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Mehlbehandlung

Eine Mehlbehandlung (mit Mehlbehandlungsmitteln) dient der Standardisierung der Verarbeitungseigenschaften vornehmlich von Weizen- und Roggenmehlen für die Herstellung von Brot- und Backwaren. Zumeist wird mit einer Mehlbehandlung eine Verbesserung dieser Eigenschaften bezweckt.

Aufgrund der natürlichen Schwankungen des Rohstoffs Getreide weisen auch die daraus hergestellten Mahlerzeugnisse, insbesondere also Mehl, Schwankungen in ihren Eigenschaften auf, die sich auf die Verarbeitung auswirken. Um den Verarbeitern, in erster Linie also den Bäckern, Mehl mit möglichst geringen Schwankungen bieten zu können, werden von den Mühlen verschiedene Getreidelieferungen so verschnitten, dass die von den Bäckern gewünschten Eigenschaften über einen möglichst langen Zeitraum konstant gehalten werden können.

Lässt sich die Zielvorgabe (Spezifikation) auf diese Weise nicht einhalten, weil die Schwankungen der Getreideeigenschaften zu groß sind oder kein Getreide mit den notwendigen Eigenschaften zur Verfügung steht, können Mehlbehandlungsmittel eingesetzt werden, um diese Schwankungen auszugleichen, die Mehlqualität zu standardisieren.

Mehlreifung / Oxidation

Das in Europa gängigste Mehlbehandlungsmittel, die Ascorbinsäure (Vitamin C), wird insbesondere auch verwendet, um lagerungsbedingte Veränderungen des Getreides (hier: vor allem Weizen) und des Mehls auszugleichen, indem Effekte wie die einer schnelleren Mehlreifung erreicht werden.

Durch den Einfluss von Sauerstoff nimmt die Stabilität der mit dem Mehl hergestellten Teige während der Lagerung (sowohl des Weizens als auch des Mehls) zu, um nach mehreren Monaten (Weizen) bzw. etwa 14 Tagen (Mehl) ein Maximum zu erreichen, das für einen langen Zeitraum erhalten bleibt. Dieser Effekt wird auch als Mehlreifung bezeichnet. Wird „junger“ Weizen (kurz nach der Ernte) vermahlen, fehlt Stabilität ebenso wie bei Verwendung von Mehl innerhalb von weniger als 10-14 Tagen nach der Vermahlung.

Von 1916[1] bis in die 50er Jahre des 20sten Jahrhunderts wurden fast ausschließlich Oxidationsmittel wie Kaliumbromat oder Ammoniumpersulfat verwendet, um die Mehlreifung vorwegzunehmen. Aufgrund des in Japan aufgekommenen Verdachts, die Abbauprodukte des Bromats könnten Krebs auslösend sein, wurde vermehrt nach Alternativen gesucht. Bereits 1935 hatte Jørgenson[2] festgestellt, dass Ascorbinsäure Teige stabilisieren kann. Darauf konnte nun zurückgegriffen werden (auch weil die entsprechenden Patente[3] inzwischen ausgelaufen waren und die Produktion von Vitamin C inzwischen bedeutend genug war, den Preis attraktiv genug für die Mehlbehandlung zu machen). In den Folgejahren wurde in immer mehr Ländern die Verwendung des sehr günstigen und wirksamen Kaliumbromats verboten, und vielerorts dürfen auch keine anderen Oxidationsmittel zur Mehlreifung eingesetzt werden. Ascorbinsäure jedoch ist nach Wissen des Autors überall zur Mehlbehandlung zugelassen (nicht jedoch in allen Anwendungen, z.B. „pain de tradition française“). Die Wirkungsweise der Ascorbinsäure, die eigentlich ein Antioxidationsmittel oder auch Reduktionsmittel ist, wurde inzwischen weitestgehend aufgeklärt [4], [5]: Sie wird durch ein im Mehl vorhandenes Enzym umgewandelt in Dehydroascorbinsäure, die wiederum die erforderliche oxidative Wirkung ausübt, um die Teige über einen weiteren enzymatischen Schritt zu stabilisieren.

