Benutzer:Marinavista/Kaiser-Wilhelms-Bad in Bad Homburg v.d.H.

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Am 22.3.1887, anlässlich des 90. Geburtstags von Kaiser Wilhelm I., wurde der Grundstein für das Kaiser-Wilhelms-Bad gelegt, am 14.8.1890 konnte es eingeweiht werden. Damit begann die wirtschaftlich erfolgreiche Ära der heute wohlhabenden Kurstadt Bad Homburg. Obwohl schon Mitte des 19. Jahrhunderts über den Bau eines repräsentativen Badehauses im dortigen Kurpark nachgedacht wurde, verzögerte sich die Verwirklichung unter anderem auch aus finanziellen Gründen. In den 1880er war es dann endlich soweit, dass mit der Planung angefangen werden konnte; der berühmte Homburger Baumeister Louis Jocobi (1836-1910) wurde beauftragt, dieses prunkvolle Projekt zu realisieren.


Geometrische Formen

In dieser Zeitspanne orientierte sich die Architektur bei den Grundrissen an eher einfachen, idealen, geometrischen Formen - wie dem Quadrat oder dem Kreis -, ganz im Sinne der Antiken. Man setzte somit die klassische Formensprache der Antike ein, um klare und ausgewogene Bauten zu konzipieren. Die Gesetze der einfachen Proportionierung wurden maßgebend befolgt, Säulen, Pilaster, Kapitelle und Dreiecksgiebel dementsprechend nach den römischen und griechischen Vorbildern gewählt. L. Jacobi imitierte aber nicht pedantisch die Antiken, sondern versuchte - wie der große Architekt der Hochrenaissance, A. Palladio -, schöpferisch diese Vorbilder für die jeweilige Bauaufgabe fruchtbar zu machen. Für A. Palladio, der aus den Schriften Vitruvs den Stil der Hochrenaissance übernahm und seine Bauten in klassischer Eleganz und Klarheit schuf, musste das Gebäude allerdings einen Nutzen haben. Die ästhetischen Prinzipien der Proportionen und Harmonie wurden von L. Jacobi demgemäß mit der praktischen Baufunktion gekoppelt: das repräsentative Bad in dem exklusiven Flair des Kurparks sollte dem Zweck der Heilung und Genesung dienen.

Für die Fassade hat Jacobi zu der Kolossalordnung der antiken Tempel gegriffen. Die Applikation einer antikischen Tempelfassade gibt dem Sakralbau einen monumental repräsentativen Charakter. Die Frontseite besteht aus einem Portikus mit vorgeladener Freitreppe, der – in optischer Hinsicht -. eine Vergrößerung des Gebäudes bewirkt und dies geradezu tempelähnlich erscheinen lässt. Die Säulenvorhalle, bestehend aus sechs Säulen, umarmt den Eingang, der von einer großen Dreieckskrönung nach oben geschlossen wird; dies bewirkt eine Leichtigkeit und scheinbare Beweglichkeit der tempelartigen Fassade. Rechts und links des dreifachen, bogenartigen Portals sind zwei Rundbogennischen angeordnet, die eine große Vase enthalten. Ähnlich wie Palladio (in der Loggia der Villa Rotonda) übernahm Jacobi die Idee der Rundbogen aus der Romanik, um damit der Frontseite gewissermaßen eine Weichheit zu verleihen.

Bei direkter Ansicht von vorne wird eine virtuelle Wiederholung der Grundform des Dreiecks in den rechten und linken pyramidenförmigen Dächern erkennbar. Diese Vielfalt von Dreiecken macht den Reiz der Fassade aus, die nach oben durch eine gewaltige Kuppel mit vier kleineren Begleitkuppeln in vollendeter Harmonie abgeschlossen wird. Der Eindruck der Vollkommenheit ist beim Kaiser-Wilhelms-Bad auch darauf zurückzuführen, dass der Halbkreis bei seiner Vervollständigung zum perfekten Kreis geschlossen wird. Es ist also ein Raum, der von einer vollendeten Harmonie geprägt ist.

Kuppel als Himmelsabbild

Der kosmische Sinn der Kuppel als Himmelsabbild wurde schon in der Antike erkannt. In der Auslegung von Palladio entsprach die Rundform in ihrer Schlichtheit und Uniformität einem Abbild der kosmischen Kreisbewegung. Diese vollkommene Grundform projiziert somit das Göttliche auf die Erde.

Im 19. Jahrhundert wurde die Kuppel häufig als imposantes Würdezeichen der Profanbauten genutzt, die sich an Palladios Rotonda oder Pantheon anschlossen. Der Zentralbau mit der runden Form sollte dem von Gott geschaffenen Universum ähneln. Denn dieses göttliche Prinzip durchwirkt den Kosmos in all seinen Bestandteilen und ist folgerichtig auch in diesem Sakralraum anzutreffen. In diesem wird quasi ein irdisches Himmelsreich verwirklicht, das mit der Paradieswelt des umliegenden Parks räsoniert.

Das Pantheon wurde zum Prototyp für zahllose Kuppelbauten, die in der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert erstellt wurden. Solcherart Kuppeln, die an das Himmelsgewölbe erinnern, sind natürlich am besten geeignet, um den Himmel als solchen abzubilden. Die Kuppel wird damit zum Erscheinungsort des Göttlichen, was den Gesamtraum zum Sinnbild des Weltalls macht. Kosmologische Rundformen und Kreise gelten darüber hinaus als Symbole für Einheit, Ewigkeit, Unendlichkeit und die Gerechtigkeit Gottes; Der Kreis ist die vollkommene Form, die sowohl in den Gestirnen als auch auf der Erde zu finden ist. Deswegen ist der Kreis die ideale würdige Form für die Darstellung Gottes, denn er hat weder einen Anfang noch ein Ende. Dies ist als Hinweis auf das ewige Leben der göttlichen Natur zu bewerten; somit wird mit dem Kreis das Universelle in den Bad Homburger Park projiziert.


Ionische und korintische Säulen

L. Jacobi hat mit einfachem Baumaterial eine monumentale und kostbare Wirkung erzielt. Die Außenmauern, die Säulen und das dahinter befindliche flache Gebäude sind nicht aus weißem Marmor - wie die antiken Vorbilder - sondern aus rötlichem Ziegelmauerwerk gefertigt. Dafür hat er die Reinheit der weißen, also edlen Farbe des Marmors in die Innenräume eingebracht. Eine vielstufige Treppenanlage führt zu einem Portal, das durch eine dreifältige Triumphbogenfassade gebildet ist und zu dem aus Marmor bestehenden, runden Innenraum führt. Die Dynamik des Zentralraumes erfolgt durch vier Rundbögen, durch die man zu den Seitenräumen gelangt. Der Innenraum der Rotunde besteht aus einem dreizonigen Aufbau. Die untere Zone, in grau gestrichen, wird von weißen Bänken unterbrochen; in der zweiten Zone dominieren vier große Rundbögen, von je zwei in die Wand eingebauten flachen ionischen Säulen flankiert, die jeweils von fünf Kanneluren geschmückt und von vier Marmornischen im korinthischen Stil veredelt werden. Die dritte Ebene besteht aus einer Reihung von niedrigen kannelierten Pilastern, die ebenfalls in die Wand eingebaut sind. Wie im Pantheon befinden sich in der Wand muschelartige Nischen, geziert mit Statuen, die Gottheiten ähneln. Die korinthischen Säulen, von Akanthuskapitellen gekrönt und in die Wand eingegeben, sind ein wichtiges Stilmittel, um dem ganzen Raum den Charakter und Charme einer weiblichen Leichtigkeit zu verleihen. Über der Wandzone wölbt sich, als gewaltige Halbkugel, die kassettierte Kuppel, die in dem Raum einen Kreis bildet und an das Pantheon in Rom erinnert.

H wie Heilen

Die westlichen, ebenso die chinesischen Geomanten kamen früher schon zu der Auffassung, dass unsere Erde ein natürlicher Organismus ist, dem Einfluss von Himmel und Erde untergeordnet, in den alle Lebewesen und alle Erscheinungen eingebunden sind. Der Mensch bemüht sich demzufolge, die Harmonie des Irdischen und Kosmischen mit seiner Art der Proportionierung, Orientierung und vor allem mit seinen Formen auszudrücken. Die Architektur und die Geomantie waren nämlich ursprünglich nicht voneinander getrennt. Bereits in der Megalithkultur, bei den Ägyptern, Griechen, Römern und den Renaissance-Menschen hatten sakrale und profane Bauwerke eine funktionale, geistige und eine metaphysische Ebene. Mithilfe der architektonischen Formen wollten die Menschen damals Körper und Geist verbinden.

An diese Tradition hat offensichtlich auch Jacobi angeknüpft, denn die Hinterseite des Kaiser-Wilhelms-Bads ist mit dem Mittelbau durch eingeschossige Trakte verbunden, sodass das Ganze im Grundriss die Form des liegenden Buchstaben H ergibt. Mit dem „H“, das für „Heilen“ steht, ist geomantisch die Funktion dieses Gebäudes eingebracht worden. Mit solch feinen Gestaltungsparametern kann demnach in der Architektur die gewünschte Wirkung erzielt und umgesetzt werden. Die H-Form hat einen lebendigen, bewegten und assoziativen Charakter; die äußere Form erzeugt eine Analogie und Resonanz bezüglich des Genesens und unterstützt damit den Heilungsprozess derjenigen, die diese Kureinrichtung dafür nutzen.

Quellen

Grosche Heinz, Geschichte der Stadt Bad Homburg v.d.H. Bd. III. Die Kaiserzeit. Hrsg. Magistrat der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe, Kramer Waldemar Verlag, Frankfurt am Main, 1986

Helm Rudolf, Maßverhältnisse vorgeschichtlicher Bauten, in Germania 30, 1952, S. 69-76

Lotz Friedrich, Geschichte der Stadt Bad Homburg v.d.H. Band II. Die Landgrafenzeit,

Dr. Severin Arianna, Feng Shui Der rote Faden in der Geschichte der Stadt Bad Homburg v.d.H., TCM Fachverlag, Stralsund, 2010

Stockmeyer Ernst, Maß und Zahl in der Baukunst in Werk 30, 1943, S. 353-359


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