Benutzer:Marcus Cyron/Testtest

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

„Wikipedian in Residence“ beim Deutschen Archäologischen Institut

Die Berührungsängste in der „Scientific Community“ mit dem Internetlexikon sind vielfach noch weit verbreitet. Zum Teil sind diese Gründe nicht völlig unberechtigt, zum Teil aber heute kaum mehr haltbar. Allein die Statistik zeigt, warum ein Engagement an dieser Stelle wenn schon nicht zwingend, aber doch sinnvoll ist. Im Verlauf des Jahres 2012 werden alle Projekte der Wikimedia-Foundation, der US-Betreiberstiftung, deren Flaggschiff die Wikipedia ist, in ihrer Gesamtheit die Zahl einer halben Milliarde genuiner Zugriffe pro Monat überschreiten.

Damit sollten allein schon aus statistischer Sicht sehr gute Gründe für ein direktes oder indirektes Engagement deutlich auf der Hand liegen. Klar ist, dass man so viele Leser erreichen kann wie über kaum ein anderes Medium. Außerdem hat man als Autor relativ viel Einfluss auf den Inhalt des Artikels und damit auf die kurz-, mittel- und langfristige Wahrnehmung des Themas in einer breiteren Öffentlichkeit. Unterschätzen sollte man auch nicht das häufig sehr hilfreiche Feedback, das man von anderen Autoren oder Editoren erhält. Nicht selten sind Autoren von der fachlichen Versiertheit anderer Autoren angenehm überrascht. Natürlich muss man als Wikipedia-Autor in der Lage sein, das eigene Ego an einigen Punkten etwas zurück zu stellen, etwa Änderungen, so sie denn sinnvoll sind, zu akzeptieren oder auf die Nennung des eigenen Namens am Kopf oder Ende des Artikels zu verzichten. Das fällt nicht zuletzt oftmals schwer, weil man als Akademiker bislang Arbeiten, die man in der Wikipedia schreibt, unter anderen aus diesen Gründen nur selten in die eigene Bibliografie stellen kann. Es bleibt dennoch ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt: Als Wikipedia-Autor kann man davon ausgehen, in einem Themenbereich, den man sowieso kennt und mit dem man sich im Allgemeinen auch gut auskennt, etwas „Gutes“ getan zu haben.

Die Entwicklung der Wikipedia in der Breite wie in der Qualität seit der Begründung im Jahr 2001 ist fast unvorstellbar. In mittlerweile mehr als 280 Sprachversionen (Stand der statistischen Zahlen des Artikeln wenn nicht anders angegeben alle etwa April bis Juni 2012) gibt es über 22 Millionen Artikel. Größte Sprachversion und gewissermaßen das zentrale Projekt ist die englischsprachige Wikipedia mit über 4 Millionen Artikel. Es folgen die deutschsprachige Wikipedia mit über 1,4, die französischsprachige Wikipedia mit über 1,2 und die niederländische Wikipedia mit über einer Million Artikel. Insgesamt gibt es stündlich mehr als 19 Millionen Zugriffe auf die als zentrales Projekt anzusehende englischsprachige sowie mehr als 1,3 Millionen Zugriffe auf die in vielfacher Hinsicht besonders innovative deutschsprachige Version des Internetlexikons.

