Benutzer:Julia Monro/Artikelentwurf

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Basisdaten
Titel: Erklärung zur Geschlechtsangabe
und Vornamensführung bei Personen mit
Varianten der Geschlechtsentwicklung
Kurztitel: §45b PStG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Personenstandsrecht
Erlassen am: 18.12.2018
(BGBl. I S. 2635)
Inkrafttreten am: 22. Dezember 2018
Weblink: Text des Gesetzes
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Der Paragraph §45b PStG wurde im Dezember 2018 in das deutsche Personenstandsgesetz (PStG) mit Wirkung ab 22. Dezember 2018 unter dem Titel Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung eingefügt. Vorausgegangen war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches den Gesetzgeber dazu aufforderte neben den bisherigen Geschlechtsangaben männlich oder weiblich einen weiteren positiven Eintrag zuzulassen. Seit 2013 bestand zwar bereits die Möglichkeit, die Geschlechtsangabe offenzulassen. Durch diesen negativen Eintrag würden Personen, die sich weder dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zuordnen können, nicht sichtbar sein. Das Bundesverfassungsgericht entschied daher, dass man nicht zum binären Geschlecht männlich oder weiblich zwingen dürfe und einen weiteren positiven Eintrag ermöglichen müsse. In den Medien wurde diese Möglichkeit als "Dritte Option" oder "Drittes Geschlecht" tituliert.

Das Gesetz soll Menschen die Möglichkeit geben, eine Diskrepanz aufzuheben, wenn zwischen dem Wissen um die eigene Geschlechtszugehörigkeit und der eingetragenen rechtlichen Geschlechtsangabe ein Widerspruch besteht. Durch diese Möglichkeit kann das bei Geburt falsch zugewiesene Geschlecht im Geburtenregister korrigiert werden, um einen kongruenten Zustand herzustellen.

Als Voraussetzung solle man eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, bei der ein Arzt eine Variante der Geschlechtsentwicklung bestätigen sollte. Alternativ, wenn bspw. ein Arztbesuch aufgrund voriger traumatischer Erlebnisse nicht zumutbar sei, so dass die Gefahr einer (Re-)Traumatisierung besteht, könne man eine eidesstattliche Versicherung anstelle der ärztlichen Bescheinigung abgeben.

S (§ 22 und § 45b PStG).

Materielles Recht

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Im Oktober 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Personen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweisen und die sich selbst dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, in ihren Rechten verletzt werden, wenn der Gesetzgeber keinen positiven Geschlechtseintrag ermöglicht, der nicht „weiblich“ oder „männlich“ lautet. Die geschlechtliche Identität ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts. Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2018 eine verfassungsgemäße Regelung herbeizuführen.

Gesetzgebungsverfahren

Interessenvertretungen

Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland empfahl in seiner Stellungnahme [1]

Institut für Menschenrechte [2]

Deutscher Juristinnenbund [3]

Bundestag

https://www.bundesanzeiger-verlag.de/familie-soziales/aktuelles/aktuelle-meldungen/news-details/artikel/zusaetzliche-geschlechtsbezeichnung-divers-fuer-intersexuelle-eingefuehrt-ein-schritt-nach-vorn-aber-noch-kein-verfassungskonformes-gesetz-28517.html

https://www.bundestag.de/resource/blob/580284/fed6ed0ae40dda57a5de661eed8ab801/a-drs--19-4-169-c-data.pdf

Bundesrat

Staatsministerin Anne Spiegel aus Rheinland-Pfalz empfahl während der Bundesratssitzung im Abstimmungsverfahren, dass von einer weiteren Ungleichbehandlung zwischen inter- und transgeschlechtlichen abgesehen werden sollte. Man habe die Möglichkeit, für einen "großen Wurf das Personenstandsrecht zu modernisieren" und "das Leben vieler Menschen ein kleines Stück zu verbessern."[4]

Der Ausschuss für Frauen und Jugend empfahl in den Gesetzestext so abzuändern, dass auch transgeschlechtliche Menschen berücksichtigt werden sollen. [1]


Voraussetzungen für die Änderung des Vornamens und die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung

Für beide Vorgänge ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 TSG erforderlich, dass die antragstellende Person

1. sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben,

2. mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und

3. sie

a) Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist,
b) als Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,
c) als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Inland hat oder
d) als Ausländer, dessen Heimatrecht keine diesem Gesetz vergleichbare Regelung kennt,
aa) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder
bb) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich dauernd rechtmäßig im Inland aufhält.

