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Deutsches Bildungswesen

Das Deutsche Bildungswesen umfasst alle Angebote und Maßnahmen, die in Deutschland an der Bildung von Menschen beteiligt sind. Bildung in diesem Sinn ist ein Bildungsprozeß, der mit der Geburt von Menschen beginnt und mit dem Tod endet. Bildung findet sowohl im institutionellen Rahmen, z.B. von Schule und Hochschule, statt, als auch im außerinstitutionellen Rahmen wie Familie und Lebensumfeld eines Menschen. Bildung ist nicht auf Wissen und Kenntnisse begrenzt sondern umfasst auch soziale und moralische Normen und Werte. Ein Mensch, der als 'gebildet' bezeichnet werden kann, vereinigt in seiner Person viele dieser Facetten in hohem Maße.

Allgemeines

Vielfach jedoch fälschlicherweise wird dieser Vorgang auf das deutsche Schulsystem reduziert oder mit instutionellen Angeboten gleichgesetzt. So bezeichnet der Begriff eine starke umgangssprachliche Verkürzung von Bildung. Die damit suggerierte Altersbegrenzung auf das Jugendalter, die Einschränkung auf Schule und Instutionen ist eindeutig falsch. Ein hoher Bildungsabschluß und Zertifikate allein sind noch kein Ausweis für Bildung.

Daher kann zwar ein Unterschied des deutschen Bildungssystems zu den Bildungssystemen anderer Nationalitäten gemacht werden, weil dort andere Inhalte von anderen Institutionen - anders gegliederten Institutionen - angeboten werden. Es kann aber daher nur von der Gleichwertigkeit einer Bildung gesprochen werden. Das 'Messen von Bildung' setzt immer einen festzulegenden Kanon (z.B. Goethe, Faust) von Bildung voraus, der dann als Maßstab gelten kann. So wird aber nur gemessen, was der Maßstab vorgibt zu messen.

Wissenschaftlich reflektiert die Pädagogik die Theorie der Bildung. Die kritische Bildungstheorie hinterfragt die Theorie der Bildung kritisch auf ihre Grundannahmen und sucht die Interessen gesellschaftlicher Gruppen an Elementen von Bildung offenzulegen.

Adorno hat den Begriff Halbbildung ausführlich behandelt. Halbbildung geht "nach Genesis und Sinn nicht der Bildung voran, sondern folgt auf sie." [1] Er bezeichnet auch die These, dass durch fortschreitende Technik sich Bildungschancen allein dadurch verbessern würden, das Bildungsinhalte von jedem immer einfacher und besser erreicht werden könne, als "pseudodemokratische Verkäuferideologie".[2]

Konrad P. Liessmann hat in der 'Theorie der Unbildung' die Irrtümer der Wissenschaft untersucht und die politischen und ökonomischen Interessen von manchem offengelegt, was als 'wissenschaftliche Bildung' firmiert.[3]

[radikaler Konstruktivismus|Konstruktivistisch]] gesehen kann ein Mensch nicht 'gebildet' werden. Jeder Mensch konstruiert sich selbst seine Bildung aus seinem erlebten Umfeld. Normen und Werte werden aber nicht eins zu eins übernommen, sondern jeweils individuell bewertet.

Geschichte

Im 19. Jahrhundert verstand man das Bildungswesen als Instrument des bürokratischen Nationalstaates. In Preußen wollte durch die Neuordnung der schule und der Universität den Staat wieder Weltgeltung verschaffen. Bildung wird so zur Qualifikation und legitimiert einen sozialen Aufstieg.

Die Geschichte des deutschen Bildungswesens beginnt eigentlich erst nach 1945. Als Mitte der 50er Jahre nahm die Wirtschaft einen starken Aufschwung (Wirtschaftswunder) und fragte gut qualifizierte Ausbildungskräfte nach, die das herkömmliche Ausbildungssystem nicht zur Verfügung stellen konnte. G. Picht prägte das Wort der 'dt. Bildungskatastrophe' [4]