Seit mehreren Jahren wird versucht, die Qualität der Artikel im Rahmen verschiedener Kulturpartnerschaften zu verbessern. Hier hat sich im Laufe der Zeit der sogenannte „GLAM-Bereich“ herausgebildet – GLAM steht als Akronym für „Galleries Libraries Archives Museums“. Der Bereich beinhaltet somit auch schon in seinem Namen einen Großteil der angestrebten Ansprechpartner. Darüber hinaus sind natürlich auch andere wissenschaftliche oder kulturelle Institutionen die Zielgruppe solcher Kooperationen. Es gab bereits einige „Leuchtturmprojekte“, die zum Teil auch in der Öffentlichkeit Wahrnehmung fanden. So spendete das deutsche Bundesarchiv gegen Ende des Jahres 2008 etwa 80.000 Bilder aus seinem Archiv, die Deutsche Fotothek 2009 über 60.000 Bilder, das Brooklyn Museum 2010 etwa 4.000 Bilder, das Tropenmuseum Amsterdam 2011 mehr als 45.000 Bilder, im weiteren Verlauf des Jahres die National Archive and Records Administration in den USA mehr als 50.000 Bilder und 2012 das Walters Art Museum etwa 20.000 Bilder. Mitte 2012 begann die Université de Neuchâtel damit, 30.000 ihrer in ihrer Herbariensammlung befindlichen Pflanzenblätter zu scannen und auf der zentralen Datensammlung „Wikimedia Commons“ hochzuladen und damit der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Daneben gab es auch kleinere Spenden, etwa hochwertige und sonst kaum zu beschaffende 129 Bilder der Konrad-Adenauer-Stiftung. Vor allem die Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv ist nicht nur stark rezipiert, sondern auch aufgearbeitet worden. Neben vielen positiven Aspekten, etwa einer massiven Steigerung von Einnahmen durch Bildverkäufe, eine immense Zunahme der Zugriffe und Anfragen, ja sogar mehrere hundert sachliche und sprachliche Korrekturhinweise, gab es auch einige negative Aspekte, die nicht verschwiegen werden sollen und vor allem mit der falschen, nicht urheberrechtskonformen Nachnutzung zusammen hängen.

Eine andere Form der Zusammenarbeit wurde in den Niederlanden entwickelt. 2009 wurde das Konzept „Wiki loves Art“ entwickelt, bei dem die Autorenschaft der niederländischen Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte eng mit einer ganzen Reihe von niederländischen Museen zusammen arbeiteten. Dazu gehörten exklusive Führungen für die Autoren, Blicke hinter die Museumskulissen, die Erlaubnis überall zu fotografieren. So kamen mehrere Tausend Bilder von Museumsexponaten zusammen. Für das folgende Jahr wurde das Konzept abgeändert und unter dem Motto „Wiki loves Monuments“ wurden offizielle Denkmale binnen eines als Wettbewerb konzipierten Arbeitsmonats fotografiert. Mit 12.500 Bildern war der Wettbewerb ein voller Erfolg. Für 2011 wurde die Idee auf Europa ausgedehnt. In 19 teilnehmenden Ländern wurden über 168.000 Bilder von Denkmalen aufgenommen. 2012 soll der Wettbewerb weltweit durchgeführt werden.

Während das alles Konzepte einer eher lockeren Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen sind, wurde auch immer ein direkterer Weg gesucht. 2010 wurde mit dem Australier Liam Wyatt erstmals ein Wikipedia-Autor als eine Art Botschafter und Vermittler in ein Museum berufen. Für einen Monat fungierte er als Bindeglied des Britisch Museums und der Wikimedia-Community. Seitdem gab es diverse weitere dieser Partnerschaften, darunter:

• Australien: Australien Paralympic Commitee (National Sport Information Centre) • Dänemark: Nationalmuseet Kopenhagen • Deutschland: Deutsches Archäologisches Institut; Open Knowledge Foundation; Stadtmuseum Berlin • Frankreich: Château de Versailles • Großbritannien: British Library; Derby Art Gallery and Museum • Israel: Israel Museum, Jerusalem; Nationalbibliothek von Israel • Italien: lettera27 Foundation • Schweden: Riksantikvarieämbetet • Spanien: Museu Nacional d'Art de Catalunya in Barcelona; Museu Picasso Barcelona • Südafrika: Africa Centre, Kapstadt • USA: Archives of American Art; The Children's Museum of Indianapolis; Consumer Reports; Museum of Modern Art; Online Computer Library Center; US National Archives

Es wird deutlich, dass neben Institutionen aus dem Bereich der neueren Medien auch sehr viele namhafte Museen und Institute zu den ersten Partnern des Programmes gehören. Besonders weit gereift ist die Durchdringung mit Residents in den USA, dort wird häufig mit staatlichen oder semistaatlichen Stellen zusammengearbeitet. Wie sehr andere Ereignisse Einfluss auf die Entwicklung auch solcher Programme haben können, zeigt das Beispiel Israel. 2011 fand in Haifa das Welttreffen der Wikimedianer, die „Wikimania“ statt. Im Zuge dieser Veranstaltung wurde Wikipedia in der Öffentlichkeit auf ganz andere Weise war genommen. Der Bürgermeister von Haifa eröffnete die Veranstaltung, auf die an vielen Stellen in der drittgrößten Stadt des Landes hingewiesen wurde, und hielt auch an einem zweiten Abend eine Ansprache. Die Post Israels gab eine eigene Sondermarke heraus und mit dem Israel Museum und der Nationalbibliothek wurden auch im Rahmen des Residence-Programmes namhafte Partner gefunden. Weitere Zusammenarbeiten mit dem Staatsarchiv und der Universitätsbibliothek von Haifa stehen kurz bevor.