Enzymatische Mehlbehandlung

Die Schwankungen der Eigenschaften des Getreides betreffen ferner auch den natürlichen Enzymgehalt. Verschiedene Enzyme werden zum Aufbau der Reserven des Getreidekorns (v.a. Stärke und Protein) vom Getreide gebildet und im Laufe der Reifung auch wieder weitestgehend abgebaut, sofern diese nicht gestört wird, z.B. durch späten Frost. Keimt das Korn, werden erneut Enzyme gebildet, um die Reserven zu mobilisieren. Um lagerstabil zu sein und optimale Verarbeitungseigenschaften zu haben, sollte Getreide trocken und ungekeimt geerntet und gelagert werden. Ist der natürliche Enzymgehalt jedoch sehr niedrig, kann sich das negativ auf den Backprozess und die Gebäcke auswirken. Fehlt beispielsweise das Enzym alpha-Amylase, mangelt es den Teigen an Triebkraft (d.h. das Backvolumen bleibt klein), die Bräunung fällt schwach aus, und daraus hergestellte Brote altern sehr schnell, d.h. die Krume wird schnell fest und trocken.

Um diesen Qualitätsmangel des Mehls auszugleichen, kann eine enzymatische Mehlbehandlung erfolgen. Dafür werden Enzyme aus anderen Quellen eingesetzt, z.B. aus Malz oder Pilz- und Bakterienkulturen. Zur Mehlbehandlung eingesetzte Enzympräparate enthalten häufig Amylasen, Xylanasen und Lipasen, gelegentlich auch Glucose-Oxidase und Proteasen[6].

Emulgatoren

Obwohl sie in Europa und anderen Gebieten zur Mehlbehandlung zugelassen sind, werden Emulgatoren wie Lecithin, Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, Diacetylweinsäureglyceride oder Natriumstearoyl-2-lactylat kaum in den Mühlen eingesetzt, sondern finden eher in Bäckereien Anwendung, um technische Defizite des Mehls auszugleichen oder Mehle für besondere Anwendungen vorzubereiten.

Über die Standardisierung hinaus kann eine Mehlbehandlung auch erfolgen, um das Mehl für spezielle Anwendungen zu optimieren. Vor allem eine geringe Anzahl an zur Verfügung stehenden Getreidequalitäten, wie dies in abgelegenen Gebieten vornehmlich außerhalb Europas der Fall ist, können es notwendig machen, dass eine Mühle Mehlbehandlungsmittel einsetzt, um aus einem einzigen Rohstoff Mehle für verschiedene Anwendungen herzustellen, z.B. für Brot, Croissant, Pizzaböden sowie Kekse, Kräcker oder Waffeln.

Quellen

  1. Fitchett, C.S., Frazier, P.J., 1986. Action of oxidants and other improvers. Ch.14 in: Chemistry and Physics of Baking: Materials, Processes, and Products. Blanshard, J.M.V., Frazier, P.J., Galliard, T. (Eds.) Royal Soc. Chem., London, pp. 179-198.
  2. Jørgenson, H., 1935. Ein Beitrag zur Beleuchtung der hemmenden Wirkung von Oxydationsmitteln auf proteolytische Enzymaktivität; über die Natur der Einwirkung von Kaliumbromat und analogen Stoffen auf die Backfähigkeit des Weizenmehls, I. / II. Biochem. Z. 280, 1-37 / 283, 134-145.
  3. Jørgenson, H., 1939. Process of improving the baking strength of flour. U.S. patent 2149682.
  4. Grosch, W., 1998. Mechanismus der Ascorbinsäure. Getreide Mehl und Brot 52 (5), 267-269.
  5. Grosch, W., Wieser, H., 1999. Redox Reactions in Wheat Dough as Affected by Ascorbic Acid. J. Cereal Sci. 29, 1-16.
  6. Schäfer, W., Freund, W., Popper, L., 2006. The Future of Flour – Compendium of Flour Improvement. AgriMedia Verlag, Hamburg.

Lupo.hh (Diskussion) 15:53, 24. Jan. 2014 (CET)