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Asenapin

Asenapin (Handelsname: Sycrest) ist ein neues Atypisches Neuroleptikum das im September 2010 von der europäischen Arzneimittelagentur (EMA)[1]zugelassen wurde und in Deutschland im Dezember 2010 auf den Markt kam. In Europa kann es für Erwachsene, bei denen sich depressive Phasen mit voll ausgeprägten manischen Phasen abwechseln (Bipolare Störung im Sinne einer Bipolar-I-Störung, früher: manisch-depressive Erkrankung) in mäßig bis schwer ausgeprägten manischen Phasen verwendet werden. Für Patienten mit Schizophrenie[2] ist es in Europa nicht indiziert. In den USA ist es für beide Anwendungsgebiete [3] zugelassen. Es wurde von Organon entwickelt, Hersteller sind MSD bzw. Schering-Plough.

Der genaue Wirkmechanismus ist nicht bekannt. Asenapin wirkt im Gehirn an vielen verschiedenen Rezeptoren. Ein antagonistischer Effekt an D2- und 5-HT2A-Rezeptoren scheint im Vordergrund zu stehen.[4] Asenapin weist nach Verschlucken nur eine sehr geringe Bioverfügbarkeit von weniger als 2% auf und wird daher nur als Sublingualtablette, die bis zur Auflösung unter der Zunge behalten werden muss, angeboten.

Die empfohlene Dosierung von Asenapin als Monotherapeutikum bei manischen Phasen liegt bei zweimal täglich 10mg. Diese Anfangsdosis kann auf zweimal täglich 5mg gesenkt werden. In der Kombinationstherapie, also beispielsweise zusätzlich zu Lithium, sind laut Fachinformation zunächst zweimal 5mg täglich und eine Maximaldosis von zweimal 10mg täglich vorgesehen. Die Dosierung ist für Patienten mit bipolarer Störung nicht in speziellen Dosisfindungsstudien der Phase II untersucht worden. In Phase II bei Patienten mit Schizophrenie konnte für Asenapin jedoch keine Dosis-Wirkungsbeziehung etabliert werden. Bei Patienten mit Schizophrenie schneidet Asenapin in der höheren Dosierung von zweimal täglich 10mg in den Phase III-Kurzzeitstudien sogar schlechter ab als zweimal 5mg.[5] Laut EMA sind für Asenapin die Ergebnisse zur Dosisfindung bei Patienten mit Schizophrenie nicht auf Patienten mit manischen Phasen einer Bipolar-I-Störung übertragbar. Der Hersteller darf laut Bewertungsbericht der EMA (EPAR)[6] nach der Zulassung eine Dosisfindungsstudie nachreichen.

Wirksamkeitsdaten bei Schizophrenie (in Europa: keine zugelassene Indikation)

