Benutzer:Grizma/Berlinale-Extrablatt 2020 Begruessung

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Eine Idee – und was dahintersteht

So, das wäre erledigt für ein weiteres Jahr: die ehemals wichtigste und aufregendste Nacht für Filmfans wäre dann auch mal wieder abgehakt. Und täglich grüßt das Murmeltier, soll heißen: mit wenig überraschenden Ergebnissen, wie seit Jahren. Dann können wir uns ja endlich den wirklich wichtigen Dingen im Leben zuwenden. Mit „wir“ sind überwiegend die Berlinerinnen und Berliner gemeint. Und, naja, Filmleute aus aller Welt. Denn, aufgemerkt, in zwei Wochen ist wieder Berlinale, tadaaa! Zwei Wochen lang Ausnahmezustand Nonstop. Für einige. Für andere: Business as usual.

Der Duft der großen weiten Welt: die Berlinale

Ich weiß noch, wie aufregend ich das fand, damals, als ich nach Berlin kam. Ein echtes Filmfestival! Mit echten Stars! Wow! Das war der Duft der großen weiten Welt. Ein bisschen so wie Kassel während der Documenta. Da war der Potsdamer Platz noch in der Planungsphase und der Vorverkauf im Europa-Center. Ich meine, irgendwo im 1. Stock. Menschenschlangen, die sich aus dem Center raus (gefühlt) quasi einmal komplett um den Breitscheidplatz ringelten. (Richtig, das ist der mit dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt 2016.) Das war – man höre und staune – noch vor den Boomzeiten des Internets, also bezüglich „bequem online bestellen und dann mit kürzester Wartezeit in den lichten und freundlichen Potsdamer Platz Arkaden abholen“ Fehlanzeige! Menschen belagerten das Kassenhäuschen morgens um 6.00 Uhr in Schlafsäcken, damit sie auch ja ein Ticket bekamen. Das wurde richtiggehend zelebriert. Heutzutage passiert das ja nur noch, wenn ein neues iPhone auf den Markt kommt.

Nicht dass ich diesen Zeiten auch nur eine einzige Träne hinterherweine: ich habe mich jahrelang standhaft geweigert, eine Kinovorstellung im Rahmen der Berlinale aufzusuchen, so mir nicht jemand zufällig Tickets schenkte, weil er oder sie nicht hingehen konnte oder es zufällig irgendein Dokumentarfilm aus dem Rahmenprogramm war, der mich interessierte, der aber nicht spannend genug für Menschenschlangen war, weil Nischenthema. Dem Internet und dem einen oder anderen Job als Kulturjournalistin sei Dank, ist es mir in jahrelanger harter Arbeit gelungen, diese Aversion mittlerweile überwinden. Denn online sind die Tickets flugs gebucht und auch dieser telefonbuchdicke Katalog (ehrlich, liest den jemand?) oder die Schnellübersicht mit den furchtbar winzigen Programmeinträgen in mit Fachbegriffen gespickten Kategorien, mit denen Laien* nun wirklich gar nichts anfangen können, lässt sich im Internet soviel besser überblicken.

Weibliche Perspektiven gesucht

Langer Rede kurzer Sinn: die Vorfreude auf die Berlinale haben einige Wikipedianerinnen und Wikipedianer in diesem Jahr auch erfreulich erfolgreich aufs Internet verlagert. Denn schon seit rund einer Woche schreiben sich ein paar schon heimlich die Fingerchen wund – hmm, das ließe sich auch reimen, rund und wund, mal sehen ... – mit ersten Artikeln zum diesjährigen Programm: einige Biografien und Filmartikel sind auch im Vorfeld des Berlinale-Art+Feminism-Edit-a-thons 2020 bereits entstanden und nach und nach erfasst der Berlinalevirus zu unserer Freude mehr und mehr Online-Teilnehmende. Natürlich freuen wir uns auch noch über weitere – denn die Spiele sind ja noch nicht eröffnet und Themen gibt es mehr als genug.

Der besondere Fokus, wie der Titel des Edit-a-thons erahnen lässt: weibliche Perspektiven, feministische Ansätze, Künstlerinnenbiografien und Filme, die von Frauen gemacht wurden oder starke weibliche Hauptfiguren und Themen aufweisen. Warum nur Frauen? Nochmal zum Mitschrei(b)en für all diejenigen, die die Zeichen der Zeit immer noch nicht lesen können: weil die Biografien männlicher Filmschaffender ohnehin geschrieben werden. Weil die männliche Perspektive nach wie vor der gesellschaftlichen Perspektive auf eine Weise inhärent ist, dass sie als Norm gilt – und die weibliche als Abweichung.

Geschlechtergerechte Sprache: Handreichung nicht Grenzziehung

Was sich übrigens auch in schönster Weise immer wieder in der von uns allen vielgeliebten und heißumfochtenen Wikipedia zeigt, so erst kürzlich bei der Wahl zum Wikipedia-Unwort des Jahres 2019. Das da lautet: Geschlechtergerechte Sprache. WTF? Da kann frau eigentlich nur sagen: Au weia. Und sich an die Stirn greifen. Nützt aber alles nix. Sprich: Wikipedia braucht mehr weibliche Perspektiven. Und bessere Perspektiven für Frauen*, die sich in ihr und für sie engagieren. Eingefleischten Wikipedierenden alles seit Jahren bekannt.

