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Computerspiel-Sucht

Computerspiel-Sucht, auch Videospielsucht genannt, kann eine Krankheit sein, die als Unterform der Diagnosegruppe der Verhaltenssüchte einzuordnen ist[1], und die aus der zwanghaften Nutzung von Computer- und Videospielen besteht. Manchmal manifestiert sich die Krankheit als Teil einer exzessiven Verwendung des Internets. Besonders beachtenswert sind hierbei Online-Rollenspiele mit sehr vielen Online-Spielern, sog. MMORPG (massively multiplayer online role playing games) und die in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutierte Störung der Internetsucht. Es sind Fälle berichtet worden, in denen sich Spieler durch zwanghaftes Spielen von jeglichem sozialen Kontakt isoliert und sich fast vollständig auf Begebenheiten in der Spielwelt anstelle von Ereignissen im wirklichen Leben konzentriert habe.[2] [3]

Diskussion

In den Vereinigten Staaten hat die Frage der Videospiel-Sucht viele Diskussionen ausgelöst. Die American Medical Association traf sich im Juni 2007, um dieses Thema zu diskutieren, mit dem Ergebnis, dass weitere Forschungen notwendig seien, bevor Computerspiel-Sucht als eine formale Diagnose betrachtet werden kann. Die American Psychiatric Association (APA) wurde aufgefordert, zu untersuchen, ob die Diagnose für eine Aufnahme in den DSM 1998(American Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) geeignet sei. Michael Brody, ein Mitglied der American Academy of Child and Adolescent Psychiatry, wies darauf hin, dass trotz seiner Ansicht, dass Computerspiele süchtig machen könnten, er nicht notwendigerweise glaubt die Diagnose rechtfertige die Aufnahme in das DSM.[4] In einer offiziellen Stellungnahme vom 25. Juni 2007 verkündet die APA, dass sie “zurzeit `Computerspiel-Sucht` nicht als psychische Störung betrachtet”. Aber dies schließt nicht aus, dass solch eine Diagnose bei der nächsten Revision des DSM im Jahr 2012 Einzug in das Diagnosessystem halten könnte.[5]

Mögliche Diagnose

Obwohl die Videospiel-Sucht weder in das DSM noch in die ICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) aufgenommen wurde, ist anzunehmen, dass die Symptome einer Computerspiel-Sucht ähnlich der Symptome anderer psychischer Abhängigkeiten sind.[6] Ebenso wie zwanghaftes Glücksspiel kann auch die Computerspiel-Sucht als Impulskontrollstörung eingeordnet werden.[7] [8] Während für die Computerspiel-Sucht noch keine Diagnosekriterien erstellt wurden, so beinhalten die Symptome der Impulskontrollstörung regelmäßige oder wiederkehrende Anzeichen von mindestens fünf der folgenden Punkte:[9] [10]

  1. Ständiges Denken an die Aktivität oder an die Durchführung der Aktivität (Beschäftigtsein)
  2. Die benötigte Zeit, um bei der Aktivität eine Befriedigung zu erlangen, erhöht sich oder das Belohnungsempfinden sinkt bei gleich bleibendem Zeitaufwand (Toleranz)
  3. Unfähigkeit, das Verhalten zu kontrollieren, zu beenden oder einzudämmen (Kontrollverlust)
  4. Ruhelosigkeit oder Reizbarkeit/Irritabilität beim Fernhalten von der Teilnahme an der Aktivität (Rückzug)
  5. Das Ausmaß der Beschäftigung mit der Aktivität oder die generelle Teilnahme daran wird Freunden oder der Familie gegenüber geleugnet (Fortsetzung trotz nachteiliger Konsequenzen)
  6. Verüben illegaler Handlungen, um die Aktivität fortsetzen zu können (Fortsetzung trotz nachteiliger Konsequenzen)
  7. Zur Finanzierung der Aktivität verlässt man sich auf andere (Fortsetzung trotz nachteiliger Konsequenzen)

Verbreitung/Prävalenz

Bisher sind keine formalen Studien zur Verbreitung einer möglichen Videospiel-Sucht veröffentlicht worden. Eine Umfrage vom April 2007 (Harris interactive poll) hat herausgefunden, dass 8,5 % aller jugendlicher Spieler in den Vereinigten Staaten “als krankhaft oder klinisch ‘abhängig’ von Videospielen klassifiziert” werden können.[11] Eine britische Umfrage vom November 2006 zeigte, dass 12 % der befragten Spieler ein Suchtverhalten aufweisen.[12] Es wird angenommen, dass übermäßiges Computerspielen ein größeres Problem in Asien darstellt. Eine von der Regierung beauftragte Umfrage in Südkorea kam zu der Einschätzung, dass 2,4 % der Südkoreaner zwischen 9 und 39 Jahren süchtig sind, mit 10,2 % weiteren Grenzfällen.[13]

