Benutzer:Klius/Rezensionen

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Hochschulgeschichte

Martin Biastoch: Duell und Mensur im Kaiserreich

Die Monografie ist originär die Zulassungsarbeit Biastochs für das erste Staatsexamen aus dem Jahr 1989. Das Quellen- und Literaturverzeichnis zeigt deutlich, dass es sich bei der Arbeit um eine wissenschaftliche Publikation handelt. Die Nutzung von insgesamt sechs Archiven spiegelt sich auch im Text wieder. Bislang unveröffentlichtes Bild- und Archivmaterial zeigt eine akademische Parallelwelt, wie sie abstruser kaum sein kann. Während die studentische Mensur - und erst recht das Duell - offiziell als "Umgang mit tödlichen Waffen" gebrandmarkt und strikt untersagt war, unterhielt jedoch die Universität einen Fechtboden mit einem ebenso offiziellen Fechtmeister. Den Höhepunkt dieses doppelzüngigen Systems stellt die Tatsache dar, dass die Pistolen für die gesetzlich verbotenen Duelle beim Universitätsstallmeister abgeholt werden mussten. Die Tatsache, dass der Rektor und der Senat das Mensurwesen entgegen den Anordnungen der Ministerien nicht ernsthaft unterbunden haben, liegt auf der Hand. Biastoch hat seine Arbeit gut nachvollziehbar gegliedert und die Thematik auch für Personen, die nicht Mitglied einer Studentenverbindung sind, nachvollziehbar dargestellt. Er verbindet die Mensur mit dem zeitgenössischen Ehrverständnis, was auch nicht anders möglich wäre. Interessant ist, dass Biastoch durch seine detaillierte Quellenarbeit eben auch Differenzierungen vornehmen kann, die das manch eine Vorurteil aufheben oder belegen. Sehr schade - aber dazu kann der Autor nichts - ist die Tatsache, dass "nur" noch das Paukbuch von Franconia existiert und dementsprechend als Quelle herangezogen werden konnte. Die Erklärung Biastochs, dass die anderen Paukbücher ein ähnliches Bild aufgezeigt hätten, muss als Behauptung im Raum stehen bleiben. Ein Kritikpunkt an der Arbeit besteht darin, dass der Autor gar nicht auf das Mensur- und Duellwesen anderer Verbindungsformen eingeht und auch das Fecht-Verhältnis zwischen Corps und anderen Studentenverbidnungen nur kurz streift. Es ist kaum vorstellbar, dass der Tübinger SC zwar mit den Landsmannschaften (1894) und den Burschenschaften (1903) Verträge über die Austragungen schwerer Forderungen abschloss, es jedoch im untersuchten Zeitraum keine Mensuren bzw. Duelle zwischen Corpsstudenten und Landsmannschaftern bzw. Burschenschaftern gegeben haben soll. Zumindest arbeitet Biastoch keines davon anhand des Paukbuchs heraus. Die Monografie ist ein Muss für alle, die sich mit der studentischen Mensur und dem akademischen Milieu beschäftigen wollen. Ob die Ergebnisse aber auch für andere Verbindungsformen in Tübingen oder andere Universitätsstädte Gültigkeit haben, müssten weitere lokalhistorische Untersuchungen zeigen.

Nachtrag I: In der Arbeit wird an verschiedenen Stellen erwähnt, dass sog. "Bummler", also Studenten ohne Verbindungszugehörigkeit, fochten und bei einem der Corps "belegt" haben. Nach meinem Wissensstand haben sich Studentenverbindungen das "Verleihen" ihrer Waffen gut bezahlen lassen. Dies und ob diese Einnahmenquelle eventuell sogar Einfluss auf das Fechtverhalten hatte, wird nicht thematisiert.
Nachtrag II: Biastoch weist nach, dass ab 1888 die Durchsetzung des Mensurverbotes fast gänzlich nachlässt von staatlicher Seite und stellt in den Raum, dass dies eventuell damit zusammenhängt, dass der baden-württembergische Prinz Mitglied eines Tübinger Corps wird. Schon vorher wurde das Mensurwesen seitens der Universität mehr oder weniger wohlwollend kritisiert. Hier stellt sich die Frage: Lag das eventuell auch an den persönlichen Verhältnissen der Ordinarien zu den schlagenden Verbindungen? Waren diese eventuell sogar selbst Mitglieder einer solchen?