Einen festen Kanon an Tätigkeiten gibt es für die „Wikipedians in Residence“ nicht. Vielfach muss das Programm auch den örtlichen Bedürfnissen und Gegebenheiten angepasst werden. Im Allgemeinen sollte der Resident nicht als Autor aktiv werden, da es hierbei unter Umständen zumindest in der Theorie zu Verletzungen des Neutralitätsgebotes kommen könnte. Vielmehr soll er motivierend in die Autorenschaft wirken, damit diese als Autoren aktiv werden. Wie das geschehen kann hängt wiederum von vielen Komponenten ab, zuallererst sicher von der Zusammensetzung der jeweiligen Community. So ist die Autorenschaft der deutschsprachigen Wikipedia anders als die der englischsprachigen oder die der französischen, ja selbst innerhalb der einzelnen Sprachversionen kann es Unterschiede geben. Umgekehrt soll der Resident aus der „Wikmedia-Welt“ in die jeweilige wissenschaftliche Institution wirken. Das kann die Schulung der Mitarbeiter – im Falle des Deutschen Archäologischen Instituts nach Möglichkeit nicht nur der Mitarbeiter in Berlin, sondern auch darüber hinaus – umfassen – hier von der Aufklärung über die Hintergründe der Wikipedia bis hin zu praktischen Autorenschulungen – aber auch die Suche nach Medien, die möglicherweise frei in den Wikimedia-Projekten nutzbar wären umfassen. Bei Institutionen wie dem Deutschen Archäologischen Institut gehört zudem die Suche nach möglichen Verknüpfungen der Internetauftritte und vor allem mit den Wissenschaftlichen Datenbanken des DAI dazu. So war einer der ausschlaggebenden Gründe für die Idee des „Wikipedian in Residence“ beim Deutschen Archäologischen Institut die Erkenntnis, dass selbst eine vergleichsweise geringe Verknüpfung mit der Bilddatenbank ARACHNE über die einfache Angabe von Weblinks dort eine große Zahl der Zugriffe generiert hat. Hier ist Potential für eine weitere direkte Zusammenarbeit zum Nutzen beider Institutionen ganz offensichtlich gegeben. Auch die schon in der Wikipedia vorhandenen Daten sind ein Schatz, den man auch bei archäologischen Themen unter Umständen nur heben muss. So ist einer der am besten erschlossenen Bereiche der des Römischen Limes. Mit den Daten der Wikipedia ist es wohl möglich, eine interaktive Karte des Limes zu schaffen. Bei Institutionen wie dem DAI gibt es zudem Schätze in den Datenspeichern zu heben, die der Öffentlichkeit bis dato kaum bekannt waren. Die Bibliotheken, Fototheken und Archive beinhalten mutmaßlich noch unzählige Objekte, die von Interesse für eine breitere Öffentlichkeit sind. Eine Möglichkeit, diese publik zu machen, könnten eventuell verschiedene Wikimedia-Projekte sein.

Problematisch ist bei der angestrebten Motivation von Wissenschaftlern, dass es oftmals nicht der fehlende Wille zur Teilnahme ist, sondern die äußeren Gegebenheiten mit beruflichen Verpflichtungen, den eigenen Forschungen und letztlich auch noch dem eigenen Privatleben, die ein verstärktes Engagement in der Wikipedia verhindern. Die Notwendigkeit oder zumindest die Sinnhaftigkeit wird nach mittlerweile über elf Jahren Wikipedia und rasanter Entwicklung des Projektes im Allgemeinen kaum noch in Frage gestellt. So bleibt es ein zentrales Thema der Vermittlung, dass Hilfe auch in anderer Form als in direkter Weise als Autor von Artikeln möglich ist: Etwa als Korrekturleser von Artikeln aus seinem Fachbereich, Ansprechpartner für die Autoren archäologischer Artikel oder vielleicht sogar als Fotograf frei nutzbarer Bilder. Auch ein vereinfachter Zugang der Wikipedia-Autoren zu Wissenschaftlern wird angestrebt, wobei auch hier darauf zu achten ist, dass die Kapazitäten einzelner Personen nicht überdehnt werden. Für die Wikimedia-Autoren ist unter anderem ein Blick hinter die Kulissen des DAI vorgesehen, möglicherweise sogar bis hinter die Kulissen auswärtiger Ausgrabungsprojekte oder auch durch einen vereinfachten Zugang zu den Archiven.

