Benutzer:Martin Be/AIDA
Geschichte
Deutsche Seereederei - Vorgeschichte
Die VEB Deutsche Seereederei (DSR) in Rostock betrieb als Staatsreederei der Deutschen Demokratischen Republik neben dem Frachtgeschäft auch die Urlauberschiffe des FDGB-Feriendienstes. Ab 1960 zunächst die Fritz Heckert und Völkerfreundschaft, ab 1985 die Arkona, die zuvor unter dem Namen Astor über die ZDF-Fernsehserie Das Traumschiff bekannt geworden war. Mit dem Aufruf durch einen Vertreter der Werftarbeiter aus Wismar „Früher sind die Kapitalisten, die reichen Geldsäcke auf solchen Schiffen gefahren. Heute sollen die Arbeiter auf solchen Schiffen fahren“ auf dem V. Parteitag der SED im Juli 1958, startete das Projekt vor allem im Interesse der Staatsführung und im Hinblick auf das enorme propangandistische Potential.[1] Die Idee eines „Kreuzfahrturlaub für alle, nicht nur für Auserwählte“ konnte die Bevölkerung faszinieren und zwischen 1960 und 1990 sind auch knapp dreihunderttausend Urlauber mit diesen Schiffen gefahren.[1] Die Begeisterung und der Glauben daran, dass durch die Überlegenheit des sozialistischen Wirtschaftssystems auch solcher Luxus bald zum normalen Wohlstand eines Arbeiters zählen würde, trübte sich aber sehr schnell. Die Urlaubsfahrten wurden zur Republikflucht in den Westen genutzt, so dass bald nur noch sozialistische Bruderländer als Reiseziele angelaufen und Landausflüge stark eingeschränkt wurden. Die Beschaffung von Ersatzteilen für die schnell alternden Schiffe gestaltete sich zunehmend schwierig und der finanzielle Aufwand insgesamt war extrem hoch. Um die Verluste wenistens einigermaßen in Grenzen zu halten, ging die Fritz Heckert schon nach neun Jahren wieder außer Dienst und die Arkona wurde im Winter, wenn kein Bürger nach Leningrad fahren wollte, zur Devisenbeschaffung in die Bundesrepublik verchartert.[2] Dort war sie im Auftrag der TUI wieder ganz klassisch für Wohlstandsbürger als „Luxusliner“ im Angebot.[3] Dadurch und unter dem Eindruck, dass die Reisen zuletzt vor allem an Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre verteilt wurden, statt an die einfache Arbeiterklasse, standen die Schiffe zuletzt im Ruf, vor allem als „Bonzenschaukeln“ unterwegs gewesen zu sein.[4]
Am 18. Juni 1990 wurde das Unternehmen durch die Treuhandanstalt in eine GmbH umgewandelt und am 3. Juni 1993 an die Investorengruppe Horst Rahe und Nikolaus H. Schües aus Hamburg verkauft. Kritiker äußerten Vorwürfe, die beiden hätten die Absicht, die DSR nach "Kolonialherrenart auszuschlachten". Sie hätten nur 10 Millionen für ein fünzigfach wertvolleres Unternehmen zu zahlen und die Treuhand lege sogar noch einen Sanierungszuschuss in dreistelliger Millionenhöhe drauf.[5] Vor allem Rahe habe zwar keine Erfahrung im Reedereigeschäft, aber einen schlechten Ruf als Händler von Altabschreibungs- und Steuersparmodellen. Im grauen Gewerbe bei Renatus Rüger in Köln sei er vom Lehrling zum Geschäftsführer eines Sammelsuriums von über 80 Firmen aufgestiegen und vom Branchenblatt Kapitalmarkt intern mit dem Titel „der Komplize“ bezeichnet worden.[6] Geprellte Anleger verklagten ihn mehrfach und nach einem Mammutprozess in Köln mit fast 700 Zeugen wurden Rüger und er erst 1988 in letzter Instanz vor dem BGH wegen Verjährung freigesprochen.[6] Verschiedene Tageszeitungen berichteten über den Wettbewerb, bei dem sich die beiden Außenseiter gegen ein konkurrierendes Angebot der Vulkan-Werft aus Bremen durchgesetzt hatten. Anschuldigungen standen im Raum, über enge Verbindungen zwischen Hamburger Reedereikreisen um Hapag-Lloyd und führenden Mitarbeitern der Treuhandanstalt sei ein Komplott gegen Friedrich Hennemann, den damaligen Vorstand der Vulkan-Werft geschmiedet worden. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtete Einzelheiten und gab an, dass der Theorie einer „großen Hamburg-Verschwörung“ auch das Schiffahrtsorgan Lloyds List „einige Glaubwürdigkeit“ zugebilligt hätte.[7]
Die DSR wurde in eine Holding umgewandelt. Daraufhin führte Nikolaus H. Schües, Sohn des Reeders Nikolaus W. Schües, die Schiffe der F. Laeisz Schiffahrtsgesellschaft, an der seine Familie maßgeblich beteiligt war, mit der Frachtschiffflotte der DSR in der Hamburger Reederei F. Laeisz zusammen.[8] Unter der ehemaligen Staatsreederei blieben damit nur die zuvor als Randgeschäft betrachteten Bereiche, Immobilen und das Kreuzfahrtgeschäft übrig.
