bundesrepublik zu erstellen. Schröder, der 1978 nach West-Berlin gezogen war, wurde Mitarbeiter im APO-Archiv, in dem u.a. der Nachlass des KBW und viele der später digitalisierten Flugblätter lagern. «In seiner Wohnung hing eine riesige Deutschlandkarte, auf der die wichtigsten Orte der Aktivitäten maoistischer Gruppen eingekreist waren. ›Vom Land in die Stadt‹ erklärte er uns», erinnern sich Kesten und Dieter Osterloh in ihrem Nachruf auf ihren Freund und Kollegen. 1990 beendete Schröder sein Studium mit einer Arbeit, in der er die Dominanz einzelner ML-Organisationen in regionalen Hochburgen zu erklären suchte. In den folgenden Jahren jobbte er als Ghostwriter für Studierende.

Die Geschichte des MAO-Projektes ist auch eine Geschichte der frühen Digitalisierung. Zunächst erstellte Kesten Datensätze mit der Schreibmaschine, bevor er diese auf Disketten speicherte und in Form einer Datenbank durchsuchbar machte. «Mit dem Aufkommen der Scanner kamen dann die Scans dazu», rekapituliert er die technische Entwicklung. 2005 wurde das gesammelte Material schließlich online gestellt.

Der Sammel- und Digitalisierungseifer der zwei Projektgründer ist beeindruckend. Jeden Monat wurden (und werden) Dutzende Dokumente hochgeladen. Laut Angaben von Kesten umfasst die Homepage rund 20.000 Dateien im Umfang von etwa 500 Megabyte. Etwa 40.000 Zugriffe gebe es im Monat, teilt er mit. Mittlerweile hat sich auch der thematische Fokus ausgeweitet. Interne Rundbriefe trotzkistischer Gruppen finden sich nun ebenso auf der Seite wie Zeitschriften der Spontis und der autonomen Linken der 1980er Jahre. «Unserer Meinung nach handelt es sich gerade bei oppositionellen Entwicklungen häufig um schwer überschaubare Vorgänge, die nur durch genaue Betrachtung verstanden und danach erklärt werden können», betonen die Begründer des Archivs ihre Idee hinter dem Projekt.

Erinnerungskultur

So greifen mittlerweile auch viele professionelle Historiker*innen, die sich mit den sozialen Bewegungen und der Neuen Linken nach 1968 beschäftigen, auf das Material zurück. Bereits an der Fülle und regionalen Vielfalt der Dokumente wird die zeitgenössische Ausstrahlungskraft des westdeutschen Maoismus deutlich. Diese reichte bis in Dörfer und Kleinstädte, Zehntausende Jugendliche wurden politisch aktiv. Mit Blick auf diese Bewegung als nicht nur politisches, sondern auch jugendkulturelles Phänomen zeigen sich aber auch die Grenzen des Materials. So bieten uns die Flugblätter mit ihrem ML-Jargon kaum Einblick in die Lebenswelten oder sozialen Hintergründe der Akteur*innen. Eine offene Frage ist, inwiefern das Archiv auch jenseits wissenschaftlicher Beschäftigung genutzt wird – etwa durch die heutige Linke und Anhänger*innen des ML-Revivals der letzten Jahre.

Dabei ist das MAO-Projekt nicht nur digitales Archiv einer historischen Bewegung, sondern lässt sich auch als Ausdruck der Erinnerungskultur von Aktivist*innen interpretieren, die ihre eigene Geschichte vor dem Vergessen bewahren wollen. Ähnliche Initiativen gibt es in anderen Ländern oder seitens Akteur*innen anderer nationaler Herkunft, beispielsweise von Exil-Communities aus der Türkei. So betreiben frühere Aktivist*innen der in den 1970er und 1980er bestehenden ML-Bewegung Devrimci Yol (Revolutionärer Weg) im Internet eine rege Erinnerungskultur. Auf Twitter werden nahezu täglich Fotos ermordeter Genoss*innen veröffentlicht, und ein Online-Archiv bietet Einblick in die türkisch- und deutschsprachigen Zeitschriften und Broschüren der Gruppe. Während in diesem Fall allerdings ein klarer Bezug auf die eigene frühere Organisation gegeben ist, ist das MAO-Projekt wesentlich «pluralistischer» angelegt. Indem es eine möglichst umfassende «Materialsammlung» bieten will, ist es nicht dem Gedenken an eine einzige Gruppe verpflichtet.

Wie geht es nach Jürgen Schröders Tod mit dem Projekt weiter? Dietmar Kesten ist zuversichtlich: «Das MAO-Projekt setzt seine Arbeit fort und bleibt bestehen.» Insofern ist zu hoffen, dass diese Fundgrube für die Geschichte linker Bewegungen auch in Zukunft der interessierten Öffentlichkeit erhalten bleibt.[2]


Mit viel Scannerarbeit wurden die Originalzeitungen der politischen Gruppen der 70er Jahre gescannt und leigen als Bilddatei vor. Dazu viele Betriebszeitungen die auch in Archiven schwer oder gar nicht vorhanden sein dürften. Durch Erfassung der Inhaltsverzeichnisse im Vorspann lassen sich einzelne Themenbereiche von den Suchmaschinen auffinden und recherchieren. Wie äußerte sich welche Gruppe zu diesem Vorgang. Man kann die Originaltexte dieser Veröffentlichungen nachlesen. So auch die Stellungsnahmen zu Pol Pots Kambodscha. Beispielsweise. Oder die Stellungsnahmen der Gruppen zur Parteiauflösung eines Konkurrenten.


Nachruf auf Jürgen Schröder im nd[3]

  1. TERZ 02.17 : Der große Vorsitzende in Düsseldorf, Vol. II. Abgerufen am 19. August 2022.
  2. Fundus für Fundis - Rosa-Luxemburg-Stiftung. Abgerufen am 19. August 2022 (deutsch).
  3. Christian Y. Schmidt: Ein legendärer Ghostwriter (nd-aktuell.de). Abgerufen am 19. August 2022.