Die der EMA vorgelegten Phase III-Studien zu Asenapin umfassen 3 randomisierte sechswöchige plazebokontrollierte Kurzzeitstudien, zwei mit festen Dosierungen (zweimal täglich (BID):5mg, 10mg) von Asenapin (Studien 041021/NCT00156117 und 041023//NCT00156104[7]), die als Vergleichsmittel Olanzapin (einmal täglich (QD):15mg) bzw. Haloperidol (4mg, BID) beinhalten sowie eine Studie (041022/NCT00151424) mit flexibler Dosierung (Asenapin 5mg-10mg BID, Olanzapin 10mg-20mg QD). Die Studienteilnehmer müssen eine Schizophrenie nach dem amerikanischen Klassifikationssystem DSM IV aufweisen und in der Positive And Negative Syndrome Scale (PANSS), mit der Art und Schwere der schizophrenen Symptomatik gemessen werden, mindestens 60 Punkte erreichen. Die Patienten werden darüber hinaus speziell ausgesucht. Erforderlich ist eine ausgeprägt produktiv psychotische Symptomatik, die erfahrungsgemäß besser auf Neuroleptika anspricht als eine Minussymptomatik: in mindestens zwei von 5 Positivsymptomen des PANSS müssen wenigstens 4 Punkte erreicht werden, eine Residualsymptomatik oder eine schizoaffektive Störung darf nicht vorliegen. Außerdem müssen die Teilnehmer früher bereits einmal auf ein Neuroleptikum (außer Clozapin) angesprochen haben.[8] Weitere in solchen Studien übliche Ausschlusskriterien wie Abhängigkeit von Substanzen oder Suizidalität schränken die Auswahl der Patienten und eine spätere Übertragbarkeit der Studienergebnisse zu Asenapin auf Patienten in der Klinik oder der Praxis weiter ein. Insgesamt nehmen 1152 Patienten in den drei Kurzzeitstudien teil. Die Abbruchraten sind trotz der kurzen Studiendauer hoch und liegen unter Plazebo zwischen 43% und 50%, unter Asenapin zwischen 33% und 53%, unter Olanzapin zwischen 43% und 53%, unter Haloperidol (nur ein Studienarm) bei 41%. Vorrangig geprüft wird die Änderung des Gesamtpunkte-Werts der Positive And Negative Syndrome Scale (PANSS) am Ende der Therapiephase im Vergleich zu Plazebo. Eine minimale klinisch fassbare Verbesserung wie sie beispielsweise mit der Clinical Global Impression (CGI)- Skala erfasst werden kann, entspricht ungefähr einer Verringerung um 15 PANSS-Punkte.[9] Unter Plazebo verbessern sich die Studienteilnehmer in den Kurzzeitstudien um 10-11 Punkte, unter Asenapin um 9-16 Punkte. Nur einer von 5 Plazebovergleichen (Asenapin 5mg BID in Studie 041023) erreicht statistische Signifikanz, wobei der Nutzen laut Bewertungsbericht klinisch nicht relevant erscheint.

Die EMA sieht eine ausreichende Wirksamkeit von Asenapin in den Kurzzeitstudien nicht als belegt an, da zudem nach einer retrospektiven Metaanalyse dieser Phase III- Daten trotz hoher PANSS-Eingangswerte von ca. 90 die Differenz von Asenapin zu Plazebo insgesamt nur 2,7 Punkte beträgt. Bei den bereits zugelassenen neueren Neuroleptika Aripiprazol und Paliperidon liegt die Differenz laut Bewertungsbericht dagegen bei 7 bis 19 Punkten.[10]

Zusätzlich zu den Kurzzeitstudien wurden drei Phase III-Langzeitstudien eingereicht: eine 52-wöchige Studie, die das Rückfallrisiko nach Absetzen prüft (A7501012), eine 52-wöchige Studie mit flexibler Dosierung (A25517/NCT00212784) [11] und eine 26-wöchige Studie (25543) mit flexibler Dosierung bei Patienten mit vorrangiger Minussymptomatik. In der 52-wöchigen Langzeitstudie mit 1225 Teilnehmern, davon knapp 80% mit einer paranoiden Psychose, schneidet Olanzapin besser ab als Asenapin mit einem signifikanten Unterschied der PANSS-Punktwerte von 6,5.

Unter Berücksichtigung dieses Ergebnisses und der unzureichenden Kurzzeitdaten wird Asenapin in Europa für die Indikation Schizophrenie nicht zugelassen.

Wirksamkeitsdaten bei manischen Phasen einer Bipolar-I-Störung

Vor allem zwei randomisierte dreiwöchige Kurzzeitstudien mit Asenapin werden von der EMA bewertet. Sie sind plazebokontrolliert und haben zudem einen Olanzapinarm (A7501004/NCT00159744[12] und A7501005/NCT00159796[13] ). Außerdem wird Asenapin in einer randomisierten 12 wöchigen Studie zusätzlich zu Lithium oder Valproat geprüft (A7501008/NCT00145470) und in mehreren Nachbeobachtungen untersucht ( neun Wochen: A7501006/NCT00143182 [14], 40 Wochen: A7501009/NCT00145509, 40 Wochen: A7501007/NCT00159783[15]).

