Benutzer:Magiers/Wikipedia ist kein Verweisladen

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Schon im 19. Jahrhundert hat man gerne auf den Krimskrams in seinem Bauchladen verwiesen.

Wikipedia ist kein Verweisladen. Oder: Warum nicht jeder Verweis von Artikel A nach Artikel B ein Gewinn ist. Vielleicht für Artikel B. Aber nicht für Artikel A. Und auch nicht für die Wikipedia. Eine hoch inoffizielle Regel, die eigentlich niemand befolgt.

Formale Logik

Schon in der Klassischen Logik gilt die Regel:

Ist A relevant für B, folgt daraus noch nicht die Umkehrung, dass B auch relevant für A sein muss. Ein Beispiel: Nachwuchsschriftsteller Sepp Schreiberling verkündet in jedem Interview, er sei der neue Goethe. Dann mag das relevant für Sepps Artikel sein. Den Artikel des Altmeisters muss man mit dieser Wahlverwandtschaft nicht zwingend belasten.

Kriterium

Wenn Du eine Beziehung zwischen Artikel A und Artikel B siehst, frage Dich:

  • Wird die Beziehung in der Sekundärliteratur von Artikel A auch thematisiert? Dann ist sie wohl relevant für Artikel A.
  • Wird sie nur in der Sekundärliteratur von Artikel B thematisiert? Dann ist sie vermutlich auch nur dort relevant und muss bei Artikel A nicht erwähnt werden.
  • Wird sie überhaupt nicht in der Sekundärliteratur thematisiert? Dann kann sie trotzdem relevant sein, aber sie ist Original Research. Gehe also einfach wie folgt vor: Publiziere Deine Erkenntnisse über A und B in der Wissenschaft, warte ein paar Jahre ab, bis sie von anderen aufgegriffen worden sind und zum wissenschaftlichen Allgemeingut zählen. Dann veröffentliche auch in der Wikipedia die Verweise von A zu B oder umgekehrt.

Wer ist der Gewinner?

Frage Dich auch: für wen ist der Verweis ein Gewinn? Ist es wirklich für Romeo und Julia ein Gewinn, dass die Garagenband We Make Noise No Music! einen Song namens Romeo, Julia und Fred im Selbstvertrieb vertickt? Oder ist eine solche Erwähnung eben nur für We Make Noise No Music! ein Gewinn und gehört dann bitte sehr auch nur in deren Artikel[1]? Oder ist die Erwähnung ganz ehrlich gesagt für niemanden ein Gewinn als für Dich selber (seist Du nun das persönliche Management der Band oder schlicht ihr einziger größter Fan)?

Wie kommt es zu so vielen Verweisen, an denen so wenige gewinnen?

Ein Wikipedianer mit dem Motto: „Ein Verweis geht noch, einer geht noch rein!“

Wikipedia ist ein offenes Lexikon. Das heißt: jeder kann mit seinem Wissen beitragen. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass es zu jedem Thema viel mehr Menschen gibt, die ein den Artikelgegenstand lediglich peripher tangierendes (jau, coole Fremdwörter) Wissen besitzen, als solche, die über das Kernwissen des Artikelgegenstands verfügen. Also wird jeder Artikel zwangsläufig den Weg nehmen, dass viele Randinformationen[2] eingekippt werden und Überhand gegenüber den Kerninformationen gewinnen. Denn diese kann man nur dann beitragen, wenn man die rare Möglichkeit und Bereitschaft mitbringt, tief in die Artikelmaterie einzutauchen.

Jetzt ist die Frage, was will die Wikipedia sein[3]: ein Lexikon, in das viele einfach alle beliebigen Infos reinschreiben können, die sie interessant finden (was zugegebenermaßen auch viele Leser interessant finden werden, die sich für den eigentlichen Artikelgegenstand auch nicht so dolle interessieren)? Oder soll Wikipedia ernsthafte Informationen für ernsthaft Interessierte bieten? Diese werden aber einen ansonsten informativen Artikel vielleicht nicht mehr ganz so recht ernst nehmen können, wenn in einem eigenen Absatz auch die Anschauung einer gelben Knollennase namens Homer Simpson zum Thema ausgebreitet werden muss.

Beispiele

Cameron Diaz – wer würde nicht gerne und bei allen Gelegenheiten auf sie verweisen?

Die folgenden Beispiele sollen natürlich kein böser Pranger sein, sondern dienen nur der Illustration, wie gut gemeinte Verweise nicht immer die Artikelqualität steigern:

  • E. E. Cummings – die ganze Rezeptionsgeschichte eines der wichtigsten amerikanischen Dichter besteht darin, dass Cameron Diaz mal eines seiner Gedichte in einem Film vorgetragen hat.
  • Jean-Luc Godard – die Essenz des Einflusses eines der „einflussreichsten“ Filmregisseure „der Filmgeschichte“ (laut Einleitung) ist ein selbst Teenage-Fanclub-Fans kaum bekanntes Liedchen.
  • Schöne neue Welt – bei den musikalischen Adaptionen wird jedes Lied aufgezählt, das sich am Titel des Romans vergreift (gerne auch in beliebigen Abwandlungen). Dass sich Iron Maiden auch mit dem Inhalt des Romans beschäftigt, wird da zur erwähnenswerten Besonderheit.
  • Die Verwandlung – ist nicht jeder Käfer in jedem Zeichentrickfilm letztlich nichts anderes als eine große Hommage an Franz Kafka? Und damit das richtig verstanden wird, bitte die Episode ausführlich nacherzählen. Übrigens ist es ausgesprochen „bemerkenswert, dass die Geschichte sogar in den USA in einigen Kreisen bekannt ist vor allem in intellektuellen“ wie den Simpsons.
  • Ein Sommernachtstraum – wenn man einen Film mag, warum ihn nicht in anderen Artikeln prominent promoten, am prominentesten natürlich in deren Einleitung mit ausführlichem Handlungsabriss?
  • Das Dorf in den Lüften – dass ein Roman von 1901 an einen Film von 1999 erinnert, ist dann doch eher eine sehr private Rezeption.
  • Thomas Bernhard – „Sehr geehrter Thomas Bernhard, ich gebe zu, dass ich mit Ihrer Literatur nicht sehr vertraut bin. Aber ich habe gehört, dass Sie zu der »Spitzenspitze« der österreichischen Literatur gezählt werden.“ Deswegen würde ich gerne in Ihrem Wikipedia-Artikel erwähnt werden.
  • Im Nebel – es gibt aber auch Zeichen von Hoffnung, wenn eine IP durch Verweise den üblichen Popkultur-Spam in seiner Bedeutung kurzerhand zurechtrückt.

Anmerkungen

  1. Sofern dieser die Löschhölle überlebt.
  2. „Ich habe mal gehört…“, „Meine Oma hat schon immer gesagt…“, „In der Simpsons-Folge 1234 tut Homer auch…“
  3. Wir wissen meistens nur, was Wikipedia nicht ist.

Siehe auch