Benutzer:MSGrabia/Uns3

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Hintergrund

Mit Der unsichtbare Dritte hat Alfred Hitchcock einen seiner leichtesten und humorvollsten Spionagefilme inszeniert. Wie auch in seinen früheren Filmen Die 39 Stufen (1936) und Saboteure (1942) gerät der sympathische männliche Held in eine wilde Fluchtgeschichte, die ihn quer durch die Lande treibt. Ähnlich wie in Saboteure findet auch hier der Showdown an einem der uramerikanischsten Symbole statt: War es in dem 1940er-Jahre-Film die Freiheitsstatue, ist es hier nun das Mount Rushmore National Memorial.

Dieser Thriller ist Hitchcocks letzter Film in Vistavision, dem einzigen von Hitchcock eingesetzten Breitwandverfahren. Er ist mit 136 Minuten Filmlänge der Kinoversion Hitchcocks längster Spielfilm. Der Film gilt als die Zusammenfassung der amerikanischen Filme Hitchcocks, in dem der Regisseur mit den typischen Elementen seiner früheren Filme jongliert.

Der Originaltitel North By Northwest bezieht sich, anders als die gleich lautenden Schlussworte des Romans Schöne neue Welt von Aldous Huxley, nicht auf Shakespeares Hamlet. Vielmehr war In a North-Westerly Direction einer der Arbeitstitel des Films – er bezog sich grob auf die Himmelsrichtung, in der sich im Laufe des Films das Geschehen geographisch verlagerte. Die Verkürzung zu North By Northwest war ein Einfall eines Mitarbeiters der Produktionsgesellschaft MGM.

Einzelne relevante Szenen und Filmsequenzen

Die „Maisfeldszene“

Eine oft referenzierte und kopierte Szene ist die sogenannte „Maisfeldszene“[1]. Von Eve Kendall in eine Falle gelockt, steht Thornhill auf einer einsamen Landstraße inmitten der Prärie und wartet auf eine angebliche Verabredung. Zunächst passiert fünf Minuten lang fast nichts. Durch Wahl der Perspektive und durch den Schnitt nimmt der Zuschauer direkt Teil an der gespannten Erwartung und an der leichten Skepsis Thornhills. Ein harmloses Schädlingsbekämpfungsflugzeug entpuppt sich schließlich als Mordwaffe. Nicht nur fliegt es nur äußerst knapp über Thornhill hinweg, aus dem Flugzeug wird sogar mit einem Maschinengewehr auf ihn geschossen. Thornhill flüchtet zunächst in ein nahe liegendes Maisfeld. Der Doppeldecker wirft sein Schädlingsbekämpfungsmittel über ihm ab, daraufhin flüchtet Thornhill wieder zur Straße und versucht dort, einen Laster anzuhalten. Knapp kann er noch verhindern, von diesem überfahren zu werden, der Doppeldecker rast jedoch in den Tanklaster und explodiert.

Hitchcock konterkariert mit dieser Szene ein bis dato gängiges Filmklischee, nach dem eine bedrohliche Situation ein ebenso bedrohliches Umfeld erfordert: ein düsterer Ort und eine unübersichtliche Szenerie. Die Maisfeldszene wird oftmals als besonders exemplarisch für Hitchcocks präzise Arbeitsweise mit Storyboards genannt. Tatsächlich wurde sie jedoch ohne ein solches gedreht. Die Zeichnungen, die aus dem Storyboard für North by Northwest bekannt sind, wurden erst nachträglich für Werbezwecke angefertigt.

Eine Filmfehler-Szene

Die Rezeption einer weiteren Szene illustriert die Obsession vieler Film- und Hitchcockfans, sogenannte Goofs oder auch Filmfehler aufzuspüren. Ein „Fehler“ des als akribisch bekannten Hitchcock ist besonders beliebt[2]: Als Eve Kendall im letzten Drittel des Films Thornhill zum Schein erschießt, hält sich ein kleiner Junge im Hintergrund in Erwartung des lauten Knalls bereits Sekunden vor dem Schuss die Ohren zu, obwohl er nichts von Eves Absicht wissen und die Waffe nicht sehen kann. Offensichtlich hat die Crew Platzpatronen benutzt, und Hitchcock hat nicht den ersten Take genommen, sondern eine der Wiederholungen gewählt, so dass der Junge vorgewarnt war und entsprechend reagierte.

Die Kletterpartie am Mount Rushmore

Ebenfalls bekannt geworden ist die Flucht von Eve und Thornhill gegen Ende des Films, an den steinernen Präsidentenköpfen herunter in die Tiefe. Die Parkverwaltung des Mount Rushmore gab ihre Drehgenehmigung nur unter der Auflage, dass in den Szenen am Denkmal keine Brutalität vorkommen sollte. Was sie im fertigen Finale sahen, befanden sie dann doch für zu gewalttätig und verlangten, aus dem Schlusstitel genommen zu werden, in welchem ihnen der Dank für die Zusammenarbeit ausgesprochen wurde. Viele der Einstellungen wurden allerdings wie üblich an Pappmacheebergen im Studio gedreht.

Die Schlussszene

Die Schlussszene von Der unsichtbare Dritte war Hitchcocks größter Sieg über die damalige Zensur. Cary Grant und Eva Marie Saint befinden sich in einem Schlafwagen. Er zieht sie zu sich nach oben in das obere Bett und sie küssen sich. Es erfolgt ein Schnitt und man sieht in der letzten Szene des Films einen Zug in einen schmalen, dunklen Tunnel rasen. Dies ist, so Bill Krohn in Hitchcock at Work, die expliziteste Beschreibung des Sexualakts in einem US-Film zu Zeiten des Production Code.[3] Hitchcock selbst nannte es die „impertinenteste Schlusseinstellung, die ich je gemacht habe“.[4]

Eine nicht gedrehte Szene

Hitchcock wollte eine Szene in einem Detroiter Automobilwerk drehen. Cary Grant und eine zweite Person gehen in einer langen ungeschnittenen Einstellung an einem Fließband entlang, auf dem in diesem Moment ein Auto komplett zusammengebaut wird, von der ersten Schraube an. Am Ende der Szene öffnen sie die Tür des soeben fertiggestellten Autos und heraus fällt ein Toter, und zwar genau die Person, über die sich die beiden die letzten Minuten unterhalten haben. Nach realistischen Maßstäben ist dies unmöglich, nach dramatischen Gesichtspunkten ein Gedanke, der auf weitestgehende Weise Hitchcocks Vorstellungen davon, die Realität zu transzendieren, verdeutlicht. Hitchcock ließ diese Idee schließlich fallen, da er nicht wusste, wie er sie in den Film integrieren sollte.[5]


  1. So wird z. B. die Fluchtbewegung Cary Grants im Film Arizona Dream von Vincent Gallo in voller Länge nachgespielt.
  2. Eine Bewertung hierfür ist beispielhaft unter http://www.slipups.com/items/698.html zu finden.
  3. Vgl. Krohn, S. 215ff
  4. S. Truffaut (1966), S. 137
  5. vgl. François Truffaut: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München, Zürich. Diana 1999 S. 210 ff.