Für das Kreuzfahrtgeschäft wurde die Deutsche Seetouristik GmbH gegründet, die als Korrespondentreeder die Arkona übernahm. Im Jahr 1994 gelang es, für das Schiff einen vorteilhaften und sehr langfristigen Chartervertrag bis ins Jahr 2000 mit Seetours International auszuhandeln, einer Tochtergesellschaft des TUI-Touristikkonzerns.[9] Vor dem Hintergrund dieses Erfolges und da sich Schües und Rahe ohnehin bei Übernahme der Deutschen Seereederei gegenüber der Treuhand verpflichtet hatten, etwa 750 Mio. DM in den Umbau des Unternehmens zu einem Hotel- und Touristikkonzern zu investieren und dadurch 2500 Arbeitsplätze zu erhalten,[10] setzten sie verstärkt auf den Ausbau des Kreuzfahrtgeschäfts.
Deutsche Seetouristik - Die erste AIDA
Im Mittelpunkt stand die Idee, neue und jüngere Kundenkreise zu erreichen, die sich durch klassische Kreuzfahrten nicht angesprochen fühlten und nicht bereit oder in der Lage waren, den hohen Preis einer Erste-Klasse-Reise wie z.B. auf der Arkona zu zahlen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte erstmals auch auf dem deutschen Markt, nach amerikanischem Vorbild der „Fun Ships“ (deutsch: „Spaßschiffe“) von Carnival Cruise Lines, das Konzept des ungezwungenen Cluburlaubs auf Schiffsreisen übertragen werden. Rahe brachte Johann-Friedrich Engel mit ins Team, einen langjährigen Mitarbeiter von Robinson Club und für die bauliche Umsetzung des „Clubschiff“-Konzepts die Architekten Kai Bunge und Siegfried Schindler vom Planungsbüro Partner Ship Design. Zunächst suchte man nach einem für den Umbau geeigneten Schiff und hatte auch schon die Sally Albatross als Kandidaten in der engeren Wahl, bis sie am 4. März 1994 auf in der Ostsee auf Grund lief und in eine nahegelegene schwedische Werft geschleppt werden musste. Der spätere „AIDA-President“ Michael Thamm soll zur Besichtigung des Schiffs und des Schadens vor Ort gewesen sein und von der Reparatur abgeraten haben.
Im August 1994 schloss die Deutsche Seereederei mit Kværner Masa Yards in Helsinki einen Vertrag über einen Neubau, der auf der Werft in Turku bis Juni 1996 fertiggestellt werden sollte.[9] Die Kiellegung erfolgte am 11. November 1995. Bereits während der Bauphase wurde für „Das Clubschiff“ intensiv geworben. Für den Schiffsnamen hatte die Reederei nach einem Wort gesucht, das genau wie Arkona mit dem Buchstaben A begann und auch auf A endete. Die Wahl fiel auf schließlich auf „AIDA“, nach einer nubischen Prinzessin im alten Ägypten und einer Oper von Giuseppe Verdi, die fälschlicherweise oft mit der Eröffnung des Suezkanals in Verbindung gebracht wird, so dass ein Bezug zur Schifffahrt hergestellt war. Der Grafiker Feliks Büttner entwarf das Markenzeichen im Jahr 1996. Der „Kussmund“ mit großen Augen und blauem Lidstrich als Rumpflackierung kennzeichnet seither alle AIDA-Schiffe.