Da auch der engagierteste Wikipedian in Residence nur einen kleinen thematischen Bereich abdecken kann, soll als Abschluss dieser ersten Zusammenarbeit eine Tagung in Berlin durchgeführt werden, in der die Autoren archäologischer Artikel der Wikipedia und Fachwissenschaftler zusammen treffen. Die Tagung unter dem Motto „Wikipedia trifft Archäologie“ lehnt sich dabei an die erstmals durchgeführte Veranstaltung „Wikipedia trifft Altertum“ an, bei der erstmalig Wissenschaftler eines thematisch eingegrenzten Fachbereiches eingeladen waren, um gemeinsam mit den Autoren aus der Wikipedia zu diskutieren. Die Tagung, die neben dem DAI auch vom Deutschen Archäologenverband, der Mommsen-Gesellschaft, dem Deutschen Altphilologenverband, der Deutschen Orientgesellschaft und der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft unterstützt wurde, war ein ungeahnter Erfolg.

Grenzen werden der Kooperation von zwei Seiten gesetzt. Der Resident ist weder als Agent der einen, noch der anderen Seite im Einsatz. Er hat im besten Sinne zwei Herren zu dienen und die Regeln beider Institutionen zu befolgen. Dabei können die Regeln in den kulturellen Organisationen natürlich variieren und vom Resident erst recherchiert werden. In der Wikipedia sind diese Grundregeln klar definiert:

• Wikipedia ist ein Projekt zur Erstellung einer Enzyklopädie. • Es ist bei allen Arbeitsergebnissen nach Möglichkeit der neutrale Standpunkt einzuhalten. • Alle Ergebnisse sind unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen, bei Texten passiert das ohnehin automatisch. • Die Wikiquette, die Wikipedia-Version der „Nettiquette“, der Höflichkeitsregeln im Internet, sind einzuhalten.

Kein Resident kann für eine externe Organisation arbeiten und diese Grundregeln verletzten: Keine Teilcommunity eines der Wikimedia-Projekte würde ein solches Vorgehen akzeptieren und die Zusammenarbeit stünde unter keinem guten Stern. Andererseits darf der Resident auch nicht zum Vorteil der Wikimedia-Projekte die Prinzipien oder Regeln der Partnerorganisation verletzten, selbst wenn diese vielleicht nach gängiger Interpretation oder aus rechtlicher Sicht (Stichwort etwa: Lizenz- und Bildrechte) anders auslegbar wären.

Ziel der Residence-Kooperation zwischen dem Deutschen Archäologischen Institut und Wikimedia Deutschland ist letztlich eine längerfristige Wirkung. Auch wenn im Rahmen der sechs Monate der Laufzeit des Programmes auch „handfeste“ Ergebnisse erreicht werden sollen, ist ein weiterer hoffentlich erreichter echter Erfolg erst aus einer größeren zeitlichen Entfernung erkennbar.

Bibliografie: - Marcus Cyron: User generated History. Wikipedia als digitales Geschichtsschreibungsprojekt, In: Wolfgang Hartwig, Alexander Schug (Hrsg.): History Sells! Angewandte Geschichte als Wissenschaft und Markt, Steiner, Stuttgart 2009; S. 256-264 - Marcus Cyron: Eine Archäolopedia? Archäologie in der Wikipedia, In: Archäologisches Nachrichtenblatt 13 (2009), S. 293-299 - Marcus Cyron, Boris Marinov (Red.): Alles über Wikipedia und die Menschen hinter der größten Enzyklopädie der Welt, Stuttgart 2011 - Thomas Wozniak: Zehn Jahre Berührungsängste: Geschichtswissenschaft und Wikipedia. Eine Bestandsaufnahme, In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 60 (2012), S. 247–264 - Ein Tagungsband zur Konferenz „Wikipedia trifft Altertum“ ist für 2013 in Vorbereitung