Benutzer:Karllanze/Umsetzung von Frauenquoten

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Umsetzung von Frauenquoten

Europäische Union

Im Europarecht ist Artikel 141 Absatz 4 des EG-Vertrags (Art. 157 Abs. 4 AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) einschlägig. Die EU-Richtlinien zur Gleichstellungspolitik der Europäischen Union, insbesondere die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG definieren den Begriff mittelbare Diskriminierung als lediglich „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren“.

Nach dem EuGH-Urteil Kalanke vs. Stadt Bremen[1] entsprachen „automatische“ Bevorzugungen von Bewerberinnen nicht dem Gemeinschaftsrecht. Im Urteil Marschall gg Land Nordrhein-Westfalen[2] präzisierte der EuGH, dass eine Bevorzugung von Frauen bei bestehender Unterrepräsentation und bei gleicher Qualifikation dennoch keine Benachteiligung des männlichen Bewerbers darstellt, wenn mit einer Öffnungsklausel geprüft wird, ob in der Person des Mitbewerbers gelegene Gründe vorliegen. Solche Gründe dürfen allerdings nicht in sich diskriminierend sein.[3][4]

Hierzu wird heute versucht, Stellenausschreibungen oder politische Mandate im Sinne einer affirmative Action geschlechtsneutral (also nicht mittelbar diskriminierend) bzw. zweigeschlechtlich zu formulieren, um den Anteil an wahlfähigen Kandidatinnen zu erhöhen. Das umfasst etwa, bekannte faktische Ungleichstellung in den vorgelagerten Ebenen (Ausbildung, typischer Kandidatenkreis, Besetzung der niedrigeren Hierarchien) durch geeignete Ausschreibungskriterien zu kompensieren oder das Erwünschtsein weiblicher Kandidaten ausdrücklich zu erwähnen.

Deutschland

Öffentlicher Dienst

Im Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst (Bundesgleichstellungsgesetz) ist eine relative Quotenregelung enthalten. Seitdem werden Stellen im öffentlichen Dienst mit dem Zusatz versehen, dass bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen bevorzugt werden. Über die Zulässigkeit von Quoten im öffentlichen Dienst in Deutschland hat der Europäische Gerichtshof in drei Verfahren entschieden und dabei wesentliche Kriterien festgesetzt. Das Urteil des EuGH Rs. Kalanke 1995[1] befasst sich mit zwei Vorlagefragen des Bundesarbeitsgerichtes, die die Regelung einer leistungsbezogenen Quote in § 4 Landesgleichstellungsgesetz Bremen betrafen. Der EuGH urteilte, dass Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts für Bereiche, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt werde. Ein automatischer Vorrang der Frauen bewirke eine Diskriminierung der Männer im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie. In einem weiteren Urteil (Rs. Marschall)[2] 1997 revidierte der EuGH die aufgestellten Prinzipien teilweise.

Politik

Die Grünen beschlossen bei ihrer Parteigründung 1979 eine Frauenquote: Mindestens die Hälfte aller Ämter sollen weiblich besetzt sein. Die SPD beschloss 1988 eine 40-%-Geschlechterquote für Ämter und Mandate. Die CDU diskutierte im Dezember 1994 einen Anteil von einem Drittel und führte 1996 ein sogenanntes Frauenquorum ein.[5] Die Partei Die Linke beschloss eine Frauenquote, die vorsieht, dass alle Ämter mit einem Frauenanteil von mindestens 50 % besetzt werden, genau wie die Reservelisten zu den verschiedenen Parlamentswahlen. Die Quoten führten dazu, dass die Frauenanteile in den Führungsgremien aller dieser Parteien deutlich über den Frauenanteilen unter den Mitgliedern der jeweiligen Partei liegt.[6] Die CSU hat an ihrem Parteitag am 29. Oktober 2010 beschlossen, dass künftig oberhalb der Orts- und Kreisverbände in den CSU-Gremien 40 % der Ämter mit Frauen besetzt werden. Auf Orts- und Kreisebene gilt die Regelung als unverbindliche Empfehlung.[7]

Wirtschaft

Ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft – ein Ziel der früheren Bundesministerin Christine Bergmann – scheiterte u.a. am Widerstand der Unternehmerverbände. Stattdessen wurde 2001 eine freiwillige Vereinbarung zwischen Wirtschaft und Bundesregierung („Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“) geschlossen, die allerdings nach einer Studie der Böckler-Stiftung im Management nur teilweise bekannt ist und meist entsprechend zögerlich umgesetzt wird. Die Vereinbarung wird als gescheitert betrachtet und daher wird nun die Frauenquote intensiver diskutiert.[8][9]

2008 wurden in der Nürnberger Resolution Frauenquoten in der Privatwirtschaft gefordert.