Eine Umfrage der Entertainment Software Association aus dem Jahr 2005 fand heraus, dass übermäßige Computerspiel-Nutzung bei Spielern von MMORPG weit verbreitet war.[14] In einem Interview von 2005 schätzte Dr. Maressa Orzack vom McLean Hospital in Belmont im US Bundesstaat Massachusetts, dass 40 % aller 8,5 Millionen Spieler des Spiels World of Warcraft abhängig sind. Diese Zahl stammt aus einer Umfrage, die von Nick Yee im Rahmen des Daedalus Projekts durchgeführt wurde (http://www.nickyee.com/daedalus/).[15] Nick Yee hat jedoch darauf hingewiesen, dass bei der Interpretation dieser Umfragedaten Vorsicht angebracht sei.[16]

Eine Studie der Stanfort University School of Medicine aus dem Jahre 2008, zeigt, dass Computerspiel-Sucht bei Männern stärker ausgeprägt ist als bei Frauen, wenn sich das Spielekonzept um territoriale Kontrolle dreht.[17] In einer Studie mit bildgebenden Verfahren der Stanfort University School of Medicine - der ersten ihrer Art - haben Wissenschaftler zeigen können, dass während eines Videospiels die Belohnungszentren des Gehirns bei Männern stärker aktiv sind als bei Frauen; “Diese Geschlechtsunterschiede können erklären helfen, warum Männer von Computerspielen stärker angezogen und ‘gefangen’ werden als Frauen”, schreiben die Forscher in ihrer kürzlich im Journal of Psychiatric Research online erschienenen Veröffentlichung.

Ein Artikel vom Juli 2007 führt aus, dass ein 15jähriger Junge aus Perth, Westaustralien, alle anderen Aktivitäten einstellte, um Runescape, ein populäres MMORPG, spielen zu können. Der Vater des Jungen verglich dessen Zustand mit einer Heroinsucht.[18]

Mögliche Ursachen

Die meisten Theorien konzentrieren sich auf das eingebaute Belohnungssystem der Spiele, um die abhängigmachende Natur der Spiele zu erklären.[19] [20]

Forscher an der University of Rochester und Immersyve Inc. erforschten, was Spieler motiviert, um Videospiele immer weiter zu spielen. Sie glauben, dass Spieler aus mehr Gründen als nur aus Spaß spielen, so Forschungsleiter Richard Ryan. Ryan, ein Vertreter der Motivationspsychologie an der Universität Rochester, nimmt an, dass viele Videospiele einige psychische Grundbedürfnisse befriedigen und Spieler oft weiterspielen aufgrund von Belohnungen, Freiheit und oftmals auf Grund der Verbindung zu anderen Spielern.[21]

Dr. Brody, Vorsitzender des Medien Ausschusses der American Academy of Child and Adolescent Psychiatry[22] führt aus, dass die Computerspiel-Sucht durch psychische Probleme, wie antisoziale Persönlichkeit, Depressionen und Phobien, insbesondere soziale Phobien, mitverursacht sein kann. Er glaubt, dass viele Abhängige einen Weg suchen, um der Realität zu entfliehen und dann entdecken, dass sie eine vollständig neue Person in einem Online-Spiel erzeugen und ihr Leben durch ihre neue Online-Persönlichkeit leben können. Auf Grund neu gewonnener virtueller Freunde und neuer, virtueller Macht, beginnen sie ihr Fantasieleben stärker zu mögen als die Realität und lehnen es schließlich ab, davon wieder weggezogen zu werden. Dr. Brody sieht, wie andere auch, das Problem der Computerspielsucht und glaubt, dass es genauso wie bei der Drogenabhängigkeit einer Behandlung bedarf. Seiner Meinung nach ist Computer- und Videospielsucht eine Krankheit. Dr. Karen Pierce, eine Psychiaterin an einem Kinderkrankenhaus in Seattle, behandelt pro Woche mindestens zwei Kinder, die exzessiv Computer- und Videospiele spielen und “behandelt sie wie genauso wie irgendeine andere Sucht auch”.[23]

Behandlung

Einige Länder wie z.B. Südkorea haben auf die wahrgenommene Bedrohung der Computerspielsucht reagiert und Behandlungszentren eröffnet. Die chinesische Regierung betreibt einige Kliniken, um Patienten zu behandeln, die süchtig nach Online-Spielen, Chatten und Web-Surfen sind. Die Behandlung der Patienten, zu der die meisten durch ihre Eltern oder durch Regierungsbeamte gezwungen werden mussten, beinhalte verschiedene Formen des Schmerzes oder Unwohlseins.[24] [25]