Positiver Nebeneffekt des Edit-a-thons: Kundinnbindung und -neugewinnung, um das mal in Marketingsprech auszudrücken. Ein paar tiefgehend interessierte Newbies werden über ein Fun-Thema zu Eingeweihten. Und um allen Unkenrufen zuvor zu kommen: einige bleiben tatsächlich dabei. Das können wir bei WomenEdit beobachten, wie die regelmäßige Teilnahme wächst und wächst. Steter Tropfen höhlt den Stein. Oder wie heißt es so schön: Wikipedianerinnen aller deutschsprachigen Länder vereinigt euch! Äh, oder so ähnlich ...

Und was hat das jetzt eigentlich alles mit diesem Extrablatt auf sich?

Ganz einfach: weibliche Perspektiven. Ganz unterschiedliche, so facettenreich wie möglich, so viele wie möglich. Aus dem Grund haben wir im Dezember zwei Bloggerinnenpositionen ausgeschrieben – und fantastische Bewerbungen erhalten. Ausgewählt haben wir daraus zwei Bloggerinnen, die aus ganz unterschiedlichen Welten kommen: eine „alte Filmhäsin“ und eine junge Hüpferin, die kopfschüttelnd im Kino sitzt. Die eine als Drehbuchautorin seit Jahren in der Branche unterwegs, mit Insider*wissen, das am klassischen Kinopublikum in der Form meist vorbeigeht (Charlie des Alpes) und die andere mit ersten journalistischen Meriten, aber noch im Studium, ganz am Anfang ihrer Karriere, Teil einer nachwachsenen Generation, für die viele Dinge sehr selbstverständlich sind, z. B. geschlechtergerechte Sprache (Bao-My Nguyen).

Ab heute bloggen sie hier im Extrablatt, über die Berlinale, Filme, die Filmwelt, Frauen in Wikipedia, den Edit-a-thon usw. Wenn ihr auf den Beobachten-Button klickt, könnt ihr das Extrablatt abonnieren und bleibt täglich auf dem Laufenden: über ihre Erlebnisse, aber auch über die Filme, die sich ihrer Meinung nach besonders lohnen. Aus feministischer Perspektive, klar. Deswegen machen wir das hier. Und weil's geht. Das ist nämlich das Schöne an Wikipedia und dem Prinzip des Freien Wissens, das ursprünglich mal dahinterstand: es ist eben kein Instrument der Eliten. Nein, es soll allen Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen möglichst barrierefrei den Zugang zu Wissen ermöglichen. Und das ganz umsonst (aber hoffentlich nicht vergeblich, haha). Was als Revolution im Internet begann, hat sich heute leider zu einer Diktatur der Alteingesessenen verhärtet. Zu einer Diskussionskultur ohne Respekt. Zu einem Bollwerk, das inexistente Privilegien aus von außen unerfindlichen Gründen schützt. Was bedauerlich ist. Ein bisschen frischer Wind wäre mal ganz schön.

Mitschreiben erwünscht

Allzu oft geht im Wikipedia-Alltag, beim Kampf um neue Standards, dem vorsichtigen Versuch der Modernisierung, bei der umpzigsten Löschdiskussion um einen Artikel über eine Frau, die angeblich nicht relevant sei, ein Minderheitenthema, das nicht relevant sei usw. einfach der Spaß verloren. Und dabei kann dieses einfach gestrickte System so viel, vor allem eben auch Spaß bringen! (Ehrlich, aus welchem Grund sollten wir uns das hier eigentlich sonst auch antun?) Und das soll dieses Extrablatt eben auch sein: ein kreativer Spaß, bei dem nicht ständig auf Relevanz geachtet werden muss, darauf, um Himmels Willen auch das generische Maskulinum zu beachten und bloß kein Gender*sternchen in den Text zu bringen. Eine Spielwiese in aller Öffentlichkeit, ein kreatives Labor, ein Experimentier- und Minenfeld (immerhin gibt es die Kommentarfunktion).

Und ein Magazin, das von allen gestaltet und fortgeschrieben werden kann – unter der Bedingung, dass

  • a) der Text sich im Themenfeld Berlinale bewegt,
  • b) ein respektvoller und sensibler Umgang mit feministischen und diversen Themen gewahrt wird und
  • c) eine Sprache verwendet wird, die feministisch, antirassistisch und inklusiv ist (well, der Versuch zählt).

Wer ein Benutzer*innenkonto bei Wikipedia hat und die eine oder andere Beobachtung, interessante Begebenheit oder Filmempfehlung von der Berlinale mitbringt, sei herzlich eingeladen, an diesem Werk mitzuschreiben.

Wir bedanken uns einstweilen schon jetzt bei allen Beteiligten, ob als aktiv Mitwirkende oder einfach Artikelschreibende für ihren Enthusiasmus, sich am Edit-a-thon und diesem Magazin zu beteiligen. Grz, 10.02.2020