Benutzer:MagentaGreen/Drosophila melanogaster
So nervend ich auch Fruchtfliegen im Allgemeinen finde, konnte ich dieser Spezies doch über viele Jahre eine gewisse Anerkennung nicht versagen. Sie schienen trotz ihrer Winzigkeit mit einer geradezu beängstigenden Intelligenz ausgestattet zu sein.
Beispielsweise besaßen sie in meiner Wahrnemung nach über ein genaues Wissen, wo sie mich am meisten attackieren konnten. Falls ich etwa auf den Gedanken kam, mich ihrer zu erwehren, flogen sie, wie in einem eng aufeinander abgestimmten Kampfverband, bevorzugterweise und in atemberaubender Geschwindigkeit in Richtung meiner Augen, wo ich mich am Schlechtesten durch Schläge gegen sie verteidigen kann. Ihre Artgenossen besetzen auch gewöhnlich die Augenpartie von anderen Rindviechern, wohin auch deren langer Schwanz nicht reicht, um sie zu verscheuchen.
Kurz darauf war es dann oft so, dass keiner der Plagegeister ausgemacht werden konnte – wie vom Erdboden verschluckt. Dahinter vermutete ich Strategie und planerisches Kalkül.
Sie ließen sich auch nur schwer hinters Licht führen und die Mehrzahl der Fallen, die ich zu ihrer Vernichtung aufstellte, erwiesen sich als weitestgehend nutzlos. Bei genauerer Beobachtung hatte ich darüber hinaus den Eindruck, sie seien im Wesentlichen von zwei Dingen angetrieben, von Sex und Fressen, ganz wie ich auch.
In Summe hatte ich also durchaus Grund zu einem gewissen Respekt. Bis zu dem Tag, als ich, eigentlich aus Zufall, eine dieser zur Familie der Drosophilidae und Ordnung der Zweiflügler zählenden Fluginsekten in einem Anfall der Verzweiflung nicht ganz, sondern nur halb tot schlug.
Es fiel mir auf, dass dieser halbe Rest, immer noch nicht zur toten Materie zählte. Mit anderen Worten: Selbst kleine, vielleicht auch kleinste Teile des nun zerstörten Organismus zappelten munter weiter. Diese waren zwar nicht länger in der Lage, meinen Augen gefährlich zu werden, beunruhigten mich aber hinsichtlich meiner bisherigen Vorstellung vom Leben. Ich konnte dieser unguten Ahnung bisher nicht mit wirklichen Argumenten begegnen.