China führte in 2005 auch ein Anti-Onlinespiele-Sucht-System ein, um die Abhängigkeitsgefahr durch eine Verringerung der im Spiel eingebauten Belohnungen zu erreichen. Diese Belohnungsreduktion wurde nach drei Stunden ununterbrochenen Spielens aktiv.[26] 2006 wurde das System abgeändert, sodass Spieler über 18 Jahren von diesen Einschränkungen nicht betroffen sind.[27] Berichten zufolge finden Spieler unter 18 Jahren jedoch Wege, um diese Maßnahmen zu umgehen.[28]

Die chinesische Regierung hat eine Kampagne gestartet, um die Anzahl der Stunden, die Teenager mit Onlinespielen verbringen, zu begrenzen. Nach den im Juli 2007 erlassenen Gesetzen müssen chinesische Internetspiel Produzenten ein Programm installieren, das den Benutzer auffordert, seine Ausweisnummer einzugeben. Nach drei Stunden werden Spieler unter 18 Jahren aufgefordert, mit dem Spiel aufzuhören und “angemessenen körperlichen Übungen nachzugehen”. Falls sie dennoch mit dem Spiel unmittelbar fortfahren, sorgt die Software dafür, dass die im Spiel gewonnenen Punkte um die Hälfte gekürzt werden. Alle Punkte werden gelöscht, falls der Spieler mehr als fünf Stunden lang ununterbrochen lang spielt.[29]

Im Juni 2006 wurde die Smith and Jones Klinik[30] in Amsterdam (http://www.smithandjones.nl), die erste Behandlungseinrichtung in Europa, die ein Behandlungsprogramm für zwanghafte Spieler anbietet.[31] Das McLean Hospital in Belmont, Massachusetts hat einen Computersucht-Service ins Leben gerufen (http://www.computeraddiction.com).[32] Anderswo können Spieler an allgemeinen Suchtberatungszentren Hilfe suchen. In einem derartigen Zentrum in Richmond, Kanada, gehen 80 % der Fälle eines Jungendberaters auf das Konto exzessiven Spielens.[33]

Forschungsaktivitäten in Behandlungseinrichtungen sind noch im Vorstadium, da bisher nur wenige klinische Versuche und keine Meta-Analysen für diese Art der Sucht durchgeführt worden sind. Wie bei anderen Süchten und Abhängigkeiten stellt eine Kombination von Psychopharmaka und Psychotherapie die effektivste Behandlung dar. 12-Schritte-Programme haben ebenso vielversprechende Ergebnisse gezeigt.[34]

Die in 2002 gegründete nicht gewinnorientierte Organisation Online Gamers Anonymous (http://www.olganon.org)ist eine Selbsthilfe-, Unterstützungs- und Rekonvaleszens-Organisation für Spieler und ihr Angehörigen, die unter den nachteiligen Auswirkungen des exzessiven Computerspielens leiden. Auch hier wird ein 12-Schritte-Programm angeboten. Online Gamers Anonymous stellt eine Anzahl von Message Boards, mehrere Online Meetings und andere Mittel zur Heilung und Unterstützung der Betroffenen bereit.

Todesfälle

Vier gut dokumentierte Todesfälle sind bekannt, die direkt auf die Erschöpfung durch das Spielen über einen langen Zeitraum zurückzuführen sind. In Südkorea ist Lee Seung Seop gestorben, nachdem er 50 Stunden lang Starcraft gespielt hatte.[35] [36] In Jinzhou, China, starb Xu Yan, nachdem er über 15 Tage lang Online-Spiele gespielt hatte.[37] In Neu-Delhi, Indien starb ein College Student namens Naminder Pal Singh Bagga an extremer Erschöpfung und Unterernährung. Er hungerte sich letztendlich zu Tode, während er drei Monate lang täglich Fiesta Online spielte. Seine Zimmergenossen Ramesh und Mandeep versuchten ihn zu retten, waren aber nicht in der Lage, sein exzessives Spielverhalten zu beenden. Ein 30jähriger Unbekannter starb in Guangzhou, China, nachdem er drei Tage ununterbrochen lang gespielt hatte.[38] [39]

Vorkommen in Film, Funk und Fernsehen

  • South Park, Folge: Make Love: Not Warcraft parodiert viele Aspekte der Spielsucht
  • Die Simpsons, Folge: Marge Gamer: Marge wird eingeführt in ein MMORPG
  • CSI Miami, Folge: Urban Hellraisers: Ein Verdächtiger wird tot aufgefunden, nachdem er 70 Stunden ununterbrochen lang gespielt hatte.
  • Boston Legal, Folge aus der 2. Staffel: Der Anwalt muss sich mit dem Tod eines Jungen beschäftigen, der an exzessiver Internetnutzung starb.
  • David Barr Kirtleys Fantasy Story “Save Me Plz” (http://www.davidbarrkirtley.com/plz.html) handelt von der Anfrage einer jungen Frau, ihren Freund ausfindig zu machen, der verschwunden ist, nachdem er wie besessen ein MMORPG gespielt hat.