Eltern-Kind-Verhältnis

  • Sofern nur die Änderung der Vornamen vorgenommen wurde, wird diese durch die Geburt eines danach gezeugten Kindes automatisch unwirksam (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 TSG). Danach können, sofern aus „schwerwiegenden Gründen anzunehmen ist, daß der Antragsteller sich weiter dem nicht seinem Geburtseintrag entsprechenden Geschlecht als zugehörig empfindet“, die Vornamen auf Antrag erneut in diejenigen geändert werden, die bis zum Unwirksamwerden der Entscheidung geführt wurden (§ 7 Abs. 3 TSG). So können beispielsweise Vergewaltigungsopfer ihre gewünschten Vornamen wiedererlangen.
  • Änderungen der Vornamen und Geschlechtszugehörigkeit behalten auch nach der Geburt eines Kindes, das danach gezeugt wurde, ihre Gültigkeit.[5] Die Entscheidung nach dem TSG bleibt jedoch im Bezug auf die leiblichen Kinder unberücksichtigt (§ 11 Satz 1 TSG). Dementsprechend sind bei Kindern, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geburt, stets Vornamen und Geschlecht der leiblichen Eltern so zu nennen, wie diese vor dem TSG-Beschluss gültig waren;[5] auch die Verwandtschaftsbeziehung ist im Geburtseintrag des Kindes so zu vermerken, als habe die Entscheidung nach dem TSG nicht stattgefunden.[5][6][7] Das bedeutet beispielsweise, dass Transmänner, die ein leibliches Kind gebären, als dessen Mutter im Geburtseintrag verzeichnet werden.[5]
  • Bei Adoptivkindern hängt das Rechtsverhältnis vom Zeitpunkt der Adoption ab: Es gelten stets die zur Zeit der Annahme des Kindes gültigen Vornamen und Geschlechtsangaben, ungeachtet etwaig vorausgegangener oder nachfolgender Entscheidungen nach dem TSG (§ 5 Abs. 3 und § 11 Satz 1 TSG).
  • Das Rechtsverhältnis zu den Eltern wird durch eine Entscheidung nach dem TSG nicht beeinflusst (§ 11 Satz 1 TSG).


Verfahren

Das Verfahren beginnt mit einem schriftlichen Antrag der transsexuellen Person. Zuständig ist das Amtsgericht am Sitz des Landgerichts, in dessen Bezirk die Person ihren Wohnsitz hat, allerdings haben hier die allermeisten Bundesländer abweichende Rechtsverordnungen erlassen, durch die meist ein Gericht für das gesamte Bundesland zuständig ist. Für Deutsche im Ausland ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig.

Bei dem Verfahren handelt es sich um ein höchstpersönliches, das grundsätzlich nicht durch einen gesetzlichen Vertreter wahrgenommen werden kann. Ist die transsexuelle Person allerdings geschäftsunfähig, kann ein rechtlicher Betreuer dieses Verfahren im Namen des Betreuten einleiten; er benötigt hierzu die Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat mit Urteil vom 24. Januar 2017, 10 WF 80/16, klargestellt, dass die Praxis, zusätzlich ein Familiengericht bei Kindern und Jugendlichen nach vollendetem 7. Lebensjahr einzuschalten, unzulässig ist, da es sich hierbei nicht um geschäftsunfähige Personen handelt.