Bis dahin hatte sich das Bildungswesen in Deutschland nur sehr langsam verändert. Das gegliederte Schulsystem stellt nicht genug ausreichend qualifizierte Schulabgänger zur Verfügung. War man bisher davon ausgegangen, daß die Gliederung im Schulsystem den Begabungen der Schüler entspreche, wiesen Carnap und Edding nach, daß es große Unterschiede in Bezug auf die erreichten Schulabschlüsse in den Bundesländern gab. [5]. Daraus musste man entweder schließen, daß die Kinder in unterschiedlichen Ländern sehr unterschiedlich begabt waren, oder dass die (Schul-)Bildung in diesen Ländern sehr unterschiedlich effizient wirkte. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass die Bildungsmöglichkeiten nicht nur von den Interessen, Fähigkeiten und Leistungen des Kindes abhing, sondern auch von der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, vom Bundesland und vom Schulbezirk in dem die Schule besucht wurde.[6]

Basil Bernstein, ein englischer Soziologe, hatte belegt, dass der Sprachgebrauch der gehobenen Schicht sich erheblich vom Sprachgebrauch der Unterschicht unterscheidet. [7] Bernstein erklärte den Mißerfolg von Unterschichtkindern mit der Sprachbarriere in den Schulen, denn die Lehrer würden den 'elaborated Code' sprechen, die Schüler aber nur den 'restricted Code' verstehen.

Der dt. Bildungsrat hat 1969 untersuchen lassen, ob die Fähigkeit zum Lernen eine Erbanlage oder eine gelernte Fähigkeit ist. Die Gutachten und ausländische Forschungen ergaben, daß Begabung keine Voraussetzung für Lernen ist, sondern ein Ergebnis des Lernens.[8]

Das gegliederte deutsche Schulsystem weigert sich bis heute, die Konsequenzen daraus zu ziehen, obwohl auch PISA wieder belegt, daß das deutsche Schulsystem nicht nur hoch selektiv, sondern auch hoch sozialselektiv ist. Nach wie vor besteht eine 'Durchlässigkeit' im Schulsystem fast ausschließlich abwärts.

Empirische Studien belegten überdies, daß vorhandene Qualifikationen auch belebend auf die Nachfrage wirken, daß sich also ein Qualifikationsangebot auch einen Bedarf schaffen kann. [9]

Während Picht damals vor allem die Erhöhung der Abiturientenzahlen forderte[10], zeigt sich heute, daß ein staatliches Bildungsangebot auf allen Ebenen eine bessere Bildung erreichen muss, einmal weil die Komplexität der Gesellschaft und die Anforderungen an die Beherrschung auch komplizierter Abläufe stark zugenommen hat und zum anderen sich absehen läßt, dass die Globalisierung erhebliche Anforderungen an zukünftige Arbeitnehmer stellt.

Unter dem Einfluß der Lernzieldebatte im Gefolge des Behaviourismus verstärkte sich in den 80er Jahren nicht nur im deutschen Schulsystem der Objektstatus der Lernenden. Die Bildungstheorie ging von der Voraussetzung aus, daß alles was gelehrt sei auch gelernt sei. Erst 1995 konnte Klaus Holzkamp in seiner subjektwissenschaftlichen Grundlegung des Lernens[11] zeigen, daß sich unzureichende Erfolge der Bildungsbemühungen der Institution Schule und auch der Erwachsenenbildung - neben den bereits genannten Faktoren - auch auf die mangelnde Einbeziehung der Lernsubjekte in die Zielsetzungen des Lernens und bei der Durchführung des Lernens zurückführen lassen.

Bildungserwerb

Bildung wird in typischen Bildungsinstutionen wie Schule und Hochschule, aber auch außerhalb dieser Instutionen, z.B. in der Familie, erworben. Institutionelle Bildung ist mit einem Berechtigungssystem verbunden: Wer die Grundschule erfolgreich besucht hat, dann eine weiterführende Schule besuchen, wer die allgemeine Hochschulreife erworben hat, darf an Hochschulen studieren. Die außerinstutionelle Bildung kann keine Berechtigungen dieser Art vergeben. Daher kann die außerinstutionelle Bildung zwar sehr erfolgreich sein und bessere und mehr Kenntnisse und Können vermitteln als institutionelle Bildung, ohne aber zu einer höheren Berechtigung zu führen.[12]

Siehe auch Hauptartikel Allgemeinbildung

Bildungspolitik

Sie umfasst alle Maßnahmen, die das Bildungswesen inhaltlich, finanziell und organisatorisch betreffen. Beteiligt sind dabei aber nicht nur die Parteien, sondern auch alle gesellschaftliche Gruppen, die mit Bildung befaßt sind, d.h. die Bildungsmaßnahmen selbst anbieten, oder die in irgendeiner Form auf Bildung Einfluß nehmen (z.B. durch Öffentlichkeitsarbeit). Zwar haben in Deutschland die Länder die Zuständigkeit für Bildung, es gibt aber auch Themen, die von bundesweiter Bedeutung sind. So ist der Bund z.B. im Bereich der Hochschulen, die ja in die Zuständigkeit der Länder fallen, beteiligt.