Siehe auch

Literatur

  1. AMA may identify excessive video game play as addiction June 25, 2007. Accessed June 25, 2007
  2. Computer Game Addiction. Berkeley Parents Network. Accessed June 25, 2007
  3. Hauge, Marney R. and Douglas A. Gentile. Video game addiction among adolescents: Associations with academic performance and aggression. Paper presented at a Society for Research in Child Development Conference, Tampa Florida. April, 2003. Accessed June 25, 2007
  4. a b Noyes, Katherine. Docs Retreat From 'Video Game Addiction' Diagnosis Tech News World June 25, 2007. Accessed June 27, 2007.
  5. American Psychiatric Association Considers 'Video Game Addiction' Science Daily June 26, 2007. Accessed June 27, 2007
  6. Khan, Mohamed K. Report of the council on science and public health. 2006. Accessed June 25, 2007
  7. Brown, Gerald L. Impulse control disorders: a clinical and psycho biological perspective March 15, 2004 Accessed June 25, 2007
  8. Study finds computer addiction is linked to impulse control disorder The Australian News October 24, 2006. Accessed June 25, 2007
  9. Irons, Richard and Jennifer P. Schneider. Differential Diagnosis of Addictive Sexual Disorders Using the DSM-IV Sexual Addiction & Compulsivity 5153, Volume 3, pp 7-21, 1996. Accessed June 25, 2007
  10. Defining Internet Addiction 1996. Accessed June 25, 2007
  11. Video game addiction: is it real? Harris Interactive April 2, 2007. Accessed June 25, 2007
  12. Online gamers addicted says study. BBC News November 28, 2006. Accessed June 25, 2007
  13. a b Faiola, Anthony. When Escape Seems Just a Mouse-Click Away. Washington Post Foreign Service May 27, 2006. Accessed June 25, 2007
  14. Video Game Overuse May Be an Addiction: Experts. Forbes June 22, 2007. Accessed June 25, 2007
  15. Ferguson, Dylan. World of Warcrack: the addictive power of role-playing games The Manitoban Online March 28, 2007. Accessed June 25, 2007
  16. Yee, Nick. The Daedalus Project: Addiction The Daedalus Project July 9, 2004
  17. MICHELLE L. BRANDT (2008). "Video games activate reward regions of brain in men more than women, Stanford study finds". Stanford University School of Medicine. Retrieved on 2008-05-07.
  18. Brian Quartermaine, Stress over teen's 'addiction', The Sunday Times (Perth), News.com.au, July 14, 2007
  19. Haggard, Daniel. The computer game affliction: how they addict you. Accessed June 25, 2007
  20. LeClaire, Jennifer. Warning Signs Appear Along Road to Video Game Addiction TechNews World. September 13, 2006. Accessed June 25, 2007
  21. Cause and Impact of Video Games Addiction. All about Health, News, Articles, Discussion. February 5, 2007 Accessed May 8, 2008.
  22. Backer, Erin. Child and adolescent psychiatrists react to ama recommendation on video games. Accessed May 7, 2008
  23. Tanner, Lindsey. Is video game addiction a mental disorder? Accessed May 7, 2008
  24. Humphrey Cheung.China electrocutes the WoW out of Internet addicts February 23, 2007. Accessed June 25, 2007
  25. Sebag-Montefiore, Poppy. China's young escape into the web Observer Guardian November 20, 2005. Accessed June 25, 2007
  26. Dickie, Mure. China moves to zap online game addiction Financial Times August 23, 2005. Accessed June 27, 2007
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  30. Smith and Jones clinic
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  33. Bennett, Nelson. When the game gets serious. Richmond News December 8, 2006. Accessed June 25, 2007
  34. Cindy Burkhardt Freeman (January 2008). "Internet Gaming Addiction Treatments" 42-47. The Journal for Nurse Practitioners. Retrieved on 2008-05-07.
  35. Korean drops dead after 50-hour gaming marathon (London Times) August 10, 2005
  36. S Korean dies after games session 10 August 2005
  37. "Chinese gamer dies after 15-day session". VNU.Net (01 March 2007).
  38. "Chinese gamer dies after three-day session". VNU.Net (17 September 2007).
  39. "Chinese Man Dies From 3-Day Gaming Binge". Associated Press (2007-09-17).