Das Gericht verfährt seit dem 1. September 2009 nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Es gilt der sog. Amtsermittlungsgrundsatz, d. h. das Gericht ermittelt den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen. Es holt insbesondere zwei voneinander unabhängige Gutachten von Sachverständigen ein, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen der Transsexualität ausreichend vertraut sind. Die Gutachter haben auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird (§ 4 Abs. 3 TSG). Der Antragsteller hat die Möglichkeit, in seinem Antrag auch Gutachter seines Vertrauens vorzuschlagen.[8]

Außerdem hört das Gericht den Antragsteller persönlich an.

Am Verfahren ist außer dem Antragsteller niemand beteiligt. (Bis 2017 hat ein „Vertreter des öffentlichen Interesses“ an dem Verfahren teilgenommen, der die Interessen Dritter, insbesondere der Kinder und der Eltern des Antragstellers, vertreten sollte.[9][10] Diese Funktion wurde etwa von Behördenmitarbeitern aus den Fachverwaltungen wahrgenommen, z. B. den nach Landesrecht für das Personenstandswesen zuständigen Aufsichtsbehörden.)

Finanziell Bedürftige können Verfahrenskostenhilfe beantragen und werden dann insbesondere nicht mit den Kosten der Begutachtung belastet.


Literatur

  • Laura Adamietz: Rechtliche Anerkennung von Transgeschlechtlichkeit und Anti-Diskriminierung auf nationaler Ebene – Zur Situation in Deutschland. In: Gerhard Schreiber (Hrsg.): Transsexualität in Theologie und Neurowissenschaften. Ergebnisse, Kontroversen, Perspektiven. De Gruyter, Berlin 2016, S. 357–372.
  • Gerhard Sieß: Die Änderung der Geschlechtszugehörigkeit. Das Transsexuellengesetz und seine praktische Anwendung in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. (= Konstanzer Schriften zur Rechtswissenschaft. Band 103). Hartung-Gorre, Konstanz 1996. – veraltet seit Inkrafttreten des FamFG zum 1. September 2009 –
  • Friedemann Pfäfflin: Begutachtung der Transsexualität. In: K. Foerster (Hrsg.): Psychiatrische Begutachtung. Elsevier, München 2004, S. 525–538.
  • Michael Grünberger: Die Reform des Transsexuellengesetzes: Großer Wurf oder kleine Schritte? 2007. (pdf. Abgerufen am 27. Oktober 2014)
  • Dominik Groß, Christiane Neuschäfer-Rube, Jan Steinmetzer: Transsexualität und Intersexualität. Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte. Berlin, 2008, ISBN 978-3-939069-55-3.
  • Münchener Kommentar zum FamFG. 2. Auflage. 2013, ISBN 978-3-406-61017-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. LSVD: Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. 23. Oktober 2018, abgerufen am 10. Oktober 2019.
  2. Deutsches Institut für Menschenrechte: Stellungnahme. Juli 2018, abgerufen am 10. Oktober 2019.
  3. Deutscher Juristinnenbund e.V. - Stellungnahme 18-11 / zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben (Stand: 5. Juni 2018). Abgerufen am 10. Oktober 2019.
  4. Anne Spiegel: Plenarrede in der 971. Sitzung vom 19.10.2018. TOP 28: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregiste. Abgerufen am 10. Oktober 2019.
  5. a b c d Kammergericht, Beschluss vom 30. Oktober 2014, Az. 1 W 48/14
  6. Mann-zu-Frau: BGH-Beschluss von 29. November 2017, Az. XII ZB 459/16
  7. Frau-zu-Mann: BGH-Beschluss vom 6. September 2017, Az. XII ZB 660/14
  8. so beispielsweise im Verfahren beim AG München
  9. BT-Drs. 8/2947: Entwurf eines Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG), S. 22.
  10. Art. 2a G vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2522, 2530)


Kategorie:Rechtsquelle (Deutschland) Kategorie:Rechtsquelle (20. Jahrhundert) Kategorie:Personenstandsrecht (Deutschland) Kategorie:Transgender