In die beiden wesentlichen Kurzzeitstudien werden Patienten mit der DSM IV-Diagnose einer manischen oder gemischten Phase einer Bipolar-I-Störung eingeschlossen, die in einem gängigen Test mit dem die manische Symptomatik gemessen werden kann, der Young Mania Rating Scale (YMRS), mindestens 20 Punkte erzielen. Die YMRS prüft 11 items, maximal können 60 Punkte erreicht werden. Zu den Ausschlusskriterien der Studien gehört die Einnahme von Lithium, Valproat oder Carbamazepin bis kurz vor Studienbeginn. Asenapin wird in einer Dosis von 5-10mg zweimal täglich, Olanzapin in einer Tagesdosis von 5-20mg geprüft. Primär wird die Wirksamkeit mittels der Änderung des Gesamtpunkte-Werts der YMRS untersucht. In beiden Kurzzeitstudien verringert Asenapin den YMRS-Punktwert im Plazebovergleich statistisch signifikant (Asenapin:-11,5; -10,8 Plazebo: -7,8; -5,5 Olanzapin: -14,6; -12,6). Die EMA ist hinsichtlich der klinischen Relevanz des Effekts von Asenapin jedoch besorgt, zumal sich Asenapin in Studie A7501004 im nachrangig geprüften Ansprechen auf die Therapie mit einer Abnahme der YMRS-Werte um mindestens 50% (response) sowie hinsichtlich einer Verbesserung auf weniger als 12 Punkte im YMRS (remitter) im Gegensatz zu Olanzapin nicht signifikant von Plazebo unterscheidet.

Überdies ist laut EMA die Nichtunterlegenheit von Asenapin gegenüber Olanzapin in der Langzeitstudie A7501006 nicht nachgewiesen.[16] In der Langzeitstudie A7501008 stellt die Behörde auch die klinische Relevanz des Effekts von Asenapin in Frage.[17] Der Hersteller reicht jedoch eine Metaanalyse mit publizierten plazebokontrollierten Studien anderer atypischer Neuroleptika in dieser Indikation ein, in der der gepoolte Behandlungseffekt (Punktdifferenz zu Plazebo) bei -4,9 YMRS-Punkten liegt. Für Asenapin wird ein Wert von 4,7 ermittelt, der als relevant eingestuft wird.

Verträglichkeit von Asenapin

Sehr häufig, also bei mindestens einem von zehn Anwendern werden Angst und starke Ermüdung unter Asenapin beobachtet. Häufig, also bei mindestens einem von Hundert Anwendern aber nicht häufiger als einem von 10 Anwendern, nehmen unter Asenapin Appetit und Gewicht zu. Folgende Bewegungsstörungen, die vor allem klassischen Neuroleptika zugeschrieben werden, sind unter Asenapin häufig: Akathisie, Dystonie, Parkinsonismus, Dyskinesie. Auch ein Leberwert (GPT) ist unter der Behandlung häufig erhöht. Nebenwirkungen im Mund treten unter der Sublingualtablette ebenfalls auf: häufige Geschmacksstörungen sowie orale Hypästhesien, gelegentliche orale Parästhesien sowie Glossodynie. Gelegentlich kommt es zu Krampfanfällen, kardialen Nebenwirkungen wie Sinusbradykardie, Schenkelblock oder QT-Verlängerung. Sexuelle Funktionsstörungen und Amenorrhoe werden unter dem neuen Neuroleptikum ebenfalls gelegentlich beobachtet. Die hormonellen durch Prolaktin vermittelten Nebenwirkungen Gynäkomastie und Galaktorrhö, die unter vielen Neuroleptika auftreten können, sind unter Asenapin selten. Eine komplette Auflistung der Nebenwirkungen findet sich in der SPC bzw. der Fachinformation von Asenapin.