Im schulischen Bereich ist es die 'Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland' (KMK), die länderübergreifende Fragen bearbeitet.

Bildungsausgaben und -gerechtigkeit

Alle Bildungsausgaben werden vom Steuerzahler getragen. Daher ist es eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, daß auch alle Bürger Zugang zu Bildungsmaßnahmen haben, ohne daß finanzielle Hürden Bildungsmaßnahmen nur für den begüterten Teil der Bevölkerung erreichbar machen. Überdurchschnittliche Bildungsaufwendungen zwischen 7300 und 8100 Euro pro Schüler oder Student haben danach neben Hamburg: 8400 Euro pro Schüler, die Länder Berlin, Bremen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Unterdurchschnittliche Ausgaben haben dagegen neben Nordrhein-Westfalen die Länder Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein (je 6600 Euro), das Saarland (6800 Euro) und Niedersachsen (6900 Euro).[13]

Im Schulbereich sorgt das Sonderungsgebot dafür, daß das Schulgeld von Privatschulen nicht zum Auslesekriterium wird. Öffentliche Schulen sind aus diesem Grund frei von Gebühren. Im Hochschulbereich ist der Streit um die Studiengebühren 2008 noch juristisch nicht abschließend geklärt. Schüler und Studenten haben aus diesem Grunde auch Anspruch auf BAFÖG. Trotzdem klaffen die Bildungsaufwendungen für Schüler unterschiedlicher Schulformen weit auseinander.

Die Messung der Ausgaben fü

wichtige Bildungsfragen

Gleichheit von allgemeiner und beruflicher Bildung

In Deutschland ist es nur schwer möglich, durch berufliche Tätigkeit eine höhere Qualifikation zu erlangen. Berufliche Qualifikationen sind ausschließlich an Instutionen (Schule und Hochschule) gebunden. Ein Meister kann nicht zum Ingenieur aufsteigen. Dazu müßte er erst einen entsprechenden Schulabschluß und daran anschließend ein Hochschulstudium ablegen. Bisher kann bestenfalls im Zuge der Anrechnung das Grundstudium verkürzt werden.

Dem entsprach bis zur Einführung der Gesamtschule auch das Schulsystems. Nur mit dem Gymnasium konnte die allgemeine Hochschulreife erworben werden. Mit der Gesamtschule, den Kollegs und Berufskollegs wurde die Sonderstellung des Gymnasiums egalisiert. In den Berufskollegs ist der Gedanke der Gleichheit von Beruflicher Bildung und Allgemeiner Bildung am weitesten realisiert: Berufliche Fächer sind Abiturfächer und ersetzen allgemeinbildende Fächer.

Im Hochschulbereich sollten die Gesamthochschulen mit veränderten Eingangsvoraussetzungen (Mittlere Reife/Sek I mit Qualifikation + Berufsabschluß) den Zugang zu einem Studium erleichtern.

Für Arbeitnehmer mit qualifizierten Berufserfahrungen gibt es aber bisher noch keine Möglichkeiten auf dem Wege der Fort- und Weiterbildung einen Hochschulabschluß zu erlangen. Allerdings können Hochschulen akademische Grade (ehrenhalber) nach eigenen Grundsätzen verleihen und auch Personen, die nicht über die formalen Voraussetzungen verfügen, eine Professur anbieten.[14]

Chancengleichheit

Siehe Hauptartikel Bildungschancen und Bildungsbenachteiligung.

In den 70er Jahren wurde nachgewiesen, daß es in Deutschland abhängig von der Wohngegend und vom jeweiligen Bundesland war, welche Schulabschlüsse Kinder erreichen konnten. In weiteren Untersuchungen konnte auch belegt werden, daß die soziale Herkunft der Kinder ein wichtiges Kriterium für seinen Schulerfolg ist. Diesem Mißstand sollte durch das Konzept der Chancengleichheit abgeholfen werden: Durch zusätzlichen und anderen Unterricht, durch eine neue Schulform, die Gesamtschule, sollte sichergestellt werden, daß alle Kinder gleiche Chancen haben, einem ihrer Begabung entsprechenden Bildungsabschluß zu erreichen. Auf unterschiedlichen Wegen sollten gleiche Ziele erreicht werden können. So wurde der mittlere Bildungsabschluß, der bisher in Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialabschluß - nach der 10. Klasse zu einem Abschluß der Sekundarstufe I vereinheitlicht. Dies ist in den Bundesländern unterschiedlich umgesetzt worden. Ebenso wurde die Oberstufe des Gymnasiums und der beruflichen Schulen in die Sekundarstufe II umbenannt. Die Grundschule wurde zur Primarstufe.