Einzelne Konzerne haben Frauenquoten erwogen oder eingeführt, allen voran die Deutsche Telekom, die im März 2010 ankündigte, dass bis Ende 2015 30 % aller Positionen im mittleren und oberen Management von Frauen besetzt sein soll.[10]

Ein Vorstoß der Grünen im Deutschen Bundestag für eine 40 % Quote scheiterte nicht zuletzt wegen der vielen verschiedenen Themen, die darin enthalten sind.[11] Bundesministerin Kristina Schröder (CDU) sieht ebenfalls eine Möglichkeit für eine Frauenquote in Verwaltungsräten.[12] Anfang 2011 schlug Arbeitsministerin Ursula von der Leyen eine verbindlichen Quote von 30 % für Aufsichtsräte und Vorstände vor; Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte ihre Einführung ab.

Mehrere Unternehmen – so E.ON, BMW, Daimler und Bosch – kündigten inzwischen jeweils eine Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte auf Anteile zwischen 15 und 22 % an.[13] Weitere 14 Unternehmen mit Sitz in Deutschland, darunter KPMG, Siemens, BSH und die Allianz, unterzeichneten im Mai 2010 eine Selbstverpflichtungserklärung in München zu mehr Frauen in Führungspositionen (Münchner Memorandum für Frauen in Führung).[14]

Am 2. Dezember 2011 hat der Bundestag zwei Anträge der SPD und der Grünen zur Regelung des Frauenanteils in Aufsichtsräten und Vorständen abgelehnt. Der Rechtsausschuss des deutschen Bundestages hatte die Ablehnung empfohlen.[15]

Mitte Dezember 2011 haben sich Bundestagsabgeordnete aller Parteien zusammengeschlossen, um mit ihrer Berliner Erklärung mindestens 30% Frauen in den Aufsichtsräten zu fordern.[16]

  1. a b Rs. C-450/93, Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1995. Eckhard Kalanke gegen Freie Hansestadt Bremen. EUR-Lex
  2. a b C-409/95 Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1997. Hellmut Marschall gegen Land Nordrhein-Westfalen, menschenrechte.ac.at
  3. Rebhhan (Hrsg.): Kommentar Gleichbehandlungsgesetz, GBK-GAW-Gesetz. Springer, Wien 2006
  4. Jabornegg, Resch, Strasser: Kommentar Arbeitsrecht. Manz 2003
  5. Ulrich von Alemann: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2003, S. 143.
  6. Emanzipation: Einige Stationen in: Focus Nr. 31 vom 2. August 2010, S. 45
  7. http://www.dnews.de/nachrichten/politik/353417/csu-parteitag-stimmt-frauen-quote-.html
  8. http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/frauen-in-f_C3_BChrungspositionen-deutsch,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
  9. http://www.frauenbeauftragte.de/dok/PM%20zweite%20Bilanz%20Chancengleichheit.pdf
  10. Telekom führt Frauenquote ein. Zeit online, 15. März 2010, abgerufen am 6. Februar 2011.
  11. Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung, Drucksache 17/1274, 29. März 2010
  12. http://derstandard.at/1276413047386/Deutschland-Ministerin-droht-Unternehmen-mit-Frauenquote
  13. Leitartikel: Die Angst vor der Quote sorgt endlich für Bewegung. Welt am Sonntag, 6. Februar 2011, abgerufen am 6. Februar 2011.
  14. http://www.gofeminin.de/job-finanzen/muenchner-memorandum-n55410.html
  15. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/065/1706527.pdf
  16. http://www.derwesten.de/wirtschaft/bundestagsabgeordnete-fordern-in-berliner-erklaerung-frauenquote-fuer-aufsichtsraete-id6165492.html