Die Sicherheitsauswertung der EMA ergibt für Asenapin konsistent eine höhere Rate schwerer Nebenwirkungen als für Olanzapin.[18] Werden alle Daten aus Phase II und III ausgewertet, so treten unter Plazebo 10% schwere Nebenwirkungen auf, unter Olanzapin 12%, unter Asenapin 16%.[19] Während in den Gruppen mit Vergleichsmitteln wie Olanzapin keine Patienten am maligen neuroleptischen Syndrom erkrankten, trat diese schwere Nebenwirkung bei drei Studienteilnehmern unter Asenapin auf.[20] Spätdyskinesien, schwere Bewegungsstörungen, die irreversibel sein können, wurden unter Asenapin in der Gesamtauswertung von Phase II -und III-Daten mit einer Inzidenz von 0,4% beobachtet (Plazebo: 0,2% ; Haloperidol 0,9%, keine Fälle unter Risperidon und Olanzapin).[21] Insgesamt war die Inzidenz von extrapyramidal-motorischen Störwirkungen (EPS) laut EMA etwas höher als unter Risperidon oder Olanzapin.[22]

Zusammenfassende Nutzen-Schaden-Bewertung

Auf Grund ungenügender Wirksamkeitsdaten bei Schizophrenie ist das neue Neuroleptikum in Europa bei Schizophrenie nicht zugelassen. In der von der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassenen Indikation mäßige bis schwere manische Phase bei Bipolar-I-Störung Erwachsener ist Asenapin weniger wirksam und nicht besser verträglich als Olanzapin. Üblicherweise wirken atypische Neuroleptika in beiden Indikationen, deren klassifikatorische Zweiteilung (Kraepelinsche Dichotomie: Schizophrenie auf der einen Seite, manisch-depressive bzw. bipolare Störung auf der anderen Seite) in der aktuellen Diskussion zum neuen amerikanischen Klassifikationssystem DSM V zunehmend in Frage gestellt wird.[23]

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft kommt zu folgender Bewertung: "In der zugelassenen Indikation zeigte Asenapin eine geringere Wirksamkeit als Olanzapin, bei nicht verbessertem Sicherheitsprofil. Damit ist kein therapeutischer Vorteil gegeben."[24]


  1. EMA: EPAR zu Asenapine/Syrest 2010, http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  2. SPC Asenapine/Sycrest 2010, http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Product_Information/human/001177/WC500096895.pdf
  3. US-label asenapine, http://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2010/022117s
  4. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/2011017-Sycrest.pdf
  5. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010 S.52, S.69, S.83, S.86; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  6. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010, S.87; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  7. Kane,J.M. et al.: J. Clin. Psychopharmacol. 2010; 30: 106-15, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20520283
  8. EMA:EPAR S.30, http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  9. Leucht et al. 2006
  10. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010, http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf S.53
  11. Schoemaker J et al. Pharmacopsychiatry 2010; 43: 138-46, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=Schoemaker%20J%20138
  12. McIntyre RS et al.: Bipolar Disord. 2009; 11: 673-86, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19839993
  13. McIntyre RS et al.: J. Affect. Disord. 2010;122: 27-38, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20096936
  14. McIntyre RS et al.: Bipolar Disord. 2009; 11: 815-26, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19832806
  15. McIntyre RS et al.: J. Affect. Disord. 2010; 126: 358-65, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20537396
  16. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010, S. 68; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  17. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010 S. 68,S.69; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  18. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010 S. 73; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  19. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010 S. 72, S.73; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  20. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010 S.75; http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  21. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 21010, S. 75, http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  22. EMA: EPAR zu Asenapine/Sycrest 2010, S.77, http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/EPAR_-_Public_assessment_report/human/001177/WC500096898.pdf
  23. Fischer, B.A.; Carpenter, W. T.: Neuropsychopharmacology 2009; 34: 2081-7, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2721021/pdf/nihms93836.pdf
  24. Akdae: Sycrest (Asenapin) vom 12.01.2011, http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/2011017-Sycrest.pdf