Im Juni 1996 wurde das Schiff fristgerecht als AIDA (heute AIDAcara) in Dienst gestellt. Rahe und Schües verhandelten mit TUI über die Übernahme der bei Vermarktung der Arkona erfolgreichen Seetours International und am 1. Oktober 1996 wechselte das Unternehmen von TUI zur Firmengruppe der DSR. Trotz guter Buchungszahlen und einer Reiseauslastung von 85% in der ersten Saison, brachte das AIDA-Geschäft aber keinen Gewinn. Die Vermarktung der Kabinen durch den eigens dafür gegründeten neuen Veranstalter Arkona Reisen, Rabatte und „Spezialtarife“ für Mitarbeiter von Reisebüros kosteten im Gegenteil viel Geld.[11] Um die Liquidität des Unternehmens zu verbessern, war Arkona Reisen im August 1997 gezwungen, die AIDA für 324 Millionen DM an den Wettbewerber Norwegian Cruise Line (NCL) zu verkaufen.[12] Durch einen gleichzeitig auf ein Jahr vereinbarten Charter-Vertrag blieb der Betrieb des Schiffs aber unverändert. Bis Ende 1997 war ein Verlust von mehr als 250 Millionen Mark aufgelaufen und Anfang 1998 drohte der Konkurs.[13]
P&O
Im November 1999 überließ Arkona Touristik sein Kreuzfahrtgeschäft der britischen Reederei P&O, zu diesem Zeitpunkt weltweit die Nr. 3 im Kreuzfahrtgeschäft. Der Verkauf erfolgte durch Übertragung der Tochtergesellschaft Seetours International, die man im Oktober 1997 selbst erst von der TUI erworben und der man im Anschluss das operative Kreuzfahrtgeschäft und alle Rechte an der Marke AIDA anvertraut hatte. Arkona Touristik blieb mit einem 49-%-Minderheitsanteil an dem in London neu gegründeten Joint-Venture AIDA Cruises Ltd. nur noch finanziell beteiligt. Da Seetours ein für Schiffsreisen gut eingeführter Name war, ergänzte ihn P&O als Namensbestandteil der deutschen Niederlassung zu Seetours – German Branch of Aida Cruises. P&O kaufte sofort das erste AIDA-Clubschiff von NCL zurück und gab zwei weitere Schiffe zur Ausliefung in 2002 und 2003 bei der Aker MTW Werft in Wismar in Auftrag. Im Jahr 2000 tauschte Arkona Touristik vereinbarungsgemäß seinen Joint-Venture-Anteil gegen Aktien der P&O Princess Cruises International, in die P&O gerade sein gesamtes Kreuzfahrtgeschäft ausgegliedert hatte. Daraufhin änderte sich der Name der deutschen Niederlassung in Seetours – German Branch of P&O Princess Cruises International Ltd..
Carnival Corporation & plc
Seit Zusammenschluss der in Carnival plc. umfirmierten P&O Princess Cruises International mit der amerikanischen Carnival Corp. im April 2003, gehört auch die Marke AIDA Cruises zum neu entstandenen Weltmarktführer für Kreuzfahrten Carnival Corporation & plc.
Noch im Verlauf des Jahres 2004 übertrug der Konzern den Betrieb der AIDA-Marke von seinem britischen Unternehmensteil auf die italienische Konzerntochter Costa Crociere in Genua, eine bereits 1997 durch Carnival Corp. übernommene italienische Reederei. Das Eigentum an den Schiffen ging zunächst an die Società di Crociere Mercurio, ebenfalls in Genua, mit deutscher Niederlassung AIDA Cruises – German Branch of Società di Crociere Mercurio S.r.l., ab Juli 2010 dann direkt zur Costa Crociere, weshalb die deutsche Niederlassung seither als AIDA Cruises – German Branch of Costa Crociere S.p.A. firmiert. Ihre Geschäftsräume befinden sich in wiederaufgebauten alten Speicherhäusern am Rostocker Stadthafen.
Zwischen 2007 und 2013 investierte Carnival mehr als zwei Milliarden Euro in den Ausbau der AIDA-Flotte.[14] In diesem Zeitraum wurde jedes Jahr ein neues Schiff in Dienst gestellt. Insgesamt sieben Schiffe, die alle auf der Meyer-Werft in Papenburg im Emsland gebaut wurden.