Spätestens mit PISA wurde offensichtlich, daß das Konzept der Chancengleichheit gescheitert ist. Trotz aller Bemühungen ist es nicht gelungen, in der Schule unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen zu verringern. Im Gegenteil: die soziale Selektion durch die Schule hat sich verschärft.

Hochbegabung

Siehe Hauptartikel Hochbegabung

Da es bisher keine einheitliche Definition von Hochbegabung gibt, fehlen auch verläßliche Kriterien dafür, eine Hochbegabung schon früh festzustellen. Das führt an deutschen Schulen oft dazu, daß Hochbegabte eine negative Schulkarriere aufweisen. Erst in den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts setzte sich die Einsicht durch, daß Hochbegabung nicht einfach durch Überspringen einer Klasse ausreichend gefördert werden kann.

Weblinks

Literatur

  • Adorno, Theodor W.: Theorie der Halbbildung. Soziologische Schriften, Frankfurt am Main 1959
  • Georg Picht: Die deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation, Olten u. Freiburg, 1964
  • Hans Magnus Enzensberger: Baukasten einer Theorie der Medien, in: Kursbuch 20, Berlin 1970.

Siehe auch

Deutsches Schulwesen Berufliche Bildung Allgemeinbildung Akademische Bildung Fort- und Weiterbildung Charakterbildung Herzensbildung Deutscher Bildungsrat Bildungsparadox Chancengleichheit


Fußnoten

  1. Theodor W. Adorno: Theorie der Halbbildung (1959), in: Ders.: Gesellschaftstheorie und Kulturkritik, Ffm. 1975, S. 66.
  2. Ebenda
  3. K. Liessmann: Theorie der Unbildung. 2006, ISBN-10: 3552053823, ISBN-13: 978-3552053823, Verlag: Zsolnay
  4. G. Picht: Die deutsche Bildungskatastrophe, München, 1965
  5. R.v. Carnap, F. Edding: Der relative Schulbesuch in den Ländern der Bundesrepublik von 1952 bis 1960, in: Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt/M, 1962
  6. Vgl. Hellmut Becker: Bildungsforschung - Aufgaben und Methoden, Sonderbeitrag in: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd 4, S. 199-204
  7. B. Bernstein: Aspects of Language and Learning in the Genesis of the Social Progress, in: Hymes (Hrsg): Language in Culture and Society, New York, 1964, S. 251-263) und anderen Veröffentlichungen
  8. H. Roth (Hrsg): Begabung und Lernen. Ergebnisse und Folgerungen neuerer Forschungen, Stuttgart, 1969, (Deutscher Bildungsrat, Gutachten und Studien der Bildungskommission, Bd. 4)
  9. D. Hartung, R. Nuthmann und W.D. Winterhager: Politologen im Beruf. Zur Aufnahme und Durchsetzung neuer Qualifikationen im Beschäftigungssystem, Stuttgart 1970, (Texte und Dokumente zur Bildungsforschung).
  10. Vgl. a.a.O.
  11. Klaus Holzkamp: Lernen, Subjektwissenschaftliche Grundlegung, New York, 1995
  12. Ein typisches Beispiel ist Jean Piaget, der schon als Jugendlicher Fachartikel über Mollusken veröffentlichte, die in der wissenschaftlichen Welt beeindruckten. So bekam er u.a. die Stellung als Kurator in einem großen schweizer Museum angeboten, konnte diese aber nicht annehmen, da er noch nicht volljährig war und noch Abitur und Studium vor sich hatte.
  13. Focus online: Sparen am Schüler, mai/dpa, Artikel vom 13.09.06
  14. Eine solche Person ist z.B. Ernst von Glasersfeld, der von der Universität ... ohne Promotion und Habilitation als Professor berufen wurde und dem erst in hohem Alter von der Universität Wien die Doktorwürde ehrenhalber verliehen wurde.