Benutzer:Maeone/Postaktivismus

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Der Begriff des Postaktivismus oder engl. Postactivism (von lateinisch post "hinter", "nach" und activus „tätig, aktiv“) ist im allgemeinen Sinn der Zustand „nach“ dem traditionellen oder auch als bürgerlich beschriebenen Aktivismus. Der Begriff wurde durch den afrikanischen Philosophen Bayo Akomolafe und dem deutschen Künstler Phillip Maiwald in Zusammenhang mit der globalen Klimakrise geprägt.

Entstehung des Begriffs

Adebayo Akomolafe formulierte das Konzept zwischen 2015 und 2016, inspiriert durch seine Lektüre von Donna Haraways Beschreibungen eines Komposthaufen. Die vollständige Terminologie war com-post-activism, Akomolafe hatte sie später als postactivism überarbeitet, ohne dabei die Vorstellung eines Komposthaufens aufzugeben. Er  wollte mit dem Begriff den Einfluss des Posthumanismus als radikale, weltverändernde Umdeutung  betonen, welches die Zentralität des Menschen als Hauptakteur und Gestalter des Planeten in Frage stellt. Er verwendete den Begriff des Postaktivismus zunächst unter der Fragestellung "What if the way we respond to the crisis is part of the crisis?"[1] ("Was, wenn die Art und Weise, wie wir auf die Krise reagieren, Teil der Krise ist?"). Akomolafe beschreibt die Idee des Postaktivismus erstmals ausführlich in seinem Essey "What Climate Collapse Asks of Us".[2] In seinem Buch „These Wilds Beyond our Fences „ wird der Begriff 2017 dann noch einmal umfassender dargelegt. Akomolafe geht es mit dem Begriff des Postaktivismus darum, einen diskursiven Raum zu öffnen, in dem die Frage nach den Möglichkeiten, mit denen einer solchen Zivilisationskrise im Zeitalter des Anthropozäns begegnet werden kann. Akomolafe befasst sich mit dieser historisch nie dagewesenen Situation mit Hilfe einer komplexen naturwissenschaftlichen, philosophischen und spirituellen Annäherung.

Phillip Maiwald benutzte den Begriff des Postaktivismus zunächst unabhängig vom Konzept Akomolafes seit 2018 im Zusammenhang mit der von ihm gegründeten Umweltinitiative Civil Integrity. Ihm geht es darum, wie man der Klimakrise mit den Mitteln der Kunst begegnen kann. Dabei spielt auch bei Maiwald der Einbezug intuitiver und spiritueller Sichtweisen eine wesentliche Rolle. Künstlerisch prägte Maiwald die Idee einer sozialen Plastik wie Joseph Beuys sie in den 1980er Jahren beschrieb. Als zentrales Thema erscheint hier anhand visueller Sozial-Media Kampagnen die Fragestellung, mit Hilfe welchen Formen des Protests/ des Wiederstandes es heute überhaupt noch gelingen kann, einer Krise von derartigem Ausmaß begegnen zu können. [3] Maiwald geht in seiner interpretation des Klimawandels davon aus, das dieser zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mehr abwendbar ist, der Begriff der Resilienz nimmt deshalb einen wichtiger Stellenwert wenn es darum geht, in solch einer Krise wie des Klimawandels überhaupt handlungsfähig zu bleiben. Der Begriff des Postaktivismus wird hier einerseits in Opposition zum traditionellen oder als bürgerlich beschriebenen Aktivismus verwendet, knüpft aber auch an Akomolafes Ideen eines Postaktivismus an.

Bedeutung

Adebayo Akomolafe verwehrt sich grundsätzlich gegen eine einfache Definition des Terminus Postaktivismus. Der Begriff ist in seinem Konzept indigenen Weltsichten und den von den Yoruba Black Studies inspirierten und emanzipatorischen Bestrebungen verpflichtet. Postaktivismus kommt nach  seiner Definition von Wegkreuzungen, von transatlantischen Sklavenexpeditionen, von Flüchtigkeit und Chaos, von Trickbetrügern und der überraschenden Macht einer mehr-als-menschlichen Welt. Am praktischsten verständlich entsteht Postaktivismus bei Akomolafe vielleicht aus der Sorge heraus, dass die Art und Weise, wie wir auf unsere Krisen reagieren, Teil dieser Krisen ist. Wir sind laut Akomolafe prozessual mit der Welt verwoben, die wir zu reparieren versuchen. Das macht Aktivismus, der zunehmend auf die Welt, die er zu korrigieren sucht, reduzierbar ist, zu mehr als einem Ort, an dem man fragt: "Was kann ich gegen dieses oder jenes Problem tun?" - und stattdessen zu einer Abrechnung mit der Tatsache, dass wir bereits durch mannigfaltige Taten mit der Krise verbunden sind. Exemplarisch verdeutlicht Akomolafe dies auch in seinem Essay "I, Coronavirus. Mother. Monster. Activist"[4] zur Corona Pandemie. Akomolafe beschreibt seine Idee von Postaktivismus weiterhin als eine spielerische Epistemologie, die sich ständig verändert, die fließend und kontextuell ist. Er sieht das Konzept des Postaktivismus als eng verwoben mit dem Einfluss des Posthumanismus als radikale, weltverändernde Umdeutung , welche die Zentralität des Menschen als Hauptakteur und Gestalter des Planeten in Frage stellt. Es geht Akomolafe darum, dass unser Handeln materiell, riskant, involviert und exponiert ist und dabei weit über unsere Intentionalität hinausgeht. Postaktivismus ist in seinen Augen unsere kollektive Demütigung im Angesicht einer Welt, die zurückschlägt; ein transversales Ereignis.

