Benutzer:Ladylay/Generative Fotografie

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Die Generative Fotografie[1] ist ein Teilgebiet der künstlerischen Fotografie, im Spektrum ihrer abstrakten[2], konkreten[3] und bildgebenden[4] Tendenzen.

Sie entwickelte sich in den 1960er Jahren aus dem Syntheseversuch von Exakter Ästhetik[5] und allgemeiner Fotografie und verkörpert damit eine eigene künstlerische Position gegenüber den um diese Zeit vorherrschenden Bewegungen Subjektive Fotografie (Steinert)[6] und Totale Photographie (Pawek).[7] Zugleich stellt das Gebiet ein Bindeglied zu der aufkommenden Konzeptkunst und den computergenerierten Bildern der Folgejahre dar.[8] Generative Fotografien treten ohne referenzielle Bindung an reale oder symbolische Formen auf. Sie sind weder Abbilder (Ikone) noch Sinnbilder (Symbole), sondern Strukturbilder (Indexe) aus eigenem Recht.[9]

Begriffsgeschichte

1986 traten entsprechende Aktivitäten erstmals mit einer Ausstellung im Bielefelder Kunsthaus öffentlich in Erscheinung.[10] Die daran beteiligten Künstler Kilian Breier (1931-2011), Pierre Cordier (geb. 1933), Hein Gravenhorst (geb. 1937) und Gottfried Jäger (geb.1937), Initiator und Namensgeber der Ausstellung, verzichteten in ihren Werken bewusst auf jede Art der Wiedergabe außerbildlicher Realität. Fotomechanische Transformationen, Chemigramme, Luminogramme und Lochblendenstrukturen stellten neue Techniken und Ergebnisse in den Raum. Das Medium wurde zum Objekt. Eine nicht-gegenständliche, systematisch-konstruktive fotografische Bildsprache entstand.[11] Durch ihre Nähe zur Zahl, System und Programm schlugen generative Fotografien eine Brücke zur rechnergestützten Kunst ihrer Zeit.[12]

Rationalität und Transparenz bestimmten die generative Praxis von Anfang an.[13] Kennzeichen der Projekte generativer Fotografie ist die methodische Vorgehensweise im Sinne eines wissenschaftlichen Experiments. Einzelne Gestaltungselemente, wie Lichtpunkt, Lichtspur, Farbgebung sowie fototechnische Parameter wie Belichtungszeit, Tiefenschärfe, Gradation usw., wurden isoliert und schrittweise erschlossen und der Bildkomposition zugeführt. Dabei wurden auch neue bildnerische Verfahren im Grenzbereich der Fotografie auf der Basis selbst konstruierter Apparate und eigens entwickelter Programme eingeführt und angewendet.[14]

Die Generative Fotografie entstand im Schnittfeld dreier historischer Entwicklungslinien, die sie in sich aufgenommen und auf ihre Weise fortgeführt hat: Die erste Linie lässt sich entlang der Entwicklung der Experimentalfotografie seit Anfang des 20. Jahrhunderts verfolgen,[15] die zweite führt entlang der Entwicklung der Apparativen Kunst vom Kaleidoskop zum Computer;[16] die dritte Linie schließlich verläuft entlang der Geschichte der ästhetischen Theorie, deren Anfänge durch rationale (Pythagoras, Aristoteles) und metaphysische (Platon) Erklärungsversuche des Schönen bestimmt sind. Sie mündet hier in das Gebiet der Exakten Ästhetik mit Teilgebieten wie Generative Ästhetik[17], Informationsästhetik[18], Numerische Ästhetik[19] (Bense, Frank, Maser). Besonders die Theorie der Generativen Grammatik (Chomsky)[20] und die der Generativen Ästhetik bildeten für die Generative Fotografie den geistigen und begrifflichen Hintergrund: „Die generative Ästhetik ist also eine „Erzeugungsästhetik‟[21]. Sie ermöglicht die bewusste und methodische Erzeugung ästhetischer Zustände, indem sie diese Erzeugung in endlich viele unterscheidbare und beschreibbare Einzelschritte zerlegt.‟ Dies geschah mit Hilfe definierter (mathematischer) Programme und apparativer Systeme. Ein Ansatz, der der Definition des Schönen im beginnenden Computerzeitalter neue Möglichkeiten eröffnete.[22] Aktuelle Arbeiten zur Generativen Fotografie beziehen zunehmend digitale Komponenten in ihr Programm ein.[23]

Einzelnachweise

  1. Gottfried Jäger, Karl Martin Holzhäuser: Generative Fotografie, Theoretische Grundlegung, Kompendium und Beispiele einer fotografischen Bildgestaltung, Ravensburg, 1975.
  2. Thomas Kellein, Angela Lampe (Hg.): Abstrakte Fotografie, Ausst.-Kat., Kunsthalle Bielefeld, Ostfildern-Ruit, 2000; Gottfried Jäger (Hg.): Die Kunst der Abstrakten Fotografie / The Art of Abstract Photography, Stuttgart/New York, 2002.
  3. Gottfried Jäger, Rolf H. Krauss, Beate Reese: Concrete Photography / Konkrete Fotografie, Bielefeld, 2005.
  4. Gottfried Jäger: Bildgebende Fotografie, Ursprünge, Konzepte und Spezifika einer Kunstform, Köln, 1988.
  5. William E. Simmat: Exakte Ästhetik, Schriftenreihe der Galerie d, Frankfurt/M., Nadolski, Stuttgart, 1965–1969; Herbert W. Franke: Exakte Ästhetik, in: ders., Computergraphik, Computerkunst, München, 1971, S. 108–118.
  6. Otto Steinert (Hg.): Subjektive Fotografie. Ein Bildband moderner europäischer Fotografie, Bonn, 1952.
  7. Karl Pawek: Totale Photographie. Die Optik des neuen Realismus, Freiburg i. Br., 1960.
  8. Rolf H. Krauss: Generative Fotografie. Versuch einer historischen Einordnung. Eine Skizze, in: Andreas Beaugrand (Hg.): Gottfried Jäger. Fotografie als generatives System. Bilder und Texte 1960–2007, Bielefeld, 2007, S. 24–31.
  9. Gottfried Jäger: Bildsystem Fotografie, in: Klaus Sachs-Hombach (Hg.): Bildwissenschaft, Disziplinen, Themen, Methoden, Frankfurt/M., 2005, S. 349–364.
  10. Kunsthaus Bielefeld: Generative Fotografie, Ausstellung und Faltblatt mit Texten von Herbert W. Franke und Gottfried Jäger, Bielefeld, 1968.
  11. Gottfried Jäger: Generative Photography: A Systematic, Constructive Approach, in: Leonardo (Berkely/Oxford), Vol. 19, 1/1986, S. 19–25.
  12. Georg Nees: Generative Computergrafik, Berlin/München, 1969.
  13. Gottfried Jäger: Generative Photography: A Systematic, Constructive Approach, in: Leonardo, 1986, S. 19–25.
  14. Gottfried Jäger: Generative Fotografie I–III, in: ders. Fotoästhetik. Zur Theorie der Fotografie, Texte aus den Jahren 1965–1990, München, 1991.
  15. Jeannine Fiedler, Bauhaus-Archiv (Hg.): Fotografie am Bauhaus, Ausst.-Kat., Berlin, 1990.
  16. Herbert W. Franke, Gottfried Jäger: Apparative Kunst. Vom Kaleidoskop zum Computer, Köln, 1973.
  17. Max Bense: Projekte generativer Ästhetik, in: ders., Aesthetica. Einführung in die neue Aesthetik, Baden-Baden, 1965, S. 333–338.
  18. Helmar Frank: Informationsästhetik. Grundlagenprobleme und erste Anwendung auf die mime pure, Quickborn, 1968.
  19. Siegfried Maser: Numerische Ästhetik. Neue mathematische Verfahren zur quantitativen Beschreibung und Bewertung ästhetischer Zustände, Stuttgart/Bern, 1970.
  20. Noam Chomsky: Syntactic Structures, den Haag, 1957, deutsch: Strukturen der Syntax, den Haag, 1973.
  21. Bense, Aesthetica, S. 335.
  22. Gottfried Jäger: Generative Fotografie. Versuch einer Einordnung, in: Klaus Sachs-Hombach, Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung, Köln, 2005, S. 427–442. Rolf H. Krauss: Generative Fotografie. Versuch einer historischen Einordnung. Eine Skizze, in: Andreas Beaugrand (Hg.): Gottfried Jäger. Fotografie als generatives System, Bielefeld, 2007, S. 24–31.
  23. Karl Martin Holzhäuser (Digitale Montagen), Gottfried Jäger (Generative Images): Realer Schein, Ausst.-Kat., Epson Kunstbetrieb, Düsseldorf, 2008.