Anfang August 2011 gab das Unternehmen die Bestellung zweier Neubauten bei Mitsubishi Heavy Industries in Japan bekannt. Die mit etwa 125.000 BRZ und für 3250 Betten ausgelegten Schiffe sollten jeweils im März der Jahre 2015 und 2016 abgeliefert werden.[15] Ihre Motoren werden auch einen Betrieb mit umweltfreundlichem Flüssiggas erlauben[16] und über ein spezielles System zur Luftschmierung sieben Prozent Antriebsenergie einsparen. Beim ersten Neubau, kielgelegt am 30. Juni 2013[17], kam es auf der Werft aber zu Verzögerungen. Die angekündigte 50-tägige Jungfernfahrt von Japan nach Dubai und Hamburg musste von März zunächst auf den 1. Oktober 2015 verschoben[18][veraltet] und am 4. August 2015 schließlich abgesagt werden. Die in Hamburg geplante Schiffstaufe wurde auf April 2016 verlegt.[19]
Im Februar 2015 gründete Costa Crociere die Tochtergesellschaft Carnival Maritime GmbH in Hamburg. Als neue Betreibergesellschaft übernahm diese unter Leitung von Jens Lassen das Mananagement der bis dahin von Genua und Rostock betriebenen Kreuzfahrtschiffe der Marken AIDA Cruises, Costa Crociere und Costa Asia.[20] Am 1. September 2015 ernannte die Costa-Gruppe Felix Eichhorn zum neuen „Präsidenten“ der AIDA Cruises. Michael Ungerer, der diese Position als Nachfolger von Michael Thamm seit 2012 innehatte, wechselte innerhalb des Unternehmens zu Carnival Asia.[21]
Im Juni 2015 veröffentlichte die Costa-Gruppe auf der Webseite von AIDA Cruises, dass sie erneut zwei Neubauten bei der Meyer Werft in Papenburg in Auftrag gegeben habe, die mit einer Tonnage von 180.000 BRZ und über 2.500 Kabinen in den Jahren 2019, bzw. 2020 ausgeliefert werden sollen.[22]
Einzelnachweisen
- ↑ a b Andreas Stirn: Traumschiffe des Sozialismus - Die Geschichte der DDR-Urlauberschiffe 1958-1990 (PDF, 21kB), Dissertation. In: Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, abgerufen am 28. Oktober 2015
- ↑ Dunja Stamer: [http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/lesezeit/151487/index.html Cocktails auf dem Sonnendeck - Ein Buch über "Traumschiffe des Sozialismus"]. In: 3sat, 3. März 2011, abgerufen am 28. Oktober 2015
- ↑ Andreas Stirn: Das DDR-Traumschiff - Kreuzfahrt mit dem Klassenfeind. In: TAZ, 16. August 2008
- ↑ Reinhard Bünger: Luxusliner der Arbeiterklasse. In: Der Tagesspiegel, 23. Januar 2011, abgerufen am 27. Oktober 2015
- ↑ Jan Brech: Seereederei Rostock hat wenig Wasser unterm Kiel, In: Die Welt, 22. August 1997, abgerufen am 28. Oktober 2015
- ↑ a b Der Lehrling des Hexers. In: Der Spiegel, 7. Juni 1993, abgerufen am 28. Oktober 2015
- ↑ Grosses Komplott, In: Der Spiegel, 7. Juni 1993, abgerufen am 28. Oktober 2015
- ↑ Historie der Reederei F. Laeisz, abgerufen am 31. März 2015
- ↑ a b Von DSR zu AIDA. In: Verein Seeleute Rostock e.V., abgerufen am 27. Oktober 2015
- ↑ Dorothea Heintze: Der Selbermacher - Seite 2]. In: Zeit-Online, 12. Januar 2006, abgerufen am 28. Oktober 2015
- ↑ Die Zeit, Ausgabe 23/1997 – Aida: Verluste trotz guter Buchungslage
- ↑ Die Zeit, Ausgabe 35/1997 – „Aida“ wird skandinavisch
- ↑ werner Suhl: Im Osten auf großer Fahrt. In: Berliner Zeitung, 30. Mai 2005, abgerufen am 1. Oktober 2015
- ↑ AIDA Cruises: Pressemitteilung vom 22. Juli 2008: AIDA: Schiffsneubau für das Jahr 2010 heißt AIDAblu. Abgerufen am 29. Dezember 2011.
- ↑ AIDA Cruises: Pressemitteilung vom 2. August 2011: AIDA Cruises auf Wachstumskurs: AIDA Cruises lässt zwei neue Kreuzfahrtschiffe in Japan bauen. Abgerufen am 23. Juli 2012.
- ↑ Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen umweltschutz-programm. - ↑ http://www.aida-cruises.at/kreuzfahrt/schiffe/neue-generation.25872.html Neue Generation – AIDA Kreuzfahrten, abgerufen am 16. September 2013
- ↑ AIDAprima Jungfernfahrt: 1. Etappe. In: AIDA Cruises. Abgerufen am 8. April 2014.
- ↑ AIDA Pressemitteilung. AIDA Cruises, 4. August 2015, abgerufen am 6. August 2015.
- ↑ Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen Maritime. - ↑ Yvonne Wodzak: Felix Eichhorn wird Präsident von AIDA Cruises. In: new-business.de. 10. August 2015, abgerufen am 2. September 2015.
- ↑ AIDA Cruises vergibt Milliardenauftrag an die Meyer Werft in Papenburg. 15. Juni 2015, abgerufen am 15. Juni 2015.