Phillip Maiwald Oberflächlich betrachtet wird der Begriff des postaktivistischen bei Maiwald im Gegensatz zum Konzept Akomolafe in eher Linearer und konkreterer Weise verwendet. Maiwald verwendet den Begriff im Untertitel der von ihm gegründeten Umweltinitiative Civil Integrity. Dort wurde der Begriff ursprünglich als in Abgrenzung und Opposition zum traditionellen Aktivismus verwendet. Maiwald fordert einen Postaktivismus, der freundlicher und gelassenen einerseits, in seinem Denken und Handlungsoptionen aber radikaler als der klassische, über weite Strecken als bürgerlich beschriebene Aktivismus sein muss. In Zusammenhang einer Demonstration gegen Plastik wird beispielsweise in humorvollem Ton dazu aufgerufen, den heute reichlich produzierten Plastikmüll in einer dezentralen Protestaktion kollektiv auf die Straßen zu werfen um ihn besser sichtbar zu machen anstatt ihn zu aufzusammeln und zu verbrennen oder aufwendig zu recyceln.[5] Zu den Merkmalen und  Vorgehensweisen des Postaktivismus gehören es hier - auch in Ergänzung und Abgrenzung zu empirischen verifizierbaren und als naturwissenschaftlich gesichert geltenden Fakten -  auch und vor allem intuitive und künstlerische Sichtweisen und die Anbindung und Einbeziehung von poetischen und spirituellen Sichtweisen. Hier ist die Idee durchaus anschlussfähig zu den Gedanken und Konzepten Akomolafes.

Weiterhin gehört es nach dieser Sichtweise zu den Merkmalen eines postaktivistisch motivierten Handelns, die eigenen Verstrickungen in weite Teile der Krise genauer zu untersuchen. Dabei liegt der Fokus bei Maiwald wie auch bei Akomolafe auf der Tatsache, dass wir nicht nur mit unseren Konsumgewohnheiten und unserer Protestkultur sondern auch in unseren tieferen, noch auszulotenden emotionalen, psychischen und physischen Ebenen Teil des Problems sind und durch unsere westlichen Sichtweisen und Strategien dazu neigen, Probleme nicht nachhaltig zu lösen sondern zu reproduzieren und somit festzuschreiben. Postaktivismus entwickelt neue Formen des Protests und knüpft hier in postmaterialistischem Geist an den Ideen eines Buen vivir oder auch im Sinne einer Postwachstumsgesellschaft an.

Siehe auch

Aktivismus

Klimawandel

Postwachstum

Postwachstumsökonomie

Gemeinwohl Ökonomie

Degroth

Soziale Plastik

Protest

Buen vivir

Sumak kawsay

Einfaches Leben

Globalisierungskritik

Kapitalismuskritik

Tiefenökologie

Literatur

Bayo Akomolafe, We will tell our own story. The Lions of Africa Speak! Universal Write Publications LLC, 2017

Bayo Akomolafe, These Wilds Beyond Our Fences: Letters to My Daughter on Humanity's Search for Home North Atlantic Books, 2017

Videos (Auswahl)

Bayo Akomolafe, The Times are Urgent, Let Us Slow Down https://www.youtube.com/watch?v=9qWaWGHNvy0

Bayo Akomolafe, Let Us Make Sanctuary https://www.youtube.com/watch?v=m4XkmPxpogI

Bayo Akomolafe and Charles Eisenstein, (Stage 2 - Falling Apart) https://www.youtube.com/watch?v=i-NJV4w9AHM

The Feminine: Bayo Akomolafe https://www.youtube.com/watch?v=n4UelPmlUgk

Pat McCabe & Bayo Akomolafe: Trickster, monster, other: new and ancient ways of seeing in the dark https://www.youtube.com/watch?v=n4DHU6j9uww

Weblinks

https://bayoakomolafe.net/

http://www.emergencenetwork.org/

https://civilintegrity.org/

Einzelnachweise

  1. Home. Abgerufen am 19. Mai 2021 (amerikanisches Englisch).
  2. the gravitational pull of his wife Ej, Bayo hopes to inspire a diffractive network of sharing within an ethos of new responsivity-a slowing down, An Ethics of Entanglement, An Activism of Inquiry, a ‘politics of surprise’ Born into a Yoruba family: What Climate Collapse Asks of Us. 23. Juni 2019, abgerufen am 19. Mai 2021 (amerikanisches Englisch).
  3. FUTURZWEI-Stiftung Zukunftsfähigkeit: FUTURZWEI – Stiftung Zukunftsfähigkeit. Abgerufen am 19. Mai 2021.
  4. I, Coronavirus. Mother. Monster. Activist. In: Bayo Akomolafe. Abgerufen am 19. Mai 2021 (amerikanisches Englisch).
  5. Lin Hierse: Demonstration gegen Plastik: „Wir müssen radikaler werden“. In: Die Tageszeitung: taz. 14. September 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 19. Mai 2021]).



Kategorie:Aktivismus Kategorie:Philiosophie der Gegenwart Kategorie:Kapitalismuskritik