Benutzer:Keimzelle/Archiv/2007
Kreationismus
Hallo Keimzelle!
- Hallo ...., ich kenne deinen Namen nicht. Ich antworte dir aber gerne.
Ich habe gerade deinen Text über Kreationismus und Evolutionstheorie gelesen und muss dir eindeutig widersprechen. Zuallererst finde ich es ziemlich kindisch von dir, eine wissenschaftliche Theorie mit dem (christlichen) Glauben zu vergleichen. Mit dieser Einstellung machst du die Evolution(stheorie) selbst zur Glaubensangelegenheit.
- Letztendlich glaubt jeder Wissenschafter daran, dass seine Ergebnisse und Schlussfolgerungen richtig sind. Er kann sich nie völlig sicher sein, dass seine Gedanken der Realität entsprechen. Mit diesem Risiko muss jeder leben, und in dieser Hinsicht ist jede Wissenschaft eine Art Religion (das sogenannte "justified belief"-Problem in der Erkenntnistheorie. Von was können wir mit Vernunft annehmen, dass es die Wahrheit ist?). Es gibt aber Regeln, mit denen jeder Wissenschafter das Risiko eines "Fehlschlags" reduzieren kann, und diese heissen zum Beispiel Falsifizierbarkeit und "Occams Rasiermesser".
- Evolutionsbiologen glauben an die Richtigkeit ihrer Theorie, weil sie eine Unmenge von Hinweisen gesammelt haben, welche deren Richtigkeit befürworten. Und jeder ehrliche Wissenschafter gibt ein gewisses Restrisiko, dass seine Theorie doch falsch ist, zu. Wir haben die Evolutionstheorie, weil wir nichts anderes besitzen, das die Entstehung der Lebensformen besser und rationaler erklärt.
Des weiteren bin ich überzeugt davon, dass sich die Wahrheit im Laufe der Zeit durchsetzen wird. Obwohl tausende Wissenschaftler an der sog. synthetischen Evolutionstheorie gearbeitet haben, ist sie entgegen der allgemeinen Annahme keinesfalls vollständig abgesichert. 1. Die Zwischenformen auf die Darwin seine Theorie stützte wurden noch nicht gefunden
- Oh doch. Archäopteryx ist ein Beispiel, das schon fast totgeredet wurde. Dazu gibt es viele noch lebende Übergangsformen, so zum Beispiel Skinke, als Mittelding zwischen Schlange und Echse. Schliesslich das Erbgut aller Lebewesen, welches aus DNA besteht, und die Abfolge der DNA-Basenpaare lässt sich statistisch analysieren. Und da haben wir Menschen eine riesige Ähnlichkeit mit Schimpansen und Gorillas. Hat denn Gott auch an die DNA-Sequenz gedacht, als er die Lebewesen erschaffen haben soll? Ist sie aus purem Zufall so ähnlich? Und: Hat Gott eine so ähnliche Basenpaarung bloss zur Verblüffung und Belustigung der Wissenschafter erzeugt? "Gottes Wege sind unergründlich", magst du einwenden. Doch es ist die Pflicht der Wissenschafter, solche Fakten zu erklären. Und aus naheliegenden Gründen darf er keinen Gott erfinden, der als "Täter" hinter all diesen Tatsachen steht. Er muss eine möglichst geringe Anzahl Hilfs-Annahmen aufstellen, um einen Sachverhalt erklären zu können. Und eine Ähnlichkeit, wie sie auch immer gelagert ist, kann fast immer als eine Verwandtschaft erklärt werden.
2. Es konnte in keinem Experiment nachgewiesen werden, wie Leben entstanden sein könnte
- Das ist wahr. Wie das Leben entstand, konnte noch kein niemand erklären. Die Evolutionstheorie befasst sich lediglich mit den Mechanismen, wie sich die Lebensformen verändern und wie neue Arten entstehen. Lies die Artikel zum Thema Evolutionstheorie genau durch. Dort behauptet niemand zu wissen, wie das Leben an sich entstand; es gibt bislang nur ungesicherte Annahmen. Wie das Leben entstand, weisst du und dein Glaube besser als ich.
- Zweitens gilt eine Theorie nicht als gescheitert, wenn sie nicht erklärt oder nachgewiesen werden kann. Durch Hinweise und Beweise wird ihre "Wahrhaftigkeit" bloss immer wahrscheinlicher und immer gewisser. Als gescheitert gilt sie erst, wenn sie widerlegt wird. Verstehe bitte, dass die Naturwissenschaft völlig anders arbeitet als die Mathematik: In der Mathematik kannst du etwas zweifelsfrei beweisen. Und ein einmal aufgestellter Beweis gilt für alle Ewigkeit. In der Naturwissenschaft verfügst du immer nur über eine begrenzte Auswahl von "Beweismitteln". Zum Beispiel sind immer noch nicht alle Fossilien aus der Erde gebuddelt worden. Astronomen haben noch nicht alle möglichen Sterne registriert. Physiker haben (sehr wahrscheinlich) noch nicht alle Elementarteilchen gefunden, die es überhaupt gibt. Und trotzdem müssen sie aus dem vorhandenen "Beweismaterial" ihre Theorie und ihr Weltbild zusammenbasteln. Und das tun sie nach bestem Wissen und Gewissen.
3. Die nicht reduzierbare Komplexität
- Bislang habe ich alle Antworten aus dem Stegreif geschrieben. Diesen Begriff muss ich jetzt nachgucken gehen...
- In den letzten Wochen habe ich an der Uni in Vorlesungen und Praktika das Typ-3-Sekretionssystem von Bakterien kennengelernt. Und dieses ist sehr, sehr eng verwandt mit Flagellen, dem Schwimmapparat von Bakterien – der in der Zellmembran verankerte Teil ist praktisch der gleiche. Und nun ist es möglich, dass es Übergangsformen zwischen den Bakterien mit T3SS und Flagellen gibt oder gegeben hat. Und diese Übergangsform hat weder alle Proteine des T3SS, noch hat es alle des Flagellen-Apparats. Also hat eine Übergangsform, welche weder T3SS noch Flagellum ist, irgendeinen Zweck erfüllt. Zum Beispiel als einen minder effizienten Sekretionsapparat, oder als ein wenig effizientes Schwimmorgan (sprich: die reduzierte Komplexität). Und von diesem Urtyp aus haben sich die heutigen T3SS und Flagellen entwickelt. Ich gebe zu, dass ich mich wenig für T3SS und Flagellen interessiere. Aber hier gilt auch wieder: Hat man die Übergangsform noch nicht gefunden, ist eine Theorie noch nicht widerlegt.
- Ähnliches sieht man bei den Augen. Offenbar kann man vom menschlichen Auge weder die Linse noch die Hornhaut noch die Sehnerven reduzieren, ohne dass das Auge nicht mehr als Auge arbeitet. Doch in der Geschichte der Sehorgane gibt es verschiedenste Zwischenformen – von einfachen Hell-Dunkel-Rezeptoren zu Lochkameras bis hin zu unseren Linsensystemen. Und der Lochkamera fehlt die Linse. Es ist nur ein kleiner Schritt von einem Loch bis zu einer dünnen, übergelagerten Gewebeschicht, welche Lichtstrahlen irgendwie konzentriert oder leicht bündelt. Von da aus müssen evolutionäre Prozesse nur noch Lösungen finden, welche das Licht besser konzentrieren oder besser bündeln – und schon ist das Linsenauge da. Und überhaupt lichtempfindliche Zellen, der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Typ der Augen, findest du auf jeder deiner Zimmerpflanzen.
Du kannst dich ruhig auf deine unzähligen Kritiken und tausende von Wissenschaftlern berufen und mir eine Antwort auf die 3 Kritikpunkte liefern. Ungeachtet meiner persönlichen Einstellung bin ich überzeugt das diese (vllt noch mehr) zu den größten Schwachstellen der Theorie gehören, und auch heute nur mit dem Argument, bei großen Zeiträumen sei "alles" möglich, argumentiert wird.
- In genügend grossen Zeiträumen ist tatsächlich alles möglich :-)
Des weiteren gibt es natürlich auch unter den Kreationisten die mit wissenschaftlichen Methoden arbeiten, man verweise nur auf den Verein "Wort und Wissen" und viele der Evolutionsforscher bedienten sich unwissenschaftlicher Arbeitsweisen.
- Welche wissenschaftlichen Methoden? Kreationisten haben schon die C-14-Datierungsmethode angewendet für Zeiträume, für welche das Gerät gar nicht geeignet war. Dazu verdächtige ich Kreationisten dem Rosinenpicken. Was nicht ins Konzept passt, wird geflissentlich ignoriert. Die Evolutionstheorie wurde nicht mit dem Ziel begründet, Gott, Religion oder den Glauben abzuschaffen (aber hat die Rolle Gottes eingeschränkt). Aber der Kreationismus ist da, um der Religion einen Dienst zu erweisen. Nämlich zu sagen, dass unser Gott der Allmächtige ist, und dass er die Welt und das Leben und alle Lebensformen erschaffen hat.
Ich glaube es wäre 1. angebracht Wissenschaft und Religion zu trennen und nicht in einen Topf zu werfen, und 2. wichtig zuzugeben, dass es sehr wohl eine umstrittene Theorie mit zahlreichen Lücken ist, und Kritik deshalb angebracht ist.
- Jede Theorie hat seine Lücken. Jede Theorie ist ein Versuch, der Realität möglichst nahe zu kommen, und ist für das "Weltbild", das man zu verstehen versucht, bloss ein mehr oder weniger ausgereifter Prototyp. Beispiel: Altruismus und Kooperation konnte man mit evolutionären Modellen lange Zeit nicht erklären. Man dachte, Tiere würden das tun, was für die Art "gut" ist; also für das Überleben von Artgenossen. Bis eines Tages die genetisch bewanderten Biologen die Bühne betraten und die kin selection vorstellten.
Keine Kritik hat eine richtige Theorie zerstört, sondern im Gegenteil, sie hilft vielmehr Theorien zu verbessern/berichtigen oder auch zu falsifizieren. Zu deiner Enttäuschung muss ich hinzufügen, dass eine Theorie im Wissenschaftstheoretischen Sinn NICHT beweisbar ist, jedoch ein einziges Gegenbeispiel genügt, um sie zu widerlegen.
- Stimme dir zu. Wie willst du Kreationismus beweisen? Versuch es besser nicht, sonst begehst du den Fehler, den du schon mir vorwirfst.
-> altes Prinzip: Kritik deckt Schwachstellen auf. (Gilt in der Politik genauso wie in der Wissenschaft). Nur wenn sie aufgedeckt werden, können sie behoben werden, ist dies nicht möglich, stimmt das System nicht!
- Kann man Gott als Schöpfer des Lebens widerlegen? Ist dies nicht möglich, stimmt das System nicht...
Genau deshalb ist es mir unverständlich, dass du bei einem Thema das für dich unanfechtbar ist, so hart auf Kritik reagierst.
- Ich habe bis jetzt auch 2 ½ Jahre Biologie studiert, um Mitmenschen wie dir Antworten geben zu können. Ich gebe zu, dass ich den Drang habe, mein Wissen zu verteidigen. Schliesslich ist es meine Ausbildung und mein künftiges Leben.
- Ich wünsche dir alles Gute,