Benutzer:Julsi 94/MuM
Als multisensorische Markenführung (lateinisch „multi“, Vorsilbe für „viel“; „Sensualität“, „Sinnlichkeit"[1]), auch multisensuales Branding[2], bezeichnet man eine Strategie, die die gewünschten Botschaften mittels der Ansprache mehrerer, mindestens aber zweier Sinne[3] an den Kunden vermittelt.[4] Durch die Kombination dieser Sinnesreize entstehen im Gehirn des Menschen Schemata, die ein multimodales Markenbild formen.[5]
Theorie
Die multisensorische Markenführung arbeitet mit den Erkenntnissen des Neuromarketings. Man geht davon aus, dass das Gehirn Erlebnisse bis zu zehnmal stärker erlebt, wenn es zeitgleich über mehr als zwei Sinne angesprochen wird.[4] Die zwar voneinander getrennten Sinnesorgane nehmen die Informationen auf und fügen sie im Gehirn zu einem ganzheitlichen Eindruck zusammen.[6] Besteht dieser Eindruck einmal, so können die Reize eines Sinnesorgans später die eines anderen Organs auslösen.[7]
Studien zufolge sind 75% aller multisensorisch agierenden Marken „Power Brands“, die Kundenloyalität liegt bei knapp 60%. Werden mehrere Sinne beim Kunden angesprochen, steigt die Erinnerungs- und Wiedererkennungsleistung des Gehirns, was zu einer stärkeren Identifikation mit der Marke führen kann.[8] Aufgrund dessen agieren heutzutage immer mehr Marken nicht nur produkt- oder aktionsbezogen multisensorisch, sondern zunehmend ganzheitlich in ihrer Markenpositionierung und –führung.[4]
Ansprache der menschlichen Sinne
Die meisten Unternehmen kommunizieren ihre Markeninhalte heute größtenteils nur mono- oder duosensual. Die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sinnen bietet die Chance, ungenutzte Potenziale zu nutzen.[9]
Optik
Das Auge vermittelt dem Menschen 80-85% aller Informationen und ist somit einer der wichtigsten Sinneskanäle. Er kann rund 35.000 Eindrücke pro Stunde verarbeiten. Durch diese ständige Reizung spielt er jedoch nur eine untergeordnete Rolle hinsichtlich der Kundenloyalität. Er alleine löst keine großen Emotionen oder Erinnerungen aus.[3]
Während dieser menschliche Sinn also weitestgehend ausgereizt ist, bieten die übrigen vier Sinn noch eine Menge an Gestaltungsmöglichkeiten, um die eigene Marke multisensorisch bekannt zu machen.[10]
Haptik
Auch der Tastsinn ist einer der wichtigsten Sinneskanäle, denn über das Anfassen fällt der Menschen binnen weniger Sekunden eine Vielzahl von Urteilen. Der Tastsinn überprüft das, was der Sehsinn vorgegeben hat.[3]
Haptische Reize spielen eine wichtige, jedoch eher unbewusste Rolle. Meist wird der haptische reiz unmittelbar mit einem optischen Reiz verbunden und zu einem Gesamtbild zusammengefügt.[11]
Akustik
Der Hörsinn besitzt eine stark soziale Funktion. Der Mensch erschließt sich seine Umwelt und lernt durch Gehörtes. Das Ohr reagiert dabei auf Schallwellen und kann Frequenzen von 20 Hz bis 16 kHz (Schwingungen pro Sekunde) wahrnehmen und ist damit sehr empfindlich.[12] Dennoch ist das Hören nur eine Momentaufnahme, die mit dem Erlischen des Schalls verfliegt.[13]
Sowohl beim Hör- als auch beim Sehsinn erinnern sich Menschen meist an die letzte wahrgenommene Information. Zuvor gemachte Erfahrungen geraten schnell in Vergessenheit.[14]
Im Zusammenhang mit der Akustik stehen meist Musik und das menschliche Sprechen bei der multisensorischen Markenführung im Vordergrund. Vor allem Musik eignet sich für die Vermittlung von universalen und emotionalen Informationen.[15]
Olfaktorik
Der Geruchssinn ist der einzige Sinn des Menschen, der nicht abschaltbar ist. Solange der Mensch atmet, riecht er auch. Dabei werden Gerüche größtenteils unbewusst wahrgenommen und unmittelbar ins Zentrum für Erinnerungen und Gefühle weitergeleitet und gespeichert.[3] Er gehört damit zu den emotionalsten Sinnen des Menschen.[11]
Während Geschmacksvorlieben angeboren sind, werden Duftvorlieben erlernt. So besteht vor allem in der Pubertät für Unternehmen die Möglichkeit, eine Gewöhnung per olfaktorischer Reize zu erzielen.[16]
Der Einsatz von Aromen in der Kommunikation sollte positive Erinnerungen beim Menschen wecken, um damit eine Basis für eine Kontaktaufnahme zu erschaffen. Die Kombination bestimmter Gerüche und Assoziationen ist zeitlos und kaum voneinander trennbar.[17]
Gustatorik
Verantwortlich für das Geschmacksempfinden sind die Zunge und der Gaumen. Auf ihnen befinden sich Geschmacksknospen, die eine Lebensdauer von zehn Tagen haben und ständig nachwachsen. Während der Geruchssinn Tausende von Düften wahrnehmen kann, ist die Zahl der Geschmacksempfindungen stark begrenzt – auf süß, salzig, sauer und bitter.[18]
Gleichzeitig gibt es beim Geschmackssinn keine Abstufungen. Der Geschmackssinn entscheidet sofort, ob etwas schmeckt oder nicht.[19] Weiter ist zu beachten, dass dieser nicht losgelöst vom Geruchssinn betrachtet werden kann, da die meisten Geschmacksempfindungen zunächst über den Geruch wahrgenommen werden.[17]
Singapore Airlines
Ein Beispiel für eine gelungene multisensorische Markenführung stellt die Fluggesellschaft Singapore Airlines dar.
Geschichte
Die Fluggesellschaft Singapore Airlines (SIA) wurde am 1. Mai 1947 als Malayan Airways gegründet und im Oktober 1972 in Singapore Airlines und Malaysian Airlines aufgeteilt.[20] Die Gesellschaft sieht sich selber als Premium-Airline[21] und beschäftigt heute über 14.000 Mitarbeiter und fliegt mit einer Flotte von 109 Flugzeugen 32 Länder und 61 Flughäfen an. Drehkreuz ist der Flughafen Singapur-Changi. Sie ist zudem Mitglied der Luftfahrtallianz Star Alliance.[22]
Mittlerweile gehört Singapore Airlines zu den besten internationalen Airlines und hat zahlreiche Branchen- und Reiseauszeichnungen erhalten.[22]
Multisensorische Marke
Bereits in den 70er Jahren begann Singapore Airlines mit dem Aufbau eines multisensorischen Markenimages. Den Startschuss machten damals die Flugbegleiterinnen, die sogenannten Singapore Girls. Der von einem Pariser Designer entworfene Sarong Kebaya, der als Uniform dient, ist das Markenzeichen der Stewardessen von SIA.[3] Weiter haben sie neben der weltweit identischen Kleidung allesamt eine ähnliche Statur und tragen alle ein identisches Make-Up[8], das sie nach gesonderten, professionellen Trainingseinheiten selbst beherrschen müssen.[21]
Seit Ende der 1990er Jahre nutzt Singapore Airlines ein speziell entwickeltes Aroma namens „Stefan Floridian Waters“, das nicht nur die Grundlage des Parfums der Singapore Girls darstellt, sondern auch über die Klimaanlage in die Kabinen verströmt und den Hot Towels zugefügt wird.[23] Der Duft ist feminin, sanft, asiatisch und Befragungen zufolge scheinbar auch wiedererkennbar und mit angenehmen Erinnerungen verbunden.[24]
Auch die Akustik wird von der Airline nicht vernachlässigt. Die Markenklänge von Singapore Airlines werden nicht nur in deren Werbespots, sondern auch in den Flughafenlounges sowie im Flieger selber abgespielt.[24]
Siehe auch
Weblinks
- Stephanie Hofer: Marken brauchen die Kraft aller fünf Sinne Brand Trust, 2017.
- Karsten Kilian: Multisensuales Marketing: Marken mit allen Sinnen erlebbar machen transfer Werbeforschung & Praxis, 2010.
- Imke Sander: Teil 1: Sensory Branding Springer Professional, 14. Januar 2013.
- Yvonne Weiß: Wie schmeckt Glück? dedica, 2011.
Literatur
- Andrea Haug (2012): Multisensuelle Unternehmenskommunikation. Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. München: Springer Gabler. ISBN 978-3-8349-7092-3.
- Christiane Springer (2008): Multisensuale Markenführung. Eine verhaltenswissenschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung von Brand Lands in der Automobilwirtschaft. Wiesbaden: Gabler Fachverlag. ISBN 978-3-8349-0900-8.
Einzelnachweise
- ↑ Springer, Christiane.: Multisensuale Markenführung : eine verhaltenswissenschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung von brand lands in der Automobilwirtschaft. Gabler, 2008, ISBN 978-3-8349-0900-8, S. 16 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Carsten Baumgarth: Markenpolitik. 2001, S. 412, doi:10.1007/978-3-322-92973-0 (doi.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ a b c d e Multisensorisches Marketing. Abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ a b c Sinnliche Verführung – Multisensorische Markenführung. Abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ Esch, Franz-Rudolf, 1960-: Moderne Markenführung : Grundlagen, innovative Ansätze, praktische Umsetzungen. Gabler, 2005, ISBN 978-3-8349-4540-2, S. 280 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Springer, Christiane.: Multisensuale Markenführung : eine verhaltenswissenschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung von brand lands in der Automobilwirtschaft. Gabler, 2008, ISBN 978-3-8349-0900-8, S. 6 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Springer, Christiane.: Multisensuale Markenführung : eine verhaltenswissenschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung von brand lands in der Automobilwirtschaft. Gabler, 2008, ISBN 978-3-8349-0900-8, S. 7 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ a b Marken brauchen die Kraft aller fünf Sinne. Abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ Springer, Christiane.: Multisensuale Markenführung : eine verhaltenswissenschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung von brand lands in der Automobilwirtschaft. Gabler, 2008, ISBN 978-3-8349-0900-8, S. 45 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Karsten Kilian: Multisensuales Marketing: Marken mit allen Sinnen erlebbar machen. transfer Werbeforschung & Praxis, abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ a b Haptische Codes in der Markenkommunikation – Marketing-Veredelung für alle Sinne. Abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 32 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 33 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 48 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 53 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 52 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ a b Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 39 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 45 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Haug, Andrea.: Multisensuelle Unternehmenskommunikation Erfolgreicher Markenaufbau durch die Ansprache aller Sinne. Springer Gabler, 2012, ISBN 978-3-8349-2692-0, S. 46 (worldcat.org [abgerufen am 17. Februar 2019]).
- ↑ Unser Erbe. Abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ a b Singapore Girls - Traum und Markenzeichen. 21. Juni 2010, abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ a b Member Airline Details. Abgerufen am 17. Februar 2019 (deutsch).
- ↑ Teil 1: Sensory Branding. 14. Januar 2013, abgerufen am 17. Februar 2019.
- ↑ a b Yvonne Weiß: Wie schmeckt Glück? dedica, abgerufen am